treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

CLARA LUZIA // When I Take To The Streets // Tour 2018 . SUPPoRT: Hearts Hearts

Clara Luzia ist eine der außergewöhnlichsten Musikerinnen des Landes, geheimnisvoll und faszinierend. 
„I feel that it's a pissed off album, but in a sophisticated pissed off way. The way you are pissed off with a crooked smile and a raised eyebrow. Because you know you are more clever than that.“ (Denice Bourbon)

Wenn dein Stimmungsring täglich "Kulturpessimismus" anzeigt, dann scheint ein Rückzug ins Privatleben eine sinnvolle Option. Clara Luzias neues Album "When I Take Your Hand" könnte als so ein Rückzug interpretiert werden - zumal sie nicht nur ein Liebeslied an ihre Frau (und Schlagzeugerin) Catharina formuliert ("The Story Of You & Me") und ihrer Urgroßmutter gedenkt ("I Remember You"), sondern auch ihren inneren Dämonen die Rute ins Fenster stellt ("Survival") und damit die Türen weiter öffnet als bisher.
Aber das von Julian Simmons (Vashti Bunyan, Gemma Ray, Midlake, Ed Sheeran) produzierte, jüngste Album der Wiener Songwriterin und mehrfachen Preisträgerin des Amadeus FM4 Award will weder Nabelschau noch Aufruf zum Rückzug sein, sondern nur eine beinahe willkürliche Liedersammlung als Chronik seiner Zeit. Wo genau diese Liedersammlung zu verorten ist, lässt sich dann ohnehin erst aus der Perspektive des Rückblicks entscheiden. Bis dahin ist Händchenhalten nicht die schlechteste Option und durchaus auch eine politische Handlungsanweisung.



Die beiden im Sommer und Herbst 2017 vorab veröffentlichten Singles "Mood Swing" (#3 der FM4-Charts) und "On The Street" liefen bereits auf sämtlichen Radiostationen zwischen Polen (u.a. Radio Czworka, Radio Lublin), Deutschland (u.a. Radio Eins, BR Puls), Spanien (BI FM), Schweden (Stockholm College Radio) und England (BBC6).

"When the streets go to sleep
and the lights go out
that's when I take your hand
and we leave this place
Everyone who's awake
is a potential threat
we pretend we are safe.

Yes, it’s fucking political!

Wie auch nicht? Die magische 7-Mrd-Menschen-Marke ist überschritten, pseudoreligiös unterfütterte Abstrusitäten bieten Orientierungslosen neuen Halt, die Festung Europa verteidigt mit Zähnen und Klauen ihren Wohlstand, und Umwelt und Tiere siechen dank unserer bodenlosen Gier vor sich hin.
​Dennoch ist „Here’s To Nemesis“, das mittlerweile sechste Studioalbum von Clara Luzia keine Platte, die nach dem Strick greifen lässt. Denn mit dem Arsch ins Gesicht fährt Luzia trotz allem nicht. Die Texte sind codierte Erzählungen über die Suche nach dem richtigen Leben im falschen: Wer sie verstehen will, kann sie leicht entschlüsseln. Wer die Comfort Zone nicht verlassen will, wird auch in einer Kapitalismuskritik ein softes Liebeslied hören. Und das passt auch so. Sind die Lieder einmal ins Außen entlassen, hat die Verfasserin kein Deutungsmonopol mehr. Doch wer zuhört gewinnt.

„It’s very raw and not too much stuff. There are no unnecessary decorations because the album doesn't need it, the songs don't need it. I feel that they have the exact amount of things added to the base structure, which gives the album a lot of attitude.“ (Denice Bourbon)

Nach Jahren mit großer Band und entsprechend dichtem Klang riss sich Clara nun die Kleider vom Leib. Übrig bleiben Haut und Knochen in Form von Bass, Gitarre, Schlagzeug. Blaupause für den Sound von „Here’s To Nemesis“ stellte 2014 die Interpration von „Sinnerman“ für Andreas Prochaskas Erfolgsfilm „Das Finstere Tal“ dar. Catharina Priemer, die Neue am Schlagzeug, wies Clara den Weg zu schwingenden Tremolo-Gitarren, die viel Raum lassen für Stimme und Leerstellen. Der britische Produzent Julian Simmons erledigte den Rest, indem er in vielen von Claras Kompositionen das Tempo rausnahm, um diesen Schwingungen auch gebührend Platz zu lassen.

Das Cover-Artwork von Alexandra Mia Monkewitz zeigt eine Nuss mit Hirn, einen Kern als Metapher dafür, dass der Kern allen Seins in allem steckt. „We are all seeds of the same tree“ (Cosmic Bruise) - die wichtigste Erkenntnis, die für Clara Luzia alles verändert hat. Der Schlüsselsatz des Albums. Die Achse als Hinweis auf die Waagschale der Nemesis, der Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit. Auf ihr ruht die ganze Hoffnung. Und die Hoffnung lebt - trotz allem

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