Wenn C.F. seine Mutter trifft, schütteln sie sich die Hände. Manchmal verzehrt er sich so sehr nach Nähe, dass er sich über den Erhalt von Spammails freut oder über an den Vorvormieter adressierten Briefe.
Wenn Christoph Fritz seine Mutter trifft, schütteln sie sich zur Begrüßung die Hände. Manchmal verzehrt er sich so sehr nach Nähe, dass er sich über den Erhalt von Spammails freut oder die an den Vorvormieter adressierten Briefe.
Da man auf Spammails aber nicht antworten sollte und das heimliche Öffnen von fremden Briefen über Wasserdampf bekanntlich auch keine Dauerlösung darstellt, begibt er sich auf die Suche nach Intimität, die er an Orten findet, an denen er sie nicht vermutet hätte.
So werden eine abgelegene Straße in Frankreich, ein nächtlicher niederösterreichischer Garten oder die Ordination eines Urologen zu Schauplätzen unverhoffter Zärtlichkeit.
Regie: Sebastian Huber und Sonja Pikart
Christoph Fritz zählt zu den großen Talenten des heimischen Kabaretts. In seinem zweiten Programm "Zärtlichkeit" geht es um Sex. Kann das gutgehen? Beherzter Griff in die von Angst besetzten Schamzonen: Christoph Fritz schätzt zum Beispiel an Beziehungen, dass man ihretwegen "auf keine Dates mehr gehen muss".
Zum Interviewtermin erscheint Christoph Fritz weder zu früh noch zu spät. Ihm gelingt eine Punktlandung. Und das ist schon die erste Pointe – vorausgesetzt, man hat sein neues Kabarettprogramm gesehen. Es heißt Zärtlichkeit, ist das zweite seit seinem vielgefeierten Debüt Das Jüngste Gesicht (2018) und handelt schwerpunktmäßig von einem Thema, über das man(n) nicht so gerne redet: vorzeitiger Samenerguss.
Jetzt muss man sich Christoph Fritz als jemanden vorstellen, der über derlei gänzlich anders spricht, als man es vielleicht von billigen Macho-Comedians der Marke Mario Barth kennt. Christoph Fritz besticht durch radikale Schüchternheit. Seine Sätze klingen sanft und zögerlich, mitunter stotternd, und sind dennoch von einer Trotzigkeit, die das Publikum verdutzt zurücklässt. Es habe ihn gereizt, etwas Schambehaftetes aufzugreifen, sagt er dem STANDARD, genauso zögerlich wie er auf der Bühne spricht.
Im Programm stellt Fritz sich als jemand dar, der beim Sex nicht an die Sache an sich, "sondern an die schmelzenden Polkappen denkt" und seine Kondome – so er sie denn je braucht – sicherheitshalber in einem Tupperg’schirrl aufbewahrt. "Verklemmt" wäre wohl eine Zuschreibung dafür, aber Fritz deutet derlei mit einem achselzuckenden "Ich bin, wie ich bin" zum Empowerment um: Er sei eben jemand, der sogar seine Therapeutin deprimiert.
Ein gar so hoffnungsloser Fall ist Christoph Fritz im realen Leben nicht, wie er im Gespräch beruhigt: "Ich bin in echt schon auch sozial unbeholfen, aber auf der Bühne ist natürlich vieles übertrieben und überhöht. Das muss so sein."
Aufgewachsen ist Christoph Fritz im ländlichen Niederösterreich, in der Schule war er der Einserschüler. Theatererfahrung oder Kabarettbegeisterung gab es bei ihm zunächst gar keine, "zum ersten Mal als lustig wahrgenommen wurde ich, als ich – warum auch immer – als Schulsprecher kandidiert habe".
Später tat er das, "was alle tun, die nicht wissen, was sie tun sollen, aber trotzdem einen Job wollen", und studierte Betriebswirtschaft. "Das war trocken, ja", sagt er, aber vielleicht passte es ganz gut zur Humorart des heute 28-Jährigen: Die ist nämlich staubtrocken.
Eine Studienkollegin setzte ihm schließlich den Floh ins Ohr, er könne es doch mit Stand-up-Comedy probieren. "Dann habe ich Youtube-Videos geschaut. Englischsprachiges, Louis C. K., Andy Kaufman, Monty Python." Sein erster Auftritt war dann auch auf Englisch in einem australischen Pub in Wien. "Ich hab’ mich eh fast nicht getraut."
Dank guter Kritiken für das erste abendfüllende Programm ging es im Jahr vor der Pandemie rasant nach oben. Fast zu rasant, denn die Zwangspause durch die Lockdowns habe ihm "auch gutgetan, die vielen Auftritte waren einmal zu Ende. Und man hatte endlich keine Angst mehr, irgendetwas zu verpassen."
Verglichen wurde Christoph Fritz von Anfang an mit dem jungen Josef Hader. Den hat er nun sogar in sein Programm hineinimaginiert, als Stehnachbar bei einer beklemmenden Pissoirszene. Natürlich möge er den Hader-Humor, aber ein Vorbild? "Nicht wirklich, wichtiger ist für mich der Austausch mit Kabarettkollegen meines Alters."
Frauen sind in der Digitalisierung stark unterrepräsentiert. Um den ''Digital Gender Gap'' rasch zu schließen, fördert die Arbeiterkammer Wien im Rahmen des Digitalisierungsfonds zahlreiche Projekte speziell für Mädchen und Frauen.
Inhaltlich gehe es ihm durchaus darum, ein anderes Männerbild jenseits von Muskeln und Performancedruck vorzuleben. Dazu gehört im Programm Zärtlichkeit das Spiel mit sexuellen Orientierungen: hetero-, homo-, bi- oder asexuell? Alles fluide, und zu allem fällt Fritz etwas Lustiges ein. "Für mich fühlt sich Sex an, als wär’ ich gerade mit der Polizeischule fertig geworden und muss jetzt im Kaufhaus eine Bombe entschärfen", ist so ein Satz.
Hinzu kommt die Lust an Widersprüchen, wenn er sich einerseits als jemand darstellt, der an seiner Überempathie scheitert ("Wenn ich im Kino vor einem großen Menschen sitze, frage ich ihn, ob das für ihn eh okay ist"), und an anderer Stelle gänzlich erkaltet agiert ("Das beste an Beziehungen ist, dass man auf keine Dates mehr gehen muss").
Wohin es karrieretechnisch noch gehen kann? "Ich würde gerne etwas schreiben, das nicht für die Bühne bestimmt ist, einen Roman vielleicht, auch eine Filmidee trage ich mit mir herum." 2022 hatte er selbst eine kleine Schauspielrolle im Film Der Onkel – The Hawk von und mit Michael Ostrowski. "Auch in die Richtung kann es weitergehen, es ist gut, wenn man verschiedene Standbeine hat, die sich befruchten."
Womit wir zurück beim Thema wären. Auf dem Höhepunkt seines Programms erzählt Fritz, wie er einmal zwei Igel bei der Paarung gestört hatte und aus Mitleid bei der Vollendung des Akts assistierte. Anders als ein erlebter Raubüberfall, von dem er auch erzählt, stimme diese Episode nur zum Teil. "Aber ich mag das Verwirrspiel mit dem Publikum", sagt Fritz, "ein paar Schritte vor, dann zurückrudern, dann wieder nach vor." Und das klingt dann ja tatsächlich nach gelungenem Sex.
(Stefan Weiss, STANDARD 20.9.2022)