Hi5 spielen „Minimal Jazz Chamber Music“ – von Minimal Music über Pop und Rock bis zur Elektronik. Hi5 sind Chris NORZ drums l Philipp OSSANNA guitars l Clemens ROFNER bass l Mathias LEGNER Vibraphon.
Merci Merci Marcel - lautet einer der Titel auf dem 2016 erschienenen, fünften und sogleich auch dementsprechend benannten Album „Fünf“ (Sessionwork Records) der Band HI5. Wer als geschichtsbeflissener Jazzfan dabei zunächst eine Verbeugung vor Joe Zawinul und seiner in der Einspielung mit Cannonball Adderley schnell zum Hit avancierten Komposition „Mercy, Mercy, Mercy“ wittert, wird quasi im wortwörtlichen Sinn aufs Glatteis geführt. Denn die vornehmlichen Inspirationen des Quartetts speisen sich nicht unbedingt aus den Hauptadern der Jazzgeschichtsschreibung, sondern zapfen ein weitverzweigtes, sich in unterschiedliche Richtungen ausbreitendes Netz von Bezugsquellen an. Im vorliegenden Fall verweist die genannte Alliteration auf alpines Gefilde und richtet sich als Grußwort an jene österreichweit gefeierte Persönlichkeit, die rasante Linien weder durch ein Musikinstrument noch schwungvoll mit Stift und Pinsel entstehen lässt, sondern diese mit seinen Skiern waghalsig in Schnee fräst. Von Marcel Hirscher sei also die Rede, verrät schmunzelnd HI5-Bassist Clemens Rofner und gesteht in diesem Zusammenhang die große Affinität der Bandmitglieder zum Wintersport.
Ähnlich überraschend und zugleich ungezwungen charmant verhält es sich mit dem Bandnamen HI5, dessen Zustandekommen im Hinblick auf die Quartettbesetzung zunächst Rätsel aufgibt. Ausschlaggebend sei in diesem Zusammenhang ein Konzert in der Frühphase der Gruppe gewesen, dass die Einladung zu einem Festival mit sich gebracht habe, erzählt Clemens Rofner, und fährt fort: „Allerdings hatten wir noch keinen Namen für die Band. Und so haben wir uns unter Zeitdruck einfach kurzerhand dafür entschieden, den Titel unseres im 5/4-Takt stehenden Stücks als Bandnamen zu verwenden.“ Dem voraus ging das Zusammentreffen von Rofner mit dem Schlagzeuger Chris Norz und dem Gitarristen Philipp Ossanna in Innsbruck. Anfänglich als Trio gestartet, konnte sich das Ensemble – ergänzt durch den Vibrafonisten Matthias Legner – nicht nur zum Quartett erweitern, sondern damit einhergehend in dieser bis heute bestehenden Besetzung seinen spezifischen Bandsound entwickeln. Dabei nehmen Chris Norz und Philipp Ossanna auch die Rolle der Komponisten für HI5 ein. Es folgten nicht nur diverse CD-Veröffentlichungen und Auftritte auf österreichischen und internationalen Bühnen, sondern auch mehrere Preise und Auszeichnungen, wie beispielsweise der „Grand Prize“ bei der Bucharest International Jazz Competition im Jahr 2013.KAMMERMUSIK UND SYNTHESIZER?!
Ein breites Spektrum musikalischer Einflüsse und die Auseinandersetzung mit verschiedenen Stilen und Konzepten liegen ihren Stücken zugrunde und verbinden sich zu einem vielschichtigen Amalgam. So finden sich bei HI5 unter anderem poppige Melodielinien, Inspirationen aus dem Rock, aber auch treibende Dance-Beats. Nicht zuletzt unter Hinzunahme elektronischer Instrumente, Effekte und Klangverfremdungen entfaltet und erweitert die Band ihre Klangvorstellungen, wobei bereits auch der programmatische Titel des 2014 veröffentlichten Albums „Attack Decay Sustain Release“ (Sessionwork Records) – ein Verweis auf unter anderem im Umgang mit Synthesizern geläufige Begriffe zur Beschreibung von Hüllkurven – dieses Interessengebiet preisgibt. Dass das Spiel mit Ansätzen der Minimal Music – ausgehend vom Schaffen und Wirken von Steve Reich, Terry Riley und anderen – nicht nur beispielsweise in der elektronischen Tanzmusik, sondern auch bei HI5 anzutreffen ist, tritt durch die Verwendung und Überlagerung von repetitiven Klängen und Motiven einerseits musikalisch in Erscheinung und stellt andererseits, verewigt im Credo der Band „Minimal Jazz Chamber Music“, sogar einen konzeptionellen Grundpfeiler des Quartetts dar. Dabei hat sich die Gruppe ausgehend von ihren Wurzeln im Jazz im Lauf ihrer Entwicklung zunehmend auf die Kreierung und Ausarbeitung musikalischer Abläufe und Strukturen fokussiert: Weniger das auf spontaner Interaktion basierende, improvisatorische Ergründen von Freiräumen, sondern das ineinandergreifende, sich zu einem stimmigen Gesamtsound mit entsprechendem rhythmischen Drive vereinende Spiel der einzelnen Instrumente steht im Mittelpunkt. Wenngleich sich die strukturelle Konzeption der Stücke bisweilen dem Pop zuneige, käme vor diesem Hintergrund auch das genannte Schlagwort Chamber zum Tragen, indem jedes Bandmitglied – wie bei einem kammermusikalischen Ensemble – seine unverzichtbare Rolle und Funktion einnehme und präzise abgestimmt in Lautstärke und Klang gemeinsam mit den anderen Stimmen den musikalischen Gesamteindruck erzeuge, erklärt Clemens Rofner. Was daraus entsteht, sind Songs, die leicht ins Ohr gehen und auch mal bis in die Fußspitzen vordringen können. Oder wie HI5 ihre Musik selbst beschreiben: „Komplexe Strukturen treffen auf eingängige Melodien, Minimal-Music-Elemente auf Jazz und Rock, Bezüge zur Tradition stehen der Suche nach neuen Klängen gegenüber.“ Hier kommt wahrlich einiges zusammen. Visuell begleitet wird dieses musikalische Feuerwerk durch den ein oder anderen Lichtblitz, der von der zum festen Inventar der Band zählenden Glühbirne dramaturgisch einleuchtend von der Bühne in den Zuschauerraum geworfen wird.
mica - Martin Schütz
foto christa pertl