Ein bizarrer Genremix: Einerseits schwarzer Humor und viel Blut, andererseits wunderschöne Bilder. Unwiderstehliche Loser-Typen sowie die liebenswürdigste Polizistin der neueren Krimigeschichte
https://www.youtube.com/watch?v=h2tY82z3xXU
USA/GB 1996; Regie & Buch: Joel & Ethan Coen; Kamera: Roger Deakins; Darsteller*innen: Frances McDormand, William H. Macy, Steve Buscemi, Peter Stormare u.a. 97min; OMU
KARTENAUSGABE AB 19:00 // SAALÖFFNUNG: 19:30 // FiLMSTART: 20:00
Ein Meisterwerk des schwarzen Humors schufen die Brüder Joel und Ethan Coen („Arizona Junior“) mit dem preisgekrönten Thriller „Fargo – Blutiger Schnee“. Erzählt wird die Geschichte einer fingierten Entführung, die auf blutige Weise schiefläuft. Lediglich eine findige Polizeichefin behält den Überblick angesichts einer ganzen Reihe brutaler Mordfälle, die den winterlichen Frieden Minnesotas erheblich stören. Der Autoverkäufer Jerry Lundegaard (William H. Macy) steckt in finanziellen Schwierigkeiten, und die Steuerbehörde sitzt ihm bereits im Nacken.
Wie soll er in kürzester Zeit an eine große Summe Geld kommen, ohne daß sein Arbeitgeber (und Schwiegervater) seinen Betrügereien auf die Spur kommt? In seiner Not verfällt Jerry auf einen perfiden Plan: Er läßt seine dümmliche Ehefrau Jean (Kristin Rudrüd) von zwei Kleinkriminellen entführen, um von seinem Schwiegervater Wade (Harve Presnell) die stattliche Summe von einer Million Dollar zu erpressen. Leider stellt sich schon bald heraus, daß die beiden Ganoven Showalter (Steve Buscemi) und Grimsrud (Peter Stormare) nur wenig intelligenter sind als ihr ahnungsloses Entführungsopfer. Während einer nächtlichen Routinekontrolle der Polizei gehen dem hünenhaften Grimsrud die Nerven durch, und kurz darauf zieren drei Leichen den frischgefallenen Schnee von Minnesota.
Kein leichter Fall für die resolute Polizeichefin Marge Gunderson (Frances McDormand), die am nächsten Morgen mit dem blutigen Malheur konfrontiert wird. Als ob die morgendliche Übelkeit der schwangeren Polizistin nicht schon genug zu schaffen machen würde. Ruhig und bedächtig macht sich Marge an die Aufklärung dieser ungewöhnlichen Morde, und ihre untrügliche Spürnase führt sie schon bald ins Büro eines nervösen Jerry Lundegaard. Der muß nämlich inzwischen feststellen, daß sein schöner Plan immer weiter aus dem Ruder läuft, da sich seine Auftragskidnapper als stümperhafte Mörder entpuppt haben. Doch nun ist es zu spät, das ganze Unternehmen noch zu stoppen. Schwiegervater Wade mischt sich höchstpersönlich in die geplante Geldübergabe ein, und bald landet eine weitere Leiche im Schnee von Minnesota.
Diese Geschichte basiert auf wahren Begebenheiten, behaupten die Coen-Brüder im Vorspann ihres sechsten gemeinsamen Spielfilms, doch die beiden Spezialisten des abgründigen Humors wären nicht sie selbst, hätten sie aus den vorgefundenen Tatsachen nicht ihre ganz eigene Geschichte gemacht. Und so ist in diesem rabenschwarzen Thriller denn auch von Anfang an nichts so, wie man es zunächst erwartet. Der teuflische Plan eines kleinen Autoverkäufers wird nach und nach durch eine Reihe von Zufällen und menschlichen Unwägbarkeiten ad absurdum geführt, denn: Die coolen Kidnapper verwandeln sich in neurotische Killer, der harmlose Familienvater entwickelt eine erstaunliche kriminelle Energie, und die vorgeblich harmlose Chefermittlerin mausert sich zu einem weiblichen Sherlock Holmes.
In ihrer Heimat, dem scheinbar so friedlichen, winterlich verschneiten Minnesota, haben die Coen-Brüder ihre monströse Geschichte um Gier und Gewalt, die Macht des Zufalls und der Dummheit angesiedelt. Der Kontrast könnte nicht größer sein zwischen der immer etwas naiven, gottergebenen Gelassenheit der Einheimischen und der explosionsartig ausbrechenden Brutalität, mit der die Bewohner dieses verschlafenen Landstriches konfrontiert werden. Und genau aus diesem Gegensatz schöpfen die Coen-Brüder ein ums andere Mal ihren lakonischen Witz, aber auch ein kaltes Grausen, das nicht nur mit den frostigen Temperaturen des Schauplatzes zusammenhängt. Zwei Oscars für das beste Drehbuch und die beste weibliche Hauptrolle (Joel Coens Ehefrau Frances McDormand) konnten die Brüder 1996 mit ihrem düster-komischen Gangsterdrama ergattern.
Auf den Filmfestspielen in Cannes erhielten sie für „Fargo“ den begehrten Regie-Preis. Ihnen ist künstlerisch ein großer Wurf gelungen, der von Kritik und Publikum gleichermaßen honoriert wurde.