Was wäre der eine ohne den anderen? Als ewig gegensätzliches Kabarett-Yin und Yang bestechen Gerhard Walter und Günther Gunkl Paal in ihren Doppelconferencen als „Herz & Hirn“ die künstlerische Zweifaltigkeit!
Es kann doch nicht sein, dass man wissen will, ob die Doppeltilde gestisch onomatopoetisch begründet ist.
Es kann doch nicht sein, dass man sich verliebt, ohne zu wissen in wen. Es kann doch nicht sein, dass man sich überlegt, ob ein Tor in der zweiten Halbzeit rechnerisch vor einem Tor in der ersten Halbzeit desselben Spiels gefallen sein kann. Es kann doch nicht sein, dass Trivial Pursuit zu einer Nahtoderfahrung führt.
Doch, es kann sein. Es kann auch sein, dass der eine die Welt mit dem Herzen und der andere mit dem Hirn sieht, und sie trotzdem gut miteinander auskommen.
Es gibt kein Thema, aber es geht um alles. Wenigstens auszugsweise. Und wenn Ihnen unterwegs etwas einfällt, was nach Erörterung schreit, werden wir das von allen denk- und fühlbaren Seiten beleuchten. Seien Sie eingeladen, jeden Abend mit uns neu zu gestalten.
„Kurier“ vom 24.10.2018
Humor als Notwehrwaffe gegen die Blödheiten des Alltäglichen von Werner Rosenberger Kabarett-Kritik.
Gunkl & Walter mit „Herz & Hirn II“, der „Fortsetzung der fortlaufenden Neuauflage“. Haben Fliegen einen Begriff von Heimat? Kann Trivial Pursuit zu einer Nahtoderfah- rung führen? Wer wird heuer Einzeller des Jahres? Und ist es nicht tröstlich, dass man bei näherer Betrachtung mancher Entwicklungen irgendwann sagen kann: Wenn das die Zukunft ist, ich bin nicht mehr dabei, ich versäume nichts. Die Welt der Merkwürdigkeiten von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten, mit Gedanken - durchaus auch gegensätzlicher Natur - spazieren zu gehen, dazu laden Gerhard Walter und Gunkl mit „Herz & Hirn II“. Gibt es doch kurioserweise auch den Film „Titanic 2“ und „Die unendliche Geschichte Part 2“.
So ist der eine, dem in einer Art von logischem Ekel vor der Blödheit graust, beim Plaudern übers Älterwerden, Sex („Pornos sind videografierte Leistungsnachweise“), künstliche Intelligenz und Sport für das streng rational Gedachte und die virtuosen Wortklaubereien zuständig. Und der andere für die Emotionen.
Wenn von herben Schlägen ins Forever-Young-Gemüt die Rede ist. Wenn etwa „der Humus, in dem wir unser Weltbild pflanzen“, so Gunkl, „mitten im Leben plötzlich umgeackert wird“. Wenn sich die Hinweise häufen, dass der Tod naht. Der, so der Hu- morist, „nicht mit dem Fallbeil sondern mit der Hornhautraspel“ kommt.
BÜHNE
Kritik von Michaela Mottinger
Verplaudern ist Programm, das sagen die beiden auch gleich zu Beginn, wenn sie wie schon bei Teil eins das Publikum einladen, durch Einwürfe, Einwände, Fragestellungen auffällig zu werden. Das tut dies am Premierenabend im Wiener Stadtsaal natürlich nicht, weil, uff, man ist ohnedies überfahren von all den Bedeutungen, Begrifflichkeiten und Zueinander-Beziehungen, die Gunkl und Gerhard Walter inside out wenden.
Und dabei, wenn’s geht, noch um die eigene Achse drehen. „Herz & Hirn II – Fortset- zung der fortlaufenden Neuauflage“ heißen die neuen Über-Gott-und-die-Welt-Kom- mentare des Kabarett-Yin-Yangs, so genannt, weil Gunkl wiederum seine rationale Sicht auf die Dinge pflegt, während Walter ein Auge aufs Emotionale wirft.
Philosophiert wird über eigentlich eh alles, vornehmlich über Vergangenheit und Ver- gänglichkeit, sind die beiden Künstler mit Rund-um-die- doch in einem Alter, in dem sich die Zeit bereits davonverjüngt hat. Wobei die gute, alte das nicht unbedingt immer war, wie Gunkl sagt, je früher desto nicht besser. Und so geht‘s punkto Angegraut-Wer- den um Relationen und Größenverhältnisse, Logik und Wahrnehmung. Warum einem die alte Volksschule plötzlich kleiner, der Tennisplatz aber größer vorkommt? Weil man nicht nur in die Höhe, sondern auch in die .... jahaha ... gewachsen ist. Mitunter wird an diesem Abend die gar nicht so feine Klinge geführt, vor allem sich gegenseitig schonen die Freunde nicht. Allein die Vorstellung, im Kopf des anderen herumwirtschaften zu müssen, das würde hie aus wohlsortiertem Chaos Ordnung schaffen, dort hingegen – nicht auszudenken!
Gunkl, bekennender Aspergerianer, fühlt sich sichtlich wohl als Teil des Duos. Immer wieder huscht ihm ein Lächeln über die Lippen, wenn Walter seinem Temperament freien Lauf lässt. Dagegen setzt er die gelüpfte Augenbraue, für Gunkl-Kenner Sym- bol für seine sich gerade auf ihrem Höhepunkt befindliche schelmische Süffisanz. Und apropos, Orgasmus: Ums Thema Sex mäandert der Abend auch, etwa beim neuesten Trend Selbstheirat. Oder beim Du-Ned statt #MeToo. Um Sportarten wie Extrembü- geln, den Ärger mit einer Fliege im Auto – und die Frage, was denkt sich die, wenn man sie in Melk endlich beim Fenster rauswachelt? Jö, heut‘ bin ich aber weit gekommen? Um künstliche Intelligenz und fokussierte Unintelligenz. Um den Tod und ein Leben nach diesem. Das ist der Moment, an dem Satire in Sarkasmus kippt, wenn sich Gunkl & Walter ausdenken, ein sumerischer Ziegengott könne die gründonnerstäglichen Spi- natesser empfangen.
Und um eine Nahtod-Erfahrung beim Trivial Pursuit. Irgendeine erweiterte 2.0-Edition mit Gunkl-Schwester und -Nichte, die Gerhard Walter als ganz schön dazumal daste- hen lässt. Von wegen Digital Primitive oder so. Man merkt, hier wird ohne Rücksicht auf Verluste bis ins Privateste vorgedrungen. Werden Gedanken- und Geistesblitze vom Hundertsten ins Tausendste jongliert. Während Walter bei Halt-nur-so-Sätzen explodiert, beschreibt Gunkl seinen „logischen Ekel“, heißt: das Grausen, vor offen zur Schau getragener Blödheit. Der eine hat die Welt gern schön, der andere lieber richtig, aber zusammen haben sie’s richtig schön. „Man kann das Leben von außen betrachten, aber man muss es von innen leben“, sinniert Walter. In „Herz & Hirn II“ können Gunkl & Walter beides, Außenbetrachtung und Innenschau, beide humorvoll, hinterlistig und hochgescheit.