Ein innerer Vogel namens Seele - Gianluigi Trovesi's Klarinette verleiht der Musik des Anat Fort Trios neue Flügel: nach ihrem ECM-Debut „A Long Story“ erscheint gerade die CD „Birdwatching“ beim Vorzeige-Label
:: Anat Fort - piano
:: Gianluigi Trovesi - alto clarinet
:: Gary Wang - double bass
:: Roland Schneider - drums
Seit rund fünfzehn Jahren unterhält die israelische Pianistin Anat Fort nun schon ihr Trio mit dem US-amerikanischen Bassisten Gary Wang und dem deutschen Schlagzeuger Roland Schneider. Das Verständnis zwischen den drei Musikern ist so phänomenal, dass Anat Fort das Trio auch nicht auflöste, als sie 2011 von New York in ihre Heimat zurückging und Schneider nach Berlin umzog. 2010 hatte das Ensemble bei ECM sein Debütalbum "And If" herausgerbracht. "Die Stücke kommen leichtfüßig und scheinbar spielerisch daher, haben den Endpunkt jeder Phrase stets im Blick und brechen nie in Läufe aus, die letztlich nur die instrumentelle Virtuosität der Pianistin unterstreichen sollen", meinte Tom Fuchsdamals in den Piano News. "Fort fasziniert vielmehr durch ihre ambivalenten Texturen, die sie sowohl kraftvoll und dominant als auch filigran und schlicht zu platzieren weiß. Dieser Sinn für Dynamik prägt auch den kollektiven Gedankenaustausch." Spielerisch anmutende Leichtfüßigkeit kann man auch dem Klarinettisten Gianluigi Trovesi attestieren, den Fort zu den Aufnahmesessions für ihr neues Album "Birdwatching" nach Lugano einlud. "Über viele Jahre hinweg habe ich Gianluigi Trovesis Arbeit auf seinen Alben verfolgt", verrät die Pianistin, "und sein musikalisches Temperament habe ich immer geliebt."
Als sich 2011 beim Novara Jazz Festival in Italien die Gelegenheit ergab, mit ihm im Duo zusammenszuspielen, zögerte Fort deshalb keine Sekunde. Später besuchte Trovesi die Pianistin in Israel und trat mit ihrem Trio im Opernhaus von Tel-Aviv auf. "Der nächste Schritt war, gemeinsame Aufnahmen zu machen", erzählt Fort. "Als ich Manfred Eicher meinen Vorschlag unterbreitete, war er begeistert und alles kam in Gang..."
"Wir nahmen in Lugano eine Menge Musik auf und probierten viele verschiedene Dinge aus", sagt Anat Fort. "Als ich mich mit Manfred zum Abmischen im Studio traf, wurde uns sehr schnell klar, dass dies wieder eine Aufnahme war, die eine Geschichte in kleinen Schritten oder Episoden oder Vignetten erzählen würde. Als wir mit der Arbeit anfingen, begann sich die Geschichte zu entfalten. Aber es war auch klar, dass wir mehr Solo-Piano-Stücke brauchten. Also nahmen wir diese spontan noch am selben Tag auf. Es schien, als wollte die Platte uns ihre eigene Geschichte erzählen, uns zeigen, wo sie hinwollte, in welche Richtung wir uns bewegen sollten..."
"Ich liebe Vögel und habe schon einige Vogelbeobachtungen unternommen", erläutert Anat Fort den Titel des Albums. "Viele meiner Songs sind inspiriert von Dingen, die sich in der Natur bewegen: Tiere, Wolken, Winde, Wasser... Ich hatte keine Ahnung, wie ich dieses Album nennen sollte, aber als ich die fertigen Masterbänder hörte, wusste ich, dass es etwas mit den Bewegungen von Vögeln zu tun hatte, mit Beobachten, Hören, Warten." Das Album, so merkt sie an, beschäftigt sich sowohl mit buchstäblicher Vogelbeobachtung in der Natur als auch mit der Beobachtung "dieses inneren Vogels, der Seele".
Wenn von Jazz "Made in Israel" die Rede ist, dann ist damit oft nicht nur die Herkunft der Musiker, sondern auch ein bestimmtes Klangbild gemeint, also Melodien und Rhythmen, die von der Musik des Vorderen Orients beeinflusst sind.
Es gibt Momente auf "Birdwatching", in denen Anat Forts Heimatland kurz aufblitzt, hörbar durch ihre Art und Weise, Melodien zu formulieren, wie man sie auch vom israelischen Folksong kennt. Doch Anat Forts Neigung zu einfachen singbaren Melodien wird spätestens durch Trovesis herzhaft-knackigen Klarinetten-Sound konterkariert. Ohnehin wird auf den zwölf Song ein weites musikalisches Feld beackert, indem neben improvisierten Solostücken auch das Trio ausgiebig Platz hat, sein langjähriges Eingespieltsein zu demonstrieren. Neben balladesken Jazznummern steht europäisch geprägte Kammermusik im Vordergrund.