Dass die Kirche im Dorf bleibt & wir nicht in eine Moschee müssen zu Weihnachten. Es spielen UTE HEIDORN, CARMEN GRATL, JOHANNES GABL - JULIA & SIGGI HAIDER (Live.Musik). B: ESTHER FROMANN. R: FRANK RÖDER.
aus der Ankündigung zur Uraufführung SCHAUBÜHNE/BERLIN
Deutschland, im Herbst 2015. In einem Land, das von vielen als freies, offenes, vielfältiges Land im Aufbruch gesehen wird, grassiert die Angst. Angst vor dem Fremden, Angst davor, auszusterben, sich abzuschaffen, überfremdet zu werden; von Politik und Medien belogen und im Stich gelassen zu werden. Angst davor, von Minderheiten, die gleiche Rechte fordern, terrorisiert zu werden, eigene Privilegien zu verlieren. Die Ungeheuer, die diese Ängste gebiert, nimmt Falk Richter zusammen mit einem Ensemble von Schauspielern und Tänzern und Musikanten. Sie begeben sich auf eine Reise durch verlassene und blühende, reale und virtuelle deutsche Landschaften, treffen auf eine christlich-fundamentalistische Hasspredigerin, besorgte Bürger, die gegen »Lügenpresse« und »Überfremdung« sich die Wut aus dem Leib schreien, besorgte Eltern, die gegen alternative Familienmodelle und die Akzeptanz sexueller Vielfalt auf die Straße gehen und sie kommen der konspirativen Allianz zwischen der politischen Rechten, christlichen Fundamentalisten und der Aristokratie für die Re-Christianisierung des Abendlandes auf die Spur.
Wie Untote, Zombies, Wiedergänger aus der Vergangenheit, kehren längst überkommen geglaubte Kategorien, Denkmuster, eine Rhetorik und ein Vokabular aus Zeiten des Nationalsozialismus zurück. Im öffentlichen Diskurs breiten sich ungehemmt Hass, Hetze und Diskriminierung als legitime Arten des Sprechens aus. Auf diesem Nährboden folgen Gedanken und Worten bald Taten, werden Journalisten angepöbelt, wird öffentlich zu Hass und Gewalt aufgerufen, wurden Politiker angegriffen und brannten im vergangenen Sommer mehr als 500 deutsche Flüchtlingsunterkünfte. Die untoten Geister von Rassismus und Homophobie beschwören die Performer herauf und setzen sich mit Sprache und Körperlichkeit von Angst, Hass und Gewalt auseinander, verlachen, bekämpfen sie und schütteln sie ab. Sie fragen sich, was Begriffe wie »Heimat« und »Familie« für sie ganz persönlich heißen könnten.
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Stellungnahme der Schaubühne zu FEAR von Falk Richter
Seit der Premiere am 25. Oktober erreichten die Schaubühne vermehrt Zuschriften und Anrufe, die die Produktion »FEAR« von Falk Richter angreifen: zum Teil in Form von Gewalt- und Morddrohungen. Auch Graffiti wurde vor den Eingang des Theaters geschmiert und es kam zu Störungen von Vorstellungen. Die Mehrheit der Absender, die die Absetzung des Stücks fordern, sagt selbst, dass sie die Aufführung gar nicht gesehen hat.
In einigen Medien wird das Stück inzwischen in Zusammenhang gebracht mit zwei Auto-Brandanschlägen gegen die AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch und Hedwig Freifrau von Beverfoerde, Organisatorin der »Demo für alle«.
Hierzu möchten wir feststellen: Es wird im Stück an keiner Stelle zu Gewalt gegen Sachen oder Personen aufgerufen. Einen Zusammenhang zwischen den Straftaten und der Inszenierung herzustellen, ist absurd. Er wird bewusst konstruiert, um die Schaubühne als Theater und Falk Richter als Autor und Regisseur zu verleumden. So soll Druck ausgeübt werden, um das Theaterstück abzusetzen. Die Schaubühne und Falk Richter verurteilen die Brandanschläge. Ihnen muss mit rechtstaatlichen Mitteln nachgegangen werden.
Die Inszenierung setzt sich auf satirischem Weg mit den rechtsnationalen und religiös-fundamentalistischen Strömungen im heutigen Deutschland auseinander. Der Wiederkehr des rechten Gedankenguts stellt sich die Inszenierung allein mit den Mitteln der Kunst entgegen: Ebenjener Kunst, deren Freiheit und Unantastbarkeit erst unlängst unter dem Motto »Je suis Charlie« allerorts in Solidaritätsbekundungen gegen die Pariser Attentate so vollmundig beschworen wurde. Und zwar insbesondere von ebenjenen Kreisen, die sich vor einer Islamisierung des Abendlandes fürchten – und eine Freiheit der Kunst immer nur wünschenswert finden, solange deren Kritik sich gegen andere richtet.
Die Schaubühne wird alle strafrechtlich relevanten Sachverhalte zur Anzeige bringen.
Die Inszenierung »FEAR« wird, wie geplant, im Januar erneut auf dem Spielplan der Schaubühne stehen.