17:00 CHORPROBE der gernsingenden Falschsänger / Begleitmusik: STREETNOISE-ORCHESTRA - anschl. Gespräch mit STEFAN GRASS der den Widerstand gegen Olympia in Graubünden organisiert hat - 60%
NZZ - Neue Zürcher Zeitung 12.2.2017
Mit 60 Prozent Nein-Stimmen haben die Bündner überraschend klar gegen die Olympischen Winterspiele 2026 votiert. Erstaunlich ist, welche Orte sich gegen das Projekt aussprachen. Sogar St.Moritz verzeichnete 56 Prozent Nein-Stimmen zu den Olympia-Plänen 2026.
Eigentlich wäre der Wintersport-Kanton Graubünden als Olympia-Austragungsort prädestiniert. Denn für die beiden einzigen Winterspiele, die bisher in der Schweiz stattfanden, war 1928 und 1948 die Gemeinde St. Moritz die Gastgeberin. Doch die Bündner Stimmberechtigten mögen nicht an diese Tradition anknüpfen: Am Sonntag haben sie mit 60,1 Prozent der Stimmen einen 25-Millionen-Kredit abgelehnt, welcher der Ausarbeitung einer Bündner Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2026 hätte dienen sollen. Dieses Abstimmungsergebnis fällt überraschend deutlich aus, zumal die Stimmbeteiligung bei knapp 51 Prozent lag. Zum Kredit hätte der Kanton Graubünden selber neun Millionen Franken beigetragen; den Rest sollten der Bund und der Dachverband Swiss Olympic aufbringen. Das Thema Olympia sei nun womöglich für Jahrzehnte vom Tisch, kommentierte der Bündner Volkswirtschaftsdirektor Jon Domenic Parolini das Abstimmungsergebnis.
Graubündens zartes Olympia-Flämmchen ist damit erloschen. Aber damit musste man ernsthaft rechnen: Die Bündner Stimmberechtigten haben sich nicht zum ersten Mal als resistent gegenüber Olympischen Winterspielen gezeigt. Zur allgemeinen Überraschung verwarfen sie schon im März 2013 eine Kandidatur für das Jahr 2022 mit knapp 53 Prozent, und 1980 hatte sich mit einem Nein-Stimmen-Anteil von gar 77 Prozent Ähnliches ereignet. Weitere Anläufe waren bereits in einem früheren Stadium gescheitert. Warum bloss diese Skepsis? Das fragen sich zu Recht Graubündens bürgerliche Politiker, Wirtschaftsverbände und die Kantonsregierung. Sie alle haben im Jahr 2013 wie auch bis letzten Sonntag die Werbetrommel zugunsten Olympias kräftig gerührt. Vor vier Jahren argumentierten sie, Graubündens Wirtschaft – deren wichtigstes Standbein der Tourismus ist – darbe und brauche dringend neue Impulse. Und da könnten Olympische Spiele für viel neuen Schub sorgen. Doch offenbar liess sich eine Mehrheit der Bündner von den Bedenken der Linken anstecken: Milliardeninvestitionen in den übersättigten Wintertourismus und umweltbelastender Gigantismus seien fehl am Platze. Punkto Winterspielen 2026 änderte das Internationale Olympische Komitee seine Vorgaben. Es schrieb sich eine dezentrale Austragung, Nachhaltigkeit und Nutzung der bestehenden Strukturen auf die Fahne. Zu diesem günstigeren Umstand gesellte sich das stimmige Argument der Bündner Bürgerlichen und Wirtschaftsverbände, seit 2013 gehe es der kantonalen Wirtschaft noch schlechter. Also seien neue Impulse noch viel dringender nötig.
Daher entzündeten die Wirtschaftsverbände, darunter einige zuvor skeptische Unternehmer, ein neues Olympia-Flämmchen. Sie und die Bündner Kantonsregierung waren der Ansicht, dank der Dezentralisierung bisher abgeneigte Regionen wie die Surselva oder das untere Rheintal samt Chur überzeugen zu können. Denn es wären mehr Gemeinden als Austragungsorte vorgesehen, auch in besagten Regionen. Dazu kam, dass die Linke nicht mehr geschlossen gegen Olympia auftrat. Doch nicht nur das bevölkerungsstarke Chur sagte am Sonntag Nein. Sondern ausgerechnet auch solche möglichen Host-Citys, die klassische Wintersportorte sind: Arosa, Davos und St. Moritz, das gar 56 Prozent an ablehnenden Stimmen verzeichnete. Dessen Gemeindepräsident Sigi Asprion erklärte gegenüber Tele Südostschweiz, die Angst vor hohen Kosten und Skepsis gegenüber dem Olympischen Komitee hätten wohl den Ausschlag gegeben. Die Angst vor Fremdbestimmung spielte offenbar eine grosse Rolle. Dazu gesellte sich die Befürchtung, auch dezentrale Olympia-Spiele könnten gigantisch ausfallen und mit zu hohen Kostenrisiken verbunden sein. Letzteres befürchtet auch die Wirtschaftsmetropole Zürich, die von Graubünden als externe Host-City umworben wurde: Zürichs Gemeinderat lehnt eine aktive Beteiligung ab. Auch das beeinflusste das Bündner Stimmverhalten. Nun hat die welsche Kandidatur «Sion 2026» praktisch freie Bahn: In den Trägerkantonen Wallis, Waadt, Freiburg und Bern steht kein Urnengang an. Denn die jeweiligen Kandidatur-Beiträge sind so tief, dass das obligatorische Referendum wegfällt.