MÖGEN HÄTT ICH SCHON WOLLEN
aber dürfen hab ich mich nicht getraut
Die Tiroler Vernetzungsplattform SO SIND WIR NICHT ist seit 5 Jahren österreichweit tätig – zu dem Anlass berichten die NGOs über ihre wertvolle Arbeit: Doro Blancke, SOS Balkanroute, Karawane der Menschlichkeit
Die Tiroler Vernetzungsplattform SO SIND WIR NICHT mit dem Schwerpunkt „menschenrechtskonforme Asylpolitik an den EU-Außengrenzen“ ist seit nunmehr 5 Jahren österreichweit tätig. Aus diesem Anlass berichten die Leiter_innen von drei – ebenfalls 5 Jahre alten – österreichischen NGOs über ihre wertvolle Arbeit und die unzähligen, engagierten Einsätze direkt an den Außengrenzen der EU:
Doro Blancke / Flüchtlingshilfe Doro Blancke (Lesbos)
Petar "Pero" Rosandić / SOS Balkanroute
Pacal Violo / Karawande der Menschlichkeit
Der Abend im Treibhaus soll die 5 Jahre des gemeinsamen Weges würdigen. Getragen wird das Programm von den Präsentationen der Leiter_innen der drei Organisationen – Doro Blancke, Pero Rosandić und Pascal Violo. Die freiwilligen Spenden, die an diesem Abend hereinkommen, werden auf die drei NGOs aufgeteilt. In den Pausen zwischen den drei Präsentationen und zum Ausklang nach dem formellen Teil wird Radio Diwanistan auftreten, eine Innsbrucker Band, die sich (teilweise) aus Musiker_innen zusammensetzt, die selbst geflüchtet sind.
Musikalische Gestaltung: Radio Diwanistan
Moderation: Markus Koschuh
Im März 2020 haben hunderte Einzelpersonen und Organisationen, die – über politische und ideologische Grenzen hinweg – für Werte wie Menschlichkeit und Solidarität einstehen, »SO SIND WIR NICHT« gebildet.Seither engagiert sich die Vernetzungsplattform mit Sitz in Innsbruck schwerpunktmäßig für folgende Anliegen: Menschenrechtskonforme Asylpolitik an den EU-Außengrenzen und Legale Einwanderungsmöglichkeiten nach Österreich.
Seit Jahren spitzt sich die Situation von Menschen, die über die sogenannte Balkanroute fliehen, immer weiter zu. Geschlossene Grenzen, illegale und gewalttätige Pushbacks, sowie völlig unzureichende Bedingungen in den bosnischen Camps entrechten die Schutzsuchenden und versetzen sie oft in lebensbedrohliche Situationen. SOS Balkanroute engagiert sich für die Menschen, die beinahe komplett aus den Nachrichten verschwunden sind und organisiert seit 2019 entlang der Balkanroute Sammelaktionen und Spendentransporte. Außerdem leisten sie medizinische Versorgung und haben ein Helfer*innen-Netzwerk entlang der Balkanroute aufgebaut.
Eigentlich plante der Reisefotograf Pascal Violo eine aufregende Reise nach Kanada, um Eisbären aus nächster Nähe zu fotografieren. Doch dann erreichten uns alle im Herbst 2020 die Bilder des brennenden Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Erschüttert von diesen Aufnahmen setzte Violo Maßnahmen zur Hilfe: Er entschloss sich, sein Auto mit Sachspenden zu füllen, sein gesamtes Reisebudget zu spenden und vor Ort auf Lesbos zu helfen. Dieses außergewöhnliche Engagement hat auch viele Freunde und Bekannte von Pascal Violo angesteckt. Kurzerhand entschlossen sich einige, ihn auf seinem Weg nach Griechenland zu unterstützen. Und so wurde aus der Zivilcourage eines Einzelnen der gemeinnützige Verein „KARAWANE DER MENSCHLICHKEIT“ geboren.
Das erste Projekt der KARAWANE war die Unterstützung der Menschen in Not im Lager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos. Wir alle waren überwältigt, dass das Hilfsprojekt von der Bevölkerung so unterstützt wurde und nach der Rückkehr aus Griechenland war klar: Die Hilfsleistung der KARAWANE sollen und müssen weitergehen. So entstanden weitere Hilfsmaßnahmen für ein Vorzeigeprojekt in Italien, das „Casa Sankara“, sowie für geflüchtete Menschen in Bosnien in der Nähe der Stadt Bihac.
Alle drei unterstützten Projekte haben eines gemeinsam: Sie wären eigentlich nicht nötig. Sie sind nur da, weil es keinen legalen Weg gibt von außerhalb Europas um Asyl anzusuchen. Weil die Menschen, die es bis an die EU-Grenze geschafft haben, für andere als Abschreckung dienen sollen. Weil sie Spielzeug der Politik sind.
Diese Ungerechtigkeiten, dieses politische Versagen und diese fehlende Menschlichkeit sind, was unseren Verein antreibt. Jeden Tag aufs Neue.
Durch persönlichen Einsatz vor Ort, unter bloßer Mithilfe einiger weniger Freiwilliger leistet Doro Blancke auf Lesbos hochachtungsvolle Arbeit, um die Flüchtlinge in den Flüchtlingscamps bestmöglich zu versorgen und betreuen. Hierbei handelt es sich um grundlegende Bedürfnisse wie Nahrung, sauberem Wasser, Kleidung, grundlegender medizinischer Versorgung, Sprachunterricht und Unterstützung bei Behördengängen. Sachspenden werden direkt mit dem LKW nach Lesbos transportiert und dort von ihr und ihrem Team an die Bedürftigen verteilt. In regelmäßigen Abständen macht Doro Blancke auf die menschenunwürdige Situation und die nicht menschenrechtskonforme Betreuung der im Krieg Verfolgten und Schutzbedürftigen aufmerksam.
Radio Diwanistan vereint musikalische Einflüsse aus Osteuropa, dem Nahen Osten und vom Balkan zu einem frischen neuen Sound zwischen orientalischer Partystimmung und osteuropäischem Blues.
Die Band:
Julia Rhomberg (Vocals, Flute)
Hassan Ibrahim-Berzencî (Oud, Tanbur, Vocals)
Vincent Meller (Guitarre, Ebass)
Gösta Müller (eBass, Bass)
Elie Shacra (Percussion)

Immer is irgendwas. Entweder die Fiaß schlafen mir ein. Oder sie jucken. Dann krieg i wieder ka Luft, wenn i schneller geh. Oder i hab an Schweißausbruch. Dann friert mich wieder... des muß dieser Klimawandel sein..

„Immer is irgendwas. Entweder die Fiaß schlafen mir ein. Oder sie jucken. Dann krieg i wieder ka Luft, wenn i schneller geh. Oder i hab an Schweißausbruch. Dann friert mich wieder. Das Essen schmeckt mir nimmer, der Sex ist fad, die Hosen sind z’eng. Was is das bitte? – Des muss alles dieser Klimawandel sein, oder? Temperaturen hat’s im Sommer wie in den Tropen! Dadurch gibt’s auf einmal diese riesigen Insekten! Die hat’s doch früher net geb’n! Wenn die dich stechen, kriegst einen Dippel, der geht monatelang net weg! Wahrscheinlich san die alle gentechnisch verändert. Und die Pflanzen! Die werd’n jetzt auch schon deppert. Die spinnen, die Pflanzen! Die wachsen jetzt alles zua! Seit i nimmer aus’n Haus geh. Meine Theorie is, die Pflanzen woll’n die Herrschaft über den Planeten zurück. Die sind alle miteinander unterirdisch verbunden über ihre Wurzeln. Weltweit! Die Pflanzen hab’n einen geheimen Plan. Sie wollen die totale Zerstörung der abendländischen Kultur und des österreichischen Volks-Rock’n’ Roll. Das soll alles ersetzt werden durch äh Photosynthese.“
Das Schreckliche kommt unschuldig – und mit einem peinlich berührten Grinsen – daher, und Hader zeigt uns, dass Gut und Böse gar nicht so trennscharf voneinander entfernt liegen, wie wir das für uns gern hätten. Und wenn das alles in der Zusammenschau ziemlich arg und gar nicht lustig klingt, dann ist es erstens tatsächlich arg und zweitens unglaublich lustig.
(Sebastian Hofer, PROFIL)
Ein Marathon für Körper und Hirn, ein Parforceritt, ein psychologischer Horrortrip, komisch, aber nicht heiter, anspruchsvoll, dicht, großes Theater wie all seine Programme. … Was der große Josef Hader da aufführt, ist Show und Abgrundschau zugleich.
(Cathrin Kahlweit, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG)
Je abstoßender das Publikum die kaputte Figur Hader finden muss, desto mehr bewundert es den Autor Hader für seinen einzigartigen melancholischen Zynismus und den Performer Hader für die Konsequenz, mit der seine Figur im Laufe des zweiteiligen Abends immer mehr verfällt. … Vielleicht weil es viel um den Tod geht, wirkt dieses perfekt gebaute, mit schludriger Musikalität dargebrachte Stück wie ein von Reife durchdrungenes Alterswerk.
(Martin Pesl, DEUTSCHLANDFUNK KULTUR)
Am Ende ist Josef Hader sehr erschöpft. Und sein Publikum auch. Er hat sich noch selbst am Klavier begleitet, während er krächzend, winselnd, virtuos den Jazz-Standard "Over the Rainbow" sang - den musikalischen Traum über ein Land, in dem die Himmel blau sind und Träume wahr werden. Dann reicht es. Aus, schneller Abgang. Schon die Standing Ovations sind zu viel.
Zwei Stunden "Hader on Ice", das erste komplett neue Kabarettprogramm seit "Hader muss weg", nach 17 Jahren Pause, in den Augen von Fans und Kritikern längst überfällig, die Premiere wegen der Pandemie um Monate verschoben: ein Marathon für Körper und Hirn, ein Parforceritt, ein psychologischer Horrortrip, komisch, aber nicht heiter, anspruchsvoll, dicht, großes Theater wie all seine Programme - da ist ungeheuer viel Druck drauf.
Hader trägt schwarzen Anzug zu schwarzem Hemd, erst im Laufe des Abends knöpft er es auf, zeigt Kettchen, nackte Haut, wirre Seelenlandschaft. Es ist schwül im Stadtsaal auf der Wiener Mariahilfer Straße, die Zuschauer sitzen dicht an dicht, wofür sich Hader in einer Text-Message an Sebastian Kurz persönlich bedankt: Just am Premierentag habe die Bundesregierung für Veranstaltungen "die Publikumskapazität auf 75 Prozent erhöht, danke Basti. IMMER alles, was wir wollen", plus jede Menge Emojis. Es ist - fast - die einzige aktuelle Anspielung auf die Krise mit ihren privaten Chatnachrichten und Emoticons, die gerade die österreichische Politik durchrüttelt.
Ansonsten macht der österreichische Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor das, was er immer gemacht hat, und er macht es, wie immer, irre gut. Man muss nur einige der selbstironischen Analysen früherer Programme auf seiner Webseite lesen: "Biagn oder Brechn", 1988: "Endlich geht es um das Leben an sich, wo Josef Hader sichtlich mehr zu Hause war als bei irgendwelchem aktuellen Tageskram." "Bunter Abend", 1990: "Josef Hader macht Witze auf tiefstem Niveau, bevor er sich hemmungslos betrinkt und in seine schizophrenen Bestandteile zu zerfallen beginnt. Ganz zum Schluss ein sehr sentimentales Lied auf dem Klavier, mit gebrochener Stimme gesungen." "Privat", 1994: "In der zweiten Hälfte reist er zur Abwechslung in sich selber und singt dazwischen Lieder."
Nun also "Hader on Ice", 2021: "Das Essen schmeckt mir nimmer, der Sex ist fad, die Hosen sind z'eng. Was is das bitte? - Des muss alles dieser Klimawandel sein, oder?", heißt es in der Ankündigung. Es geht um Vergänglichkeit, Verschwörungstheorien, den Klimawandel, um Einsamkeit, Großmannsucht, Machismo. Hader macht Witze auf tiefstem Niveau, betrinkt sich hemmungslos, es geht um das Leben an sich, er singt ein sentimentales Lied mit gebrochener Stimme.
Aber weil der 59-Jährige einer der besten Kabarettisten im deutschsprachigen Raum ist (und auch einer der populärsten), ist jedes Programm, jede Vorstellung, jede Idee neu und anders. Denn er schafft es, dass sich die Perspektive im Saal so verändert wie das Gelächter: von bereitwillig-lustvoll über skeptisch-erschrocken bis angstvoll-schockiert. Meint der mit allem, was er da sagt, und was ich lustig finde, etwa mich?
Über "Hader spielt Hader", sein Best-of, mit dem er bis heute volle Säle hat, schrieb er: "Manche Zuschauer behaupten, sie hätten es nach Jahren noch einmal gesehen, und es sei ein völlig anderes Programm gewesen. Vielleicht ist es ja der Regenwurm unter den Kabarettprogrammen, der immer nachwächst, wenn man ihm die Hälfte wegschneidet?" Das neue Programm dürfte es schwerer haben, es ist große Kunst, aber nicht leicht verdaulich.
Sein bester Freund ist ein Wolf, Rudl genannt, ein Fleischfresser wie er. Nur trinken muss er alleine
"Hader on Ice" erzählt von einem Menschen, der schlingert, schliddert, den Halt verliert. Der alt ist und krank und sich dagegen mit Prahlerei, jungen Frauen und großen Autos verwahrt. Der sich als Aussteiger bezeichnet, weil er in der Pandemie aus Wien ins Weinviertel gezogen ist, "in die Toskana von Österreich, genauso überschätzt". Der Vorteil: "Hauptsache, keine Türken." Jetzt wohnt er auf dem Land, weil er "reich und katholisch" ist und es sich leisten kann. Nennt sich einen Umweltschützer, weil sein SUV Elektroantrieb hat, einen Vegetarier, weil er nur "Tiere isst, die nicht schreien, wenn man sie tötet". Einen Weltversteher, weil er die Verschwörungen von Politik und Natur durchschaut: Die Pflanzen etwa "sind alle miteinander unterirdisch verbunden über ihre Wurzeln. Weltweit! Sie wollen die totale Zerstörung der abendländischen Kultur und des österreichischen Volks-Rock 'n' Roll. Das soll alles ersetzt werden durch, äh, Fotosynthese."
Haders Reise in die Provinz schließt Begegnungen mit Adolf Hitlers Mundgeruch, klimaneutralem Rum aus der Karibik, verwahrlosten Nachbarn, fliegenden Tierleichen und einer jungen Frau ein, die leider kein Interesse hat an "Knorpelaufbau bei drittgradiger Arthrose". Und sie führt schließlich zu Rudi, auch Rudl genannt, einem Wolf. Oder vielleicht ist Rudl auch nur ein Hirngespinst, sein Freund Harvey aus dem Wald. Mit dem tierischen Beschützer, dem Hader oder wer immer der Typ aus dem Weinviertel ist, im Supermarkt fünf Kilo Rinderfilet kauft und es in mundgerechtes Carpaccio zerlegt, endet der Horrortrip in den Kopf eines alkoholkranken, zunehmend psychotischen, überheblichen Angebers. Wenn Rudl da ist, braucht er keine Waffe mehr, um sich vor dem Bevölkerungsaustausch oder auch nur den Usern des Onlineforums im Standard zu schützen. Wenn Rudl da ist, ist er nicht mehr allein.
Was der große Josef Hader da aufführt, ist Show und Abgrundschau zugleich. Eine Bühne wie Las Vegas für Arme, Glitzervorhang plus Schmusestimme von Dean Martin vom Band. Der Künstler spielt damit, mimt den Entertainer mit Whiskeyglas und Zigarette. Aber so wie in dem Amerikaner mit der überirdischen Stimme tief drinnen der meist besoffene Dino Crocetti aus Steubenville, Ohio steckte, so stecken in dem verlorenen Arschloch aus Mistelbach, das Hader am Donnerstagabend in Wien mit großer Geste, großer Fantasie und großem Wortwitz gab, letztlich Josef Hader aus Waldhausen, Oberösterreich und sein Publikum. Und ob er das wollte oder nicht: Die Standing Ovations bekam er trotzdem.

aguar und Neinguar
[Auszug]
Jaguar und Neinguar,
die trafen sich im Februar
(am Freitag, um halb sieben)
in einem alten Labyrinth.
Und wenn sie nicht gegangen sind,
dann sind sie dort geblieben!