Für die Eltern was Perverses
PREMIERENKRITIK
kurier
Es macht keinen Sinn, über das Niveau der Witze von Stermann & Grissemann zu mosern. Sie sind bekanntlich oft jenseits aller Schmerzgrenzen angesiedelt.
So tun die Knallchargen des TV auch in "Für die Eltern was Perverses" – "Naked Lunch"-Frontman Oliver Welter ist dabei ihr musikkabarettistischer Aufputz – das, was sie immer tun:
Maulen, lästern, sonor granteln im Grundton des Weltekels und der Wurschtigkeit. Das ist ihre Marke. Dafür wird das Schmähtandler-Duo geliebt oder gehasst.
Keine Zuckergoscherl-Spaßetteln
Die putzigen Zuckergoscherl-Spaßetteln im Streichelzoo-Kabarett sind ihre Sache nie gewesen. Eher die Blitze der Hinterfotzigkeit im blasierten Nonsens-Geplänkel. Und des Zynismus bei Ansagen von der Art: "Auch Frauen ohne Kind können keine Karriere machen."
Christoph Grissemann gibt den plappernden Pantomimen der traurigen Gestalt, karikiert als "Monsieur Ohlala" aus Meidling auf der Suche nach der "klassischen Übergangsfrau" die Kupplershow "Liebesg’schichten und Heiratssachen": Er "sauft gern im depardieuschen Ausmaß" – 16 Liter Rotwein, sechs Flaschen Whisky. Klar, auch die Wunschfrau soll "eine starke Trinkerin" sein ...
Dirk Stermann, zuerst mit blonder Perücke adjustiert, dann in der Krachledernen, hat seine "Mutter im Altpapier versteckt, weil sie zu wenig liest", präsentiert sein Wursttagebuch mit eingeklebten Wurstradeln, moniert, dass an den Fischen im Aquarium noch die Preisschilder sind, und widmet sich der Frage: Wer geht in den Tann kacken?
Der passende Soundtrack zur morbid-absurden Szenerie ist Oliver Welters Interpretation u. a. von Helene Fischers "Atemlos durch die Nacht".
Stermann & Grissemann sind wie sie sind. Für die einen ist damit der Tatbestand der gefährlichen Drohung erfüllt. Die anderen – wie die Premierengäste – jubelten.
INTERVIEW im STANDARD vor der Premiere
Das macht dann ein bisschen mehr Spaß als sonst
Christoph Grissemann, Dirk Stermann und Musiker Oliver Welter proben ihr Stück "Für die Eltern was Perverses".
Ein Gespräch über Sexpuppen, Resignation und Andreas Gabalier
STANDARD: Herr Grissemann, Sie haben neulich in Ihrer TV-Show "Willkommen Österreich" gemeint, jedes Mal, wenn Sie Ihren Partner Dirk Stermann sehen, schwinde sofort die Motivation, gemeinsam etwas zu machen. Wie wollen Sie nun das Theaterstück "Für die Eltern was Perverses" stemmen? Grissemann und Stermann ekeln sich gegenseitig an, und Oliver Welter singt dazu?
Christoph Grissemann: Das ist endlich der passende Pressetext! Das, was Welter zum Stück beiträgt, hat natürlich eine menschliche Komponente, die Garderobenstimmung vermitteln soll. Nach 30 Jahren mit Stermann schleicht sich backstage eine unendliche Tristesse ein. Man weiß ja nicht mehr, was man mit dem anderen reden soll. Wenn Welter dabei ist, geht das. Es bricht unsere starre Situation auf. Das macht dann ein bisschen mehr Spaß als sonst. Unser größtes Talent ist ja nicht die Schauspielerei, sondern, dass wir alle drei gute Stimmen haben. Am Besten wäre es, wenn die Leute im Theater die Augen schließen und das als Hörspiel genießen.
STANDARD: Wenn die Beziehung einzuschlafen droht, nimmt man beim Sex gern diverse Hilfsmittel.
Dirk Stermann: Ja, Oliver Welter ist eine Sexpuppe - aber eine sehr alte! Wir haben mal eine Doku über die Wildecker Herzbuben gesehen, die ja auch schon 10.000 gemeinsame Auftritte hatten. Die haben dann irgendwann angefangen, nicht mehr gemeinsam zu Konzerten zu reisen, sondern in zwei Autos hintereinander. So ähnlich ist es bei uns auch. Es ist, wie wenn sich die Wildecker Herzbuben einen richtigen Musiker dazunehmen würden.
STANDARD: Wie weit ist Ihr Stück fortgeschritten? Immerhin wurde die Presseaussendung bezüglich des Inhalts schon einmal geändert.
Grissemann: Der Text steht. Es geht jetzt darum, ihn mit Leben zu füllen. Wie genau wir auf der Bühne agieren werden, wissen wir immer noch nicht. So wie wir arbeiten, ist das Ganze dieses Mal allerdings schon relativ früh weit gediehen. Das geht sich schon aus.
Stermann: Welter mischt sich ja leider auch ein. Seine Figur und sein Text wachsen ständig. Er sprengt das nicht nur in der Vorbereitung, er wird das auch auf der Bühne tun.
STANDARD: Herr Stermann, Sie haben neulich auf Facebook ein unendlich trauriges Garderobenfoto aus der Provinz gepostet, darf...
Grissemann: Stermann postet jetzt schon Garderobenfotos? Ich fasse es nicht.
Stermann: Komm, Du weißt doch auch, wie schlimm es an solchen Orten aussieht!
Grissemann: Ja, ja, ist ja gut.
STANDARD: Darf man sich das Bühnenbild im Stil einer Inszenierung Christoph Marthalers vorstellen, depressiv machende Räume in Mehrzweckhallen der Plattenbau-Ära?
Grissemann: Ja. Wir wussten übrigens nicht, dass Marthaler für ein Stück auch schon einmal einen lebenden Plattenspieler verwendet hat. Den gibt Welter bei uns jetzt auch. Das ist ein wenig peinlich.
Oliver Welter: Es ist doch nicht peinlich, sich bei Marthaler zu bedienen.
Stermann: Jedenfalls haben wir das jetzt geändert. Das Stück spielt nicht länger in einer Künstlergarderobe, sondern in einer tristen Reihenhaussiedlung. Grissemann und ich wohnen schon ewig nebeneinander und wir führen die ewig gleichen, ein wenig aus der Welt rausgekippten Gespräche.
Grissemann: Ich bekomme dann einen lebenden Plattenspieler geliefert, den "Herkules 3000". Und es passieren die tollsten Dinge.
Stermann: Na ja.
STANDARD: Wilhelm Genazino hat einmal geschrieben, dass ein Plattenspieler ein grausames Gerät sei. Er zwinge die Menschen dazu, immer wieder dasselbe zu hören.
Grissemann: Ja, genau, das stimmt.
STANDARD: Sie kündigen für Ihr Stück auch einen "metaphysischen Schauder" an. Hat das damit zu tun, dass man als Kabarettist von der jungen Bissigkeit langsam in die reflektierte Altersresignation wechselt?
Stermann: Bei uns ist das insofern umgedreht, weil der Plattenspieler selbst wahnsinnig genervt davon ist, was er da spielen muss. Wir fordern von ihm Lieder, die er schon tausendmal gespielt hat und das nicht mehr machen kann und nicht mehr machen will. Resignation ist übrigens eine ganz normale Reaktion auf das Unterhaltungsgeschäft. Wenn du nicht völlig gaga bist, wird sich dein Humor irgendwann Richtung resignativ-fröhlich verändern.
Grissemann: Im Vorfeld habe ich nie Spaß an meiner Arbeit. Auf der Bühne habe ich Spaß daran, die Ergebnisse zu präsentieren. Mir macht es auf der Bühne auch mehr Freude als im Fernsehen. Auf der Bühne mache ich das, was mir gefällt. Bis aber die verdammten Sätze eines Stücks oder Programms stehen, die dann ja eine gewisse Endgültigkeit haben, das ist extrem enervierend.
STANDARD: Wird viel gestritten?
Grissemann: Es wird diskutiert. Bis sich drei Leute auf einen Satz einigen, vergeht wahnsinnig viel Zeit.
STANDARD: Sie gelten nicht gerade als probenfreudig. Wie schaut es mit dem Textlernen aus?
Grissemann: Das Auswendiglernen als Minimalanforderung ist derzeit die größte Herausforderung. Dieses Mal wird nicht groß herumimprovisiert werden. Ich bin mit starken Schweißausbrüchen konfrontiert.
Stermann: In der Kleinkunst ist es so, dass man die ersten 50 Auftritte herumprobiert. Nach dem hundertsten Mal kann man es. Nach 200 Abenden wird einem langweilig, nach 300 Mal fängt es an zu schmerzen - und nach 400 Mal wird es unerträglich. Grissemann könnte dann noch 400 Mal das gleiche spielen. Er genießt das.
Welter: Hundert Shows zum Aufwärmen wären im Rock 'n' Roll etwas schwierig.
Stermann: Im Tanztheater auch.
STANDARD: Wird es bei aller Textlastigkeit im Stück auch Momente der stillen Verzweiflung geben?
Grissemann: Das wissen wir nicht. Es kommt darauf an, mit welchem Tempo wir das spielen werden.
Stermann: Wir sind Dilettanten, und wir haben keinen Regisseur. Wie gesagt, das ist eine Herausforderung.
Grissemann: Die Frage ist, was mache ich auf der Bühne mit den Händen, während ich spreche, soll ich nachdenklich eine Kaffeetasse in die Hand nehmen?
STANDARD: Welche Musik, die er immer wieder spielen muss, wird Oliver Welter nerven?
Grissemann: Lieder von Helene Fischer und Andreas Gabalier.
Welter: Das ist unfassbare, unpackbare, schreckliche Musik!
Grissemann: Wobei Welters Version von Atemlos durch die Nacht etwas wirklich Bezauberndes hat.
Welter: Ich höre mir viel Dreck an, aber I sing a Liad für di von Andreas Gabalier geht gar nicht.
Stermann: Schreiben Sie, Oliver Welter versucht, Andreas Gabalier Seele einzuhauchen.
STANDARD: Sie wirken alle etwas geknickt.
zum vorgängerprogramm
STERMANN
Dirk Stermann ist der beliebteste Deutsche in Österreich. Mit seinem letzten Programm „Die deutsche Kochschau“ trat er bis jetzt exakt 1000 Mal vor insgesamt 825.000 glücklichen und begeisterten Zuschauern auf. Seine Fernsehsendung „Willkommen Österreich“ ist so erfolgreich, dass er als einziger Fernsehschaffender freiwillig auf die Auszeichnung „Romy“ verzichten kann. Er ist das Aushängeschild des ORF und der Bundesrepublik Deutschland und seiner Wahlheimat Wien. Im Herbst 2010 wurde er zum „Duisburger des Jahres“ gewählt.
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One-Man-Show mit Doppelbesetzung
Österreichs Chef-Zyniker Stermann und Grissemann verwandeln das Treibhaus in ein Lach-Laboratorium. Den Versuchskaninchen gefällt‘s.
Von Christiane Fasching
Innsbruck – Sonntagabend im Treibhaus. Der Turm ist knackevoll. Und er wär‘s wahrscheinlich auch dann, wenn er doppelt so viele Zuschauer fassen könnte. Schließlich haben sich Christoph Grissemann und Dirk Stermann angesagt – der Österreicher Lieblingsbösewichte feilen noch bis Mittwoch an ihrem neuen Programm, das am 21. Oktober im Wiener Rabenhof Premiere feiert. „Früher sagte man öffentliche Generalprobe dazu, jetzt heißt das Preview“, spöttelt Treibhaus-Chef Norbert Pleifer in seinem Intro – und weist die Zuschauer in ihre Versuchskaninchen-Rolle ein. Sprich: Sollte was schiefgehen, dürfe man nicht gleich grantig werden – denn fix und fertig ist „Stermann“ ja noch nicht. Deshalb solle man über diverse Fehlerchen auch „hinweglachen“.
Wie jetzt? Warum ist „Stermann“ noch nicht fertig? Der Kerl hat doch schon 45 Jahre auf dem Buckel. Na ja, „Stermann“ heißt eben nicht nur der ergraute Dirk, sondern auch der neueste Wurf des Satiriker-Duos. Und wo bitte ist dann Grissemann? Da, wo er hingehört: auf der Bühne. Dass ihn sein deutscher Kollege, den er für eine „fettabgesaugte George-Clooney-Karikatur“ hält, versehentlich nicht ins Programm reingeschrieben hat, lässt er nämlich nicht auf sich sitzen. Und schmuggelt sich sogleich wort- und witzreich ins Rampenlicht. Wäre ja noch schöner, wenn der „Deutsche“ ungefragt eine One-Man-Show aufs Parkett legen würde.
Die zynische Zwistigkeit gefällt dem Publikum – vor allem deshalb, weil es als Gradmesser für die frisch entwickelten Gags und Zoten zurate gezogen wird. Ins Programm genommen werden also nur jene Witze, auf die das Treibhaus-Publikum mit Prusten reagiert. Bleiben die Versuchskaninchen zurückhaltend stumm, greifen Stermann und Grissemann zum Rotstift – und schmeißen die Nummer wieder raus. Allzu oft passiert das allerdings nicht. Und obwohl man den Tag nicht vor dem Premierenabend loben soll, sei an dieser Stelle schon einmal verraten, dass „Stermann“ das Zeug zum Kracher hat.
Der „Metzgerssohn aus Duisburg“ und sein „Mehlspeisen und Pornos“ liebender Kompagnon mit Tiroler Wurzeln balancieren brillant bissig auf der Schmerzgrenze des Humors. Politisch korrekt sind sie dabei natürlich nicht. Aber warum sollten sie auch? Lieber fabulieren sie sich großspurig durch ihre bizarr erfundenen Biographien – und fetten ihre Seelenstrips mit sorgfältig ausgewählten Sahnestückchen ihrer Videosammlung auf. Grissemann als „Guten Morgen“-brüllender Bundespräsident Heinz Fischer ist ein Heuler, Stermann als Leberwurst-liebender Fernsehkoch Alex natürlich auch. Und wenn die beiden Satiriker Anzug gegen Soutane tauschen, um für die FFÖ (Fegefeuer Partei Österreichs) die Werbetrommel zu rühren, bleibt sowieso kein Auge trocken.
Dass sich das Treibhaus bestens als „Lach-Laboratorium“ eignet, haben aber nicht erst Stermann und Grissemann erkannt. Josef Hader ging 2004 noch einen Schritt weiter – und verweilte einen ganzen Monat in Innsbrucks Kultur-Kleinod. „Josef hat sein Programm ‚Hader muss weg‘ komplett im Treibhaus entwickelt. Und zwar vor Publikum“, erzählt Norbert Pleifer und gerät ins Schwärmen, wenn er sich daran erinnert, wie aus einer Lesung ein Kabarett wurde.
Und auch Andreas Vitásek und Alfred Dorfer kommen gern nach Innsbruck, um im Treibhaus-Turm ihre neuesten Würfe zu testen. „Das hat mit Treue und Freundschaft zu tun“, meint Pleifer. „Und damit, dass das Tiroler Publikum ein gutes ist. Wenn bei den Previews etwas auf Skepsis stößt, dann heißt das, dass daran noch gearbeitet werden muss.“ Ob die Treibhaus-Treue nicht auch ein bisschen mit dem Treibhaus-Oberhaupt zu tun hat? Pleifer lacht: „Die sind nicht in mich verliebt, sondern in den Turm.“
https://www.youtube.com/watch?v=Dmk2m1-QK-c
Die Macht des Nichtlachens
von Christiane Fasching
Grissemann darf bei „Stermann“ mitspielen: ein Gespräch über die Lust auf Irritation, den altersmilden Verzicht auf Empörung, das Gefängnis der Öffentlichkeit und den Humor von Heinz Fischer.
Sie haben im Treibhaus am neuen Programm „Stermann“ gefeilt, das am 21. Oktober im Wiener Rabenhof Premiere feiert. Wer hatte die Idee für den Namen?
Christoph Grissemann: Wir hatten ja nie wie andere Kabarettisten so halblustige Wortspiele wie „Kaba-rette sich wer kann“ als Programmnamen. Deshalb wollten wir auch jetzt einen relativ neutralen Namen, der nicht zum Lachen animiert – außerdem ist ein Duo noch nie mit dem Namen von nur einem der beiden Künstler aufgetreten. Oder hat‘s von Farkas & Waldbrunn jemals das Programm „Waldbrunn“ gegeben? Diese irritierende Idee hat uns gefallen. Noch dazu, wo ja mein Gesicht auf dem Plakat ist und Stermanns Name draufsteht. Das ist wirklich verwirrend.
Wie kam‘s zur Entscheidung, dass Grissemann im Bild ist? Sind Sie der Schönere?
Grissemann: Ja, ja. Und noch mal ja.
Dirk Stermann: Christoph glaubt, dass das der Grund ist, aber ich bin überzeugt, dass Stermann in geschriebener Form internationaler klingt. Grissemann klingt sehr regional – das funktioniert maximal in Telfs und Umgebung. Aber das Merkwürdige ist nun, dass wir uns nicht sicher sind, ob die Leute kapiert haben, dass das kein Soloprogramm ist, sondern wir gemeinsam auftreten. Vielleicht war unsere Idee doch zu irritierend.
Grissemann: Ich glaube ja, dass wir gewaltige Zuschauereinbußen haben werden. Und überlege deshalb eine Programmtiteländerung.
Stermann: Ich nehme mal an in „Grissemann“.
Sie arbeiten seit 20 Jahren zusammen. Gab‘s bei Ihnen auch verflixte Jahre?
Stermann: Bei uns herrscht seit dem siebten Jahr eigentlich permanent Streit. Wir haben also 13 verflixte Jahre hinter uns. Wobei ich sagen muss, dass dieses Programm das erste große Projekt von uns war, bei dem wir uns nicht total zerfleischt haben. Wahrscheinlich sind wir altersmilde geworden. Oder einfach zu kraftlos.
Grissemann: Früher hat die Erstellung eines Kabarettprogramms den Arbeitsalltag über Monate bestimmt. Aber seit wir eine wöchentliche Fernsehsendung haben, sind wir lockerer geworden. Außerdem wird ja eh gelacht – egal, was wir machen. Wobei das auch sehr trügerisch ist, weil man seinen künstlerischen Anspruch verliert. Aber für das finanzielle und psychische Gleichgewicht ist das unglaublich entspannend.
Stermann: Inzwischen ist die Psyche das Wichtigste. Früher haben wir ja unglaublich viele deppate, provozierende Sachen gesagt, wo wir wussten, dass wir damit Abscheu und Empörung im Publikum provozieren. Das fanden wir gut. Aber so was kann man nicht ewig machen, weil man damit ja gegen die Zuschauer arbeitet. Irgendwann tut‘s auch gut, einen Witz zu erzählen, den du selber nicht so lustig findest, aber der dir auch nicht den Hass des Publikums beschert.
Noch Anfang des Jahres hat sich Grissemann in einem Interview gegen ein neues Programm gesträubt. Mit der Begründung, dass das zu belastend sei. Wie kam‘s zum Sinneswandel?
Stermann: Christoph wollte „Die deutsche Kochshow“ tatsächlich immer weiterspielen. Aber ich hab‘ das nicht mehr ausgehalten – obwohl man ja an was anderes denkt, während man zum zigten Mal die gleichen Gags spielt. Aber ich wusste ja schon langsam nicht mehr, woran ich denken soll.
Schmälern öffentliche Proben den Druck?
Grissemann: Auf alle Fälle. Weil das Publikum auch weiß, dass es sich um eine Probe handelt. Deshalb hätte mir auch die Idee gefallen, erst nach der 400. Vorstellung die Premiere zu machen – und alles davor als Probe zu deklarieren.
Werden die Zuschauer bei diesen Previews tatsächlich als Indikatoren für die Witzqualität ernst genommen?
Grissemann: Ein Zuschauerkollektiv kann bei zehnmaliger Ablehnung eines Witzes schon als Mitautor fungieren. Die Macht des Nichtlachens ist wahnsinnig groß. Wobei es natürlich auch Lachpausen geben muss, weil sonst wäre das ja „Gaudi Max“.
Stermann: Komik kann nur mit Publikum geprobt werden. Das Publikum ist der Regisseur des Abends – wir bieten nur verschiedene Inhalte an.
Herr Stermann, den Bestseller „6 Österreicher unter den ersten 5“ haben Sie allein geschrieben. Hat es Sie nie gereizt, eine One-Man-Show aufs Parkett zu legen?
Stermann: Das würde ich nie im Leben machen. Ich bin vor meinen Lesungen eine Stunde allein mit meinem Buch in der Garderobe gesessen. Das war furchtbar. Es ist mit Grissemann schon schrecklich – aber da sind wir zumindest zu zweit. Ich glaube auch, dass man allein verrückt wird – Josef Hader und Alfred Dorfer müssen einen Huscher haben.
Grissemann: Aber die haben ja auch wieder ein gutes Verhältnis zu ihren Technikern – und sind so gesehen nicht ganz allein. Noch ärmer dran sind ja die erfolglosen Kabarettisten, die sich nicht einmal einen Techniker leisten können und dann nicht einmal vom Veranstalter erkannt werden.
Kabarettistisch gibt es Sie also nur im Doppelpack?
Stermann: Ja, wir können ausschließlich zu zweit arbeiten. Wir wurden zum Beispiel gefragt, ob wir zu Silvester zusammen mit Michael Niavarani auftreten – der ist ganz super und nett, aber für mich wäre das der absolute Horror.
Grissemann: Vor allem schmiert der ja auch den ganzen Applaus ab.
Kann man, wenn man beruflich ständig aufeinanderklebt, privat überhaupt befreundet sein?
Grissemann: Es wäre völlig undenkbar, das zu trennen. Man ist ja 200 Tage im Jahr zusammen unterwegs – und das kann man nur, wenn man auch privat miteinander auskommt. Die Sympathie für den anderen ist eine Grundbedingung – sonst könnte ich ja auch mit einer Sprechpuppe auftreten.
Stermann: Einem anderen zu sagen, dass man ihn lustig findet oder eben nicht, ist das Privateste, das es gibt. Und dafür braucht es Grundvertrauen und Respekt – ich muss ja richtig finden, was Grissemann sagt. Und ich muss es aushalten können, dass er etwas, das ich mache, scheiße findet. Noch dazu ist es ziemlich belastend, im Rampenlicht zu stehen. Gemeinsam hält man das besser aus.
Grissemann: Selbst wenn uns die Leute auf der Straße im Regelfall freundlich ins Gesicht lachen, macht es einen wahnsinnig, wenn man dauernd erkannt wird. Das hat was von Gefängnis.
Stermann: Noch dazu weiß man ja nie, warum die gerade lachen. Vielleicht ja, weil man Schuppen hat.
Zurück zum Programm, in das auch Videos eingebaut sind, die „Willkommen Österreich“-Seher bereits kennen. Apropos: Kennt der Bundespräsident die Grissemann‘sche Heinz-Fischer-Parodie?
Stermann: Er hat einmal verlautbaren lassen, dass er es eh ganz lustig findet, aber nicht will, dass seine Frau blöd vorgeführt wird. Deshalb bin ich jetzt immer rasiert, wenn ich die Margit spiele.
Grissemann: Ich finde, dass man Heinz Fischer Komplimente für seinen Humor machen muss. Und dafür, dass er diese Parodie zulässt – weil er müsste ja nur an der richtigen Stelle anrufen und erklären, dass ihm das nicht so angenehm ist und dann wäre das raus aus dem Programm. Und dass er nichts tut, beweist unendliche Größe. Würde ich das in Nordkorea machen, wäre ich schon einen Kopf kürzer. Dass der erste Mann im Staat …
Stermann: … dich nicht köpft, ist toll.
Grissemann: Dass er Selbstironie beweist, ist großartig.
Kollegen und das Feuilleton verneigen sich vor ihm:
„Irre gut!“ (maschek.)
„Dass ich ihn fürs Fernsehen wiederentdeckt habe, ist wahrscheinlich meine allergrößte Lebensleistung!“ (Alfred Dorfer)
„Ich hab ihn mir ganz genau angeschaut. War mir aber ne Nummer zu hoch!“ (Roger Willemsen)
„Als er von der Bühne ging, brachen Welten zusammen. Wozu Scheinwerfer, wenn es nicht er ist, der angestrahlt wird?“ (Bielefelder Bote, Regionalteil)
Jude Law hält ihn für den „sexiest man alive“.
Wie macht Dirk Stermann das?
Erste Antworten gab es in kleinen Club-Gigs vor einem ausgewählten, nicht menschlichen Publikum. In „Tieren Witze erzählen“ brachte Dirk Stermann im Frühjahr 2011 Paviane, Gnus, Bisons und Wasserschildkröten im Tierpark Schönbrunn zum Lachen und Weinen, im Frühsommer 2011 machte er im „Haus des Meeres“ mit „Fisch-Deutsch/Deutsch-Fisch“ Haie, Quallen und Schalentiere sprachlos. Da leider kein Mensch anwesend war, weiß man nicht einmal durch Hörensagen, was genau an diesen Abenden passiert ist. Aber jetzt ist der Ausnahmekünstler Dirk Stermann bereit, mit einem neuen Programm für Menschen alle wichtigen Fragen rund um seine Existenz zu beantworten. Seine eigene Mutter hat mitgeschrieben. Das Programm hat einen Titel, der Herzen höher schlagen lässt: STERMANN.
Wie schon in den letzten Programmen in einer kleinen Nebenrolle: Christoph Maria Grissemann.
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Stermann & Grissemann
B I O G R A F I E
Christoph Grissemann
(geboren 1966 in Innsbruck)
Dirk Stermann
(geboren 1965 in Duisburg)
Vom Mikro aus zum Kultstatus
Der 1995 gegründete Radiosender FM4 (ORF) ist die Heimat von Christoph Grissemann und Dirk Stermann. Woche für Woche setzen sich die zwei vor die Mikrofone und tragen in „Salon Helga“ absurde Hörspiele vor oder geben sich der gepflegten Friseur-Konversation hin.
Durch Fernsehshows wie „Frau Pepi und die Buben“, „Blech oder Blume“ oder „Suite 16“ sind die Gesichter hinter den markanten Radiostimmen seit 1997 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Hinzu kommen Bühnen-Auftritte im gesamten deutschsprachigen Raum, die Moderation der Berliner Radiosendung „Show Royale“, Buchveröffentlichungen und CDs. Seit Oktober 2005 haben Stermann und Grissemann regelmäßige Gastauftritte in der Satiresendung „Dorfers Donnerstalk“ im ORF. Seit Mai 2007 führen die beiden durch die wöchentliche Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ auf ORF 1.
Das Fernsehen lieferte in der Vergangenheit auch unfreiwillig die Bilder zu den ungehemmt bösartigen Dialogen Ster- und Grissemanns. Ihre Moderationen des Song Contests, die parallel zur Fernseh-Show übers Radio zu empfangen waren, machte die skurrile Musikveranstaltung zum Unterhaltsamsten, was ein Fernsehjahr zu bieten hatte. 2002 wollte das Duo mit seinem Lied „Das schönste Ding der Welt“ selbst am „Concours Eurovision de la Chanson“ teilnehmen, belegte in der Vorausscheidung aber nur den zweiten Platz.
1999 feierten Christoph Grissemann und Dirk Stermann „Das Ende zweier Entertainer“ mit ihrem ersten Kabarettprogramm, um schließlich mit „Die Karawane des Grauens“ (2000) wiederaufzuerstehen. „Willkommen in der Ohrfeigenanstalt“ (2002), „Harte Hasen“ (2005), „Die Deutsche Kochschau“ (2007) gingen dem aktuellen Programm „Stermann“ voraus.
Der Radiosender FM4 wird auch in Bayern viel und gern gehört, und so hatten Stermann und Grissemann schon bisher eine große Fangemeinde im Süden Deutschlands. Von Berlin aus wiederum geben die beiden seit 1997 in der „Show Royale“ die „Antwort auf Rotation, Ramptalk und Räuspertaste“. Kein Wunder also, dass ihre Live-Programme in diesen Regionen längst mit großem Erfolg gespielt wurden.
Ein Deutscher im Bärenkostüm als Attraktion eines Tiroler Alpenzoos. Ein gewaltbereiter Tiroler Bergwirt im Dialog mit seinem deutschen Praktikanten. Zwei Altnazis im Tanzkurs. Stermann und Grissemann liebt oder hasst man - für ihren wahnwitzigen Humor jenseits aller Geschmacksgrenzen. Nicht umsonst schrieb die Süddeutsche:
„Genau, das ist der Humor von Stermann & Grissemann, dem deutsch-österreichischen Hardcore-Duo. Gegen die beiden wirkt Chef-Zyniker Harald Schmidt wie ein braver Nachrichtensprecher, die Titanic-Redaktion wie ein Haufen verschüchterter Zögerlinge und Nonsense-König Helge Schneider wie ein rückwärtsgewandter, angepasster Super-Spießer.“
(Thomas Becker, Die Süddeutsche Zeitung)
Kabarettprogramme
1999 Das Ende zweier Entertainer
2001 Die Karawane des Grauens (ausgezeichnet mit dem Salzburger Stier 2002)
2002 Willkommen in der Ohrfeigenanstalt
2005 Harte Hasen
2007 Die Deutsche Kochschau
2011 Stermann
Buch
1998 Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen kaputt gemacht geworden sind, Edition Selene
1999 Immer nie am Meer, Edition Selene
2002 Willkommen in der Ohrfeigenanstalt, Verlag Georg Hoanzl
2004 Be afraid honey, it's FM4, Edition Selene
2005 Be afraid honey, it's FM4 – Letzte Folge, Edition Selene
2007 Debilenmilch, Tropen Verlag
2010 Speichelfäden in der Buttermilch
Radio
Aktuelle Sendungen:
seit 1995 Salon Helga, ORF/FM4, Wien (Freitag, 20.00 h)
seit 1997 Show Royale, RBB/Radio 1, Berlin (Sonntag, 16.00 h)
Ehemalige Sendungen:
Radio Blume, ORF/FM4
Morgengrauen, ORF/FM4
Off Air, die FM4-Tagebücher von Stermann & Grissemann, ORF/FM4
Sonne, Strand und Darmstillstand – Postkarten an die Senderchefin, ORF/FM4
Unter Palmen, ORF/FM4
Fernsehen
Aktuelle Sendungen:
seit 2005 Dorfers Donnerstalk, ORF und 3Sat
seit 2005 Eristoff Tracks, GO TV
seit 2007 Willkommen Österreich, ORF und 3Sat
Ehemalige Sendungen:
Im Anschluss – Neues aus Waldheim, PREMIERE
Frau Pepi und die Buben, ORF
Schöne Show, ORF
Blech oder Blume, ORF
Suite 16, ORF
Kulturkiste, ORF
Film
1996 Mah Jongg (Regie: Antonin Svoboda) - Drehbuch und Hauptrollen
2004 Nacktschnecken (Regie: Michael Glawogger) - Grissemann spielt „Grissemann“
2004 Silentium (Regie: Wolfgang Murnberger) - Stermann mimt den Zuhälter
2007 Immer nie am Meer (Regie: Antonin Svoboda) - Drehbuch und Hauptrollen
Theater
2003 Seele brennt – A Tribute to Werner Schwab, Rabenhof Theater, Wien
2003 Marx Brothers Show, Maxim Gorki Theater, Berlin
Medienprodukte
1999 Das Ende zweier Entertainer, DCD, Hoanzl
2000 Du auch, CD, Hoanzl
2000 Best of Stermann und Grissemann, VHS, Hoanzl
2001 Die Karawane des Grauens, DCD, Hoanzl
2002 Die schönste CD der Welt, CD, Universal
2002 Willkommen in der Ohrfeigenanstalt, DCD, Hoanzl
2005 Harte Hasen, DVD, Hoanzl
2006 Leck mich im Arsch, CD, Universal Music
2008 „Wollt Ihr das totale Sieb?!“, DVD, Universal/Hoanzl
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Saft durch Freude. Oder wollt ihr das totale Sieb?
Nach dem „You Tube“- Wunder der deutschen Kochschau aus Dorfers Donnerstalk (http://www.youtube.com/watch?v=ASYOPwjZcfw mit 4000000 Klicks) durch das sie in die Top 6 (Platz 6) der deutschsprachigen Internet-Komiker vorstießen, einem Gastauftritt im neuen David Lynch Film und einer gemeinsamen Doktorarbeit zum Thema „Alfred Dorfer-unser Chefboss ist der beste Kabarettist der Welt. Humoruntersuchung anhand der ORF-Show „Dorfer Donnerstag“, melden sich die Ausnahmekünstler endlich auf der Bühne zurück. Genresprengend und neue Maßstäbe setzend. „It`s good.“ (D.Lynch) Seit einem Schnupperkurs in der Lee Strassberg Actors School in New York sind Dirk Stermann und Christoph Grissemann schauspielerisch gefestigt. Sie können sich jetzt in verschiedene „Rollen“ hineinversetzen. (König, Alter Mann, Thekenkraft) Wie alle guten Schauspieler (Brad Pitt, Uwe Ochsenknecht) beklagen sie aber das Fehlen guter Drehbücher (Citizen Kane, Schreck 2, Immer nie am Meer). Also haben sie unter der Sonne Kaliforniens selber eins geschrieben und daraus ein faszinierendes und komisches Bühnenstück gemacht: „Die Deutsche Kochschau“! Nach einer umjubelten Clubtour (Sylt, Chicago, Bonn) ist sich die Presse einig:
„Gut!“ (Sylter Rundschau)
„Good!“ (Chicago Tribune)
“Gut!” (Bonner Rundschau)
www.willkommen-tv.at/player.php?sid=F50#F50
www.youtube.com/watch?v=wGMDTp5YLqE
DER STANDARD; Printausgabe, 29.10.2008
STERMANN & GRISSEMANN
TRAUER UM JÖRG HAIDER
An den Enden des Humors
Grissemann und Stermann haben letzte Woche in ihrer Sendung "Willkommen Österreich" einige der besten Witze ihrer Karriere gerissen
Feinfühligkeit ist keine televisionäre Kategorie. Man denke nur an die TV-Karrieren von Vera Russwurm oder Barbara Stöckl, die zu einem Gutteil darin bestanden, aus Leid und Elend Quote zu machen. Unter vorgeblicher Anteilnahme. Lebensmenschen hin, Tränenmeere her.
Die immergrüne Disziplin der Heuchelei hat sich zuletzt auch wieder als verlässlicher ORF-Quotenbringer erwiesen. Stundenlange Bestattungsbelangsendungen aus Kärnten samt Verklärung zum Zwecke einer fragwürdigen Mythenbildung wurden da ohne Genierer oder höheren Auftrag ins Land gestrahlt. Wörter wie besoffen oder gemeingefährlich kamen in den Übertragungen nicht vor. Da stand die sogenannte Pietät davor.
Dass sich in dieser vom ORF mitinszenierten Atmosphäre ausgerechnet das Kabarett als Enklave der Vernunft erwies, könnte einen durchaus mit etwas Weltekel oder wenigstens Nihilismus erfüllen.
Dirk Stermann und Christoph Grissemann haben letzte Woche in ihrer Sendung "Willkommen Österreich" einige der besten Witze ihrer Karriere gerissen. Über Kärnten, über verheulte und verwaiste Bräunlinge, über den Zustand Österreichs. Das ist einigen sauer aufgestoßen. Aber Kunst - und sei es nur die Kleinkunst -, die darf das. Nur so als Memo an die Empörten.
Dass ausgerechnet der Kabarettist Roland Düringer sich in Dominic Heinzls ATV-Klatschmagazin "Hi Society" nun von Stermann und Grissemann quasi menschlich enttäuscht zeigte, ist zwar ein Witz, Düringer meinte es aber ernst.
Auch die Vermutung, Düringer partizipiere emotional an dem Verlust nur, weil ja auch ein Automobil zu Schaden gekommen ist, führt in die Irre. Nein, es ging ihm explizit um "die Menschen". Düringer also neuerdings ein Sensibelchen? Da hört sich der Spaß dann wirklich auf.
(flu/DER STANDARD; Printausgabe, 29.10.2008)
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was ist los in österreich:
zum wirbel um ster&grissemann in kärnten
ein kommentar von jemandem aus dem jahre 1919
Kurt Tucholsky
Was darf die Satire?
- Frau Vockerat: Aber man muß doch 

seine Freude haben können an der Kunst.
- Johannes: Man kann viel mehr haben an der Kunst
als seine Freude.
Gerhart Hauptmann
Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.
Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: "Nein!" Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.
Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.
Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.
Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.
Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: "Seht!" – In Deutschland nennt man dergleichen ›Kraßheit‹. Aber Trunksucht ist ein böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend gewesen, und mit der Prostitution ist es noch heute so.
Der Einfluß Krähwinkels hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige ›Simplicissimus‹ hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge rechtens im Wappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten, an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten, aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.
Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten.
Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.
Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in denen, welch elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich: sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden von keinem Menschen gelesen.
Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und Volksbeauftragte – wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (›Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!‹), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.
So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.
Was darf die Satire?
Alles.
Ersterscheinung: Berliner Tageblatt, 27.01.1919,
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Die Deutsche Kochschau oder : wie das Fernsehen uns zu Nazis machte
Saft durch Freude.
Oder wollt ihr das totale Sieb?
Vorspiele, die live auf die bühne kommen:
cordoba: http://www.youtube.com/watch?v=B2qHGs-CFzs
kochschau: http://www.youtube.com/watch?v=ASYOPwjZcfw
MARTIN BLUMENAU über Stermann & Grissemann
Als Stermann und Grissemann damals als Wunderkinder im Fürstentum "ZickZack" Anno 1891 oder 92 erstmals ein paar Minütchen der damals noch viel kostbareren Sendezeit mit dem Erzählen von Witzchen füllen durften (über die sie dann mit ihren viel zu hohen Stimmchen auch noch selber lachten), gab es nicht allzuviele, die diesen Schabernack goutierten.
Ich, damals ein Heerführer des benachbarten Hunnen-Reichs der "Musicbox", war einer derjenigen, die einen absurden Gefallen an den trübe am Rand der Lustigkeit und immer in den düsteren Topf der Bitterkeit lappenden Scherzen der beiden gefunden hatten.
Wie überhaupt das standing der beiden Nachwuchs-Clowns eher vom Zuspruch von außen gefüttert wurde, denn von der eigenen oder der internen Akzeptanz.
S&G-Merksatz 1: Du musst dein eigener und schärfster Kritiker sein.
Als die ZickZack-Grafschaft durch einen Putsch besetzt und ich als neuer Vizekönig eingesetzt wurde, pfuschten die dann schon heftig dem Bartwuchs zusprechenden Gesellen noch vierzehntägig vor sich hin und waren dementsprechend zaghaft in ihren Bemühungen.
Ich entsinne mich an einen heftigen Protest einer ansonsten gutmeinenden Prinzessin aus der Nachbarschaft, als Stere und Grisse, die sich damals noch verstohlen Hans-Herbert und Hans-Christoph nannten, einen Witz über einen Eineiigen machten.
Und den Aufruhr, den eine Sendung zur Folge hatte, in der sie sich über den aus der Mode gekommenen Maler Maitre Leherb lustig gemacht hatten.
Gerade diese Empörungen waren der richtige Zeitpunkt für ein wöchentliches Erscheinen und ein massives Sich-hinter-diese-Narren-stellen.
Aber das alles hatte noch eine zweite Konsequenz.
Ab diesem Zeitpunkt waren die bevorzugten Zielscheiben der beiden Hänschens nicht die ohnehin schon am Boden liegenden Schwachen, sondern andere: sie selber.
S&G-Merksatz 2: In deinen Untiefen lauert die gesamte Bandbreite der menschlichen Psyche.
Innert kürzester Zeit erregte die Vorgangsweise der beiden Spaßmacher so viel Aufsehen, dass sich eine massive Fan-Base entwickeln konnte - soweit das im Rahmen der schmalen Zuhörerschaft möglich war.
Und es tauchten Gaukler und Seher auf, die versuchten mittels Auftritten oder CDs Kapital aus der Vertrauens-Seligkeit der beiden diesbezüglich völlig Unbedarften zu schlagen.
Mit dem Ende des Mittelalters und der sich sofort einstellenden Basis-Demokratisierung durch die Einführung von FM4 vor 10 Jahren kam es, dass Stermann und Grissemann ihrerseits selber so etwas wie Unantastbare wurden.
Die Bewunderung von außen wuchs in einem fast schon bedrohlichen Ausmaß; die Bewunderung von innen erarbeiteten sich die beiden mittlerweile zu Satirikern und Literaten Gereiften durch ihre ununterbrochene und niemals endende Beschäftigung mit den essentiellen Themen: Angst und Tod, Liebe und Verrat, Lust und Gier, Versagen und Sehnsucht.
Der durch ihr Leben und ihr Schaffen geschärfte Blick auf die Wirklichkeit und die zwar vordergründig witzige, in Wahrheit jedoch tieftraurige und hochpessimistische Umsetzung mittels verbal-akrobatischer Trauer-Arbeit, was die Sinnlosigkeit des Seins betrifft, ermöglicht es den von Hänsen zu erwachsenen Menschen, die sich per Nachnamen ansprechen, Gereiften, eine dauerhafte anerkannte Abbildung des Lebens durchzuführen.
S&G-Merksatz 3: Die Angst ist die stärkste Triebfeder.
Während sich S&G im Rahmen ihrer Radioarbeit bei FM4 immer innerhalb einer geschützten Zone wähnen (und das auch kein Wahn, sondern die Wahrheit ist, was sich z.B. auch in der Haider-Klage-Krise von 2000 manifestierte), litt ihre Arbeit für andere Medien (so großartig das teilweise war und ist) immer ein wenig an der Beziehungslosigkeit mit dem Umfeld.
Ähnliches gilt für das wichtigste Zubrot des Kleinkünstlers, die Tournee. Obzwar sich S&G da in den letzten Jahren in die Obhut der sich (ähnlich wie FM4) in manischem Familiensinn verlierenden Firma Hoanzl begab, war auch die Tour an sich immer ein Hort steter Pein.
Was mit der Redundanz des Aufgeführten ebenso zu tun hat wie mit den Umständen einer andauernden Reise (Transport, Hotel, Auftritt, Hotel, Einsamkeit, Trunksucht, Exzesse etc.) und nur im geringen Maß an Dingen wie der TempoSucht von Tour-Begleiter Max.
Während S&G also dem Salon Helga einmal pro Woche mit einer gewissen Lust entgegensehen, haben sie vor einem neuen Live-Programm und der nachfolgenden Tour Angst.
Andererseits gilt Merksatz 3.
Das führte dazu, dass die bisherigen Live-Programme sich eher aus dem halt zuletzt Geschriebenen speisten und durch die Improvisation am Leben gehalten wurden.
S&G-Merksatz 4: Letztlich führt ja alles zu nichts.
Mit "Harte Hasen", dem gestern uraufgeführten Programm, sind S&G über diverse Schatten und auch Ängste gesprungen und haben sich erstmals so etwas wie einem roten Faden, einer Struktur oder einem Gesamt-Konzept unterworfen.
Bislang wäre das nur durch Aufzwingen möglich gewesen, das allerdings eine automatische Abstoßung zur Folge gehabt hätte. Und so mussten wir warten, bis es S&G selber an der Zeit sahen, diesen Maximen zu gehorchen.
Es hat sich ausgezahlt.
Die Telefon-Zuspielungen kommen nicht mehr zufällig daher, das klassische Tagebuch ist klug eingebunden, die Streitereien sind logisch inszeniert, alte und neue Texte erfahren eine sinnige Verknüpfung.
Grissemanns Hang zur Schmiere ("Ich bin so allein...") war nie effektiver und Stermann überrascht mit einer in Wortlaut und Körpersprache wunderbaren Michael Moore-Parodie.
Unter Außerachtlassung der Tatsache, dass das Programm nach dem Start wie immer weiter wächst und die Performance immer eingespielter wird, ist "Harte Hasen" jetzt schon das dichteste und beste Programm der S&G-Geschichte. Und Herr Ostermayer war gerührt.
Gast-Merksatz von mb: Wer sich Regeln unterwirft, kann trotzdem Anarchie walten lassen. Es müssen halt die eigenen sein.
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STERMANN & GRISSEMANN
L e b e n s l a u f
Das Wort, das Dirk Stermann und Christoph Grissemann gemeinsam und jeder für sich alleine am allermeisten auf der ganzen Welt hassen, ist das Wort Lebenslauf.
Es reicht ja wirklich das Leben zu leben, warum soll man die unendliche Serie an Peinlichkeiten noch datieren und außerdem, ein altes Sprichwort sagt:
Gibt man das Geburtsjahr an, ist bald mal jeder one-night-stand vertan.
Daher beschränken wir uns an dieser Stelle auf einen groben Überblick Ihres vielfälltigen Schaffens:
Bücher
Als wir noch nicht von Funk und Fernsehen kaputt gemacht worden sind.
Edition Selene
Immer nie am Meer.
Edition Selene
Willkommen in der Ohrfeigenanstalt
Radiosendungen
Radio Blume ORF /FM 4
Morgengrauen ORF /FM 4
Salon Helga ORF /FM 4 jeden Freitag
Show Royal ORB /radio 1 jeden Sonntag
Fernsehproduktionen:
Frau Pepi und ihre Buben ORF
Schöne Show ORF
Blech oder Blume ORF
Sweet Sixteen ORF
Kulturkiste ORF
Film
Ein halber Film "Mha Jong"
Drehbuch und Hauptrollen:Dirk Stermann &Christoph Grissemann
Stirb, Du politische Korrektheit, Du!
Warum Jesus nach drei Tagen wieder auferstanden ist? Nun, da er ja an einem Freitag sterben musste, konnte er die Bundesliga-Berichterstattung in "ran" am Wochenende nicht sehen. Damit ihm aber trotzdem nichts entgeht, musste er montags wieder da sein. Da erscheint das Fachmagazin "Kicker". Wer solcher Logik nicht folgen kann, ist bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann fehl am Platz.
Die beiden Radiomoderatoren ziehen bisweilen auch auf ausgedehnten Tourneen durchs Land. Dann müssen sie sich Kabarettisten nennen lassen, weil es sonst keine Schublade für sie zu geben scheint. In der vergangenen Woche gastierten sie im zwei Mal in einem vollen Salzburger Rockhouse. Wer an Ötzi, Vera und News nichts Verwerfliches und gewalttä-tige Urlaubserinnerungen absto-ßend findet; wer die FPÖ, Schüssel, Van der Bellen, Gusi, Stoiber und andere Figuren nicht als Witz erkennt; wer die Flut des Sommers und die Diktatur der Krone und des ORF nicht für entertainmenttauglich hält, wird diese beiden Unterhaltungstiere zur Einschläferung vorschlagen.
Alle anderen toben aufgeweckt, angestachelt von der Glückseligkeit, die aus der Beobachtung der Erbärmlichkeit wächst. Vielleicht toben sie auch deshalb, weil Stermann und Grissemann nicht - wie bei früheren Auftritten erlebt - am Rand des Vollrausches agieren, sondern ihr Programm straff zusammenhalten, ohne dabei auf das so genannnte Spontane zu verzichten. Ein guter, ein wundervoller Platz ist ein solcher Abend jenen, die erkannt haben, dass der erste Blick wenig zählt.
Humor, der auf den billigen Effekt brüllenden Gelächters abzielt, ist ihre Sache nie gewesen. Wie schon in diversen Radiosendungen, in ihren TV-Auftritten und in ihrem Live-Programm "Das Ende zweier Entertainer" lebt auch "Willkommen in der Ohrfeigenanstalt" (nach dem gleichnamigen, bei Hoanzl erschienenen Buch) vom zweiten, vom bösen, vom hinterhältigen, vom erfrischend anderen Blick, von der Erfindung einer surrealen und doch so oft grauslich nahen Welt der Abgründe. Dieser von brutaler Selbstironie und Selbstzerfleischung geleitete Blick ist in diesem Land der Gemütlichkeit bis in den Tod selten so radikal, so kompromisslos zu einem zweieinhalbstündigen Live-Programm gemacht worden. Das Programm schmerzt so herrlich wie die Peitschenhiebe, die Grissemann angeblich seit allerfrühester Jugend allerhöchste Lust bereiten. Aber ist es nicht ohnehin immer der Schmerz der anderen, die Freude am Schaden der anderen, die das eigene Glück riesengroß erscheinen lassen? Und warum bitte, soll mein Amüsement irgendwelchen angeblichen Grenzen eines angeblich guten Geschmacks unterworfen werden?
Salzburger Nachrichten am 18. November 2002 - Bereich: szene, BERNHARD FLIEHER
Die Ohrfeigenanstalt
Stermann/Grissemann im Rabenhof
"Willkommen in der Ohrfeigenanstalt" (248 S, Hoanzl-Verlag).
"Regeln und Knochen, beides gehört zerbrochen", steht in ihrem Buch zum Programm. Oder ist es Programm zum Buch? Wie auch immer.
"Willkommen in der Ohrfeigenanstalt" heißt Stermann/Grissemanns neuestes Werk, und das Gute daran ist, dass man nicht lange auf die Ohrfeige warten muss. Das Schlechte daran ist der Blondinenwitz am Anfang ("Dann haben wir es gleich hinter uns", Stermann) und er ist so schön schlecht, dass gleich eine Watsche von Grissemann, dem stets Schlagfertigen, folgt. Überhaupt fliegen lustig wie schon lange nicht die Fetzen zwischen den beiden und nicht nur verbal. Was zur Folge hat, dass Stermann am Ende im zerrissenen Hemd, also halbnackt, dasitzt, was ja an sich auch kein unerfreulicher Umstand ist. Die Beleidigungsblöcke der beiden kennen wir ja schon: das dickste Kind Deutschlands (Stermann) gegen den kleinen Akne-August mit Ermüdungsbruch im Onaniearm (Grissemann) und Witze, die nicht abgezählt sind.
Ja, die beiden dürfen diesmal so richtig Kinder sein und zwar ungewollte. Grissemann hat seinen ersten Selbstmordversuch schon als Embryo hinter sich - mit der Nabelschnur. Seither ist seine Suizidkarriere nicht mehr aufzuhalten. Statt Märchen als Gutenachtgeschichten wurden ihm nur Todesanzeigen vorgelesen und seine Bettwäsche zierte das Turiner Grabtuch. Die beiden lesen Selbstverfasstes aus ihrem Buch und besehen sich zwischendurch die Politik ("Riess-Passer sieht aus, als wäre sie von der Katze angeschleppt"), die Flutkatastrophe ("Ybbs sieht doch jetzt besser aus als früher") und das 1. Mal ("Wir streichelten stundenlang unsere Anoraks"). Und nicht nur als alte Sexualneurotiker können Stermann/Grissemann so echt sein, dass es eine Lust ist. Auch als sie selbst.
Kurier 28.09.2002 - Veronika Franz
"Wie krank ist das denn?"
Fragten sich Dirk Stermann und Christoph Grissemann
Die Kultstars bauen auf Schadenfreude. Auch in ihren depressiven, ins irreale Groteske schweifenden Tagebucheinträgen oder wenn sie als Franz Liszt und Johannes Brahms Zimmer in einem Schweizer Hotel reservieren und die Dame am Telefon keinen Verdacht schöpft, wenn auch noch Mahler und Tschaikovsky mitkommen.
Edmund Stoibers Versprecher, -"die flodernde Lut, äh glodernde Flut, äh lodernde Glut" - auf Band dokumentiert, sind nicht politisch, sondern einfach nur lustig.
Traurig, aber wahr
Schauspielerisch trumpfen die beiden auf, wenn sie Kandidaten für Elizabeth T. Spiras Partnervermittlung darstellen, mit Überbiss und nekrophilen Neigungen.
Das ist aber nicht krank, sondern real. Österreichs wohl beste Entertainer beherrschen das, sie führen dem Publikum die Realität so krass und zynisch, teilweise verdreht, vor Augen, dass sie als solche nur noch schwer erkennbar ist, und man glaubt, getrost darüber lachen zu können.
Der Abend lebt von den beiden Persönlichkeiten auf der Bühne, ihrem eigenen, hassliebeartigen Verhältnis zueinander, der spontanen Komik, die dadurch entsteht. Und der fast bedingungslosen Liebe der Fans, die sich die beiden über die Jahre hinweg berechtigt erarbeitet haben.
Vorarlberger Nachrichten - 5.10.2002
Stermann & Grissemann machen vor nichts Halt. Darf man lachen? Ja. Manchmal jedoch ein bisschen leiser.
Der Papst, Dj Ötzi und Elvis werden ebenso lustvoll zerfleischt wie der halbe Küniglberg und speziell Elisabeth T.Spira - ihre (angeblich) neue Sendung "Urlaubsflirt" feiert bei Stermann und Grissemann Vorpremiere:
Wer will mit dem "nekrophilen Nationalsozialisten", der mit Gummimaske dekoriert über Leben und besonders den Tod philosophiert, auf Urlaub fahren? Kann auf den Magen schlagen. Dazwischen wieder sprachlich gewitzte Formulierungen wie "Heiner hat einen Hähnchenstand in Hamburg" und - von Grissemann an die "Kritiker" zum Mitschreiben diktiert - "Es war so heiß, dass sich das Briefpapier von selbst entzündet hat." (Tagebuch: Urlaub in Duisburg). Um es kurz zu machen: Das beste Programm der beiden seit Jahren: Böse, zynisch und das konsequent.
Linzer Rundschau - 3.10.2002, Karin Müller