Offensichtlich bietet eine Stadt wie Chemnitz, die wie kaum eine andere in Deutschland für Brüche und Spannungen steht, einen guten Nährboden für künstlerische Aktivitäten. INDIE - POP RISING STARS!
Die Band BLOND liefert mit ihrem Debüt-Tonträger „Martini Sprite“, mit ausschließlich deutschen Lyrics, die Zustandsbeschreibung einer unruhvollen ostdeutschen Jugend.
In atemberaubender Geschwindigkeit verwandelte sich die Kinderzimmerformation Blond, bestehend aus Lotta Kummer, Nina Kummer und Johann Bonitz, in eine veritable Showgröße.
Die Kombination aus verschiedenen, scheinbar unvereinbaren Welten ist sowohl inhaltlich als auch in der Live-Performance eine BLOND-Spezialität und bietet den sogenannten Las Vegas Glamour. Themen wie Mansplaining, Generation Tinder, Raststättenromantik und üble Regelschmerzen liegen in ihrer Bedeutung für die Band gleich auf und werden feministisch betrachtet, ohne das Wort „Feminismus“ einmal zu benutzen. Formationstanz und Rapgesang, Powerpop und Zauberkunst gehören bei Bühnen-Auftritten schon lange zusammen.
Nach unzähligen Konzerten, ausgiebigen Touren, unter anderem mit AnnenMayKantereit, Kraftklub, Zugezogen Maskulin und Von Wegen Lisbeth, Festival-Auftritten auf dem MS Dockville, dem Kosmonaut und dem Puls Open Air sowie einigen Single-Releases, beschlossen die dynamischen Drei, endlich ihr Debüt-Album aufzunehmen.
Nina Kummer (vox, guit)
Johann Bonitz (bass, synth)
Lotta Kummer (drums, vox)
SPIEGEL KULTUR:
"Hallo, wir sind Blond, Musik ist unser Leben. Das ist unser Album, wir haben uns Mühe gegeben": Klare Ansage gleich im Intro dieses Debüts aus Chemnitz. Gut zuhören sollen wir und dem Trio eine Chance geben, heißt es weiter über charmante Old-School-Beats. Aber gerne.
Zumal Blond eh schon längst einen Stein im Brett haben, oder besser gesagt: Spinat zwischen den Zähnen. Darum ging es 2017 in ihrer frühen Single "Spinaci". Damals haben wir nichts gesagt, aber jetzt muss es raus: Diese Band der Schwestern Lotta und Nina Kummer (plus Bassist Johann Bonitz) ist ganz schön cool, da muss man noch nicht mal groß auf den ostdeutschen Avantgarde-Familienhintergrund rund um die AG Geige oder die Rock- oder Rap-Aktivitäten der Kummer-Brüder Felix und Till bei Kraftklub hinweisen. Blond können (und sollten) ohne diese Verweise bestehen, und dafür liefert "Martini Sprite" einige überzeugende Belege.
Gitarren-Vollen: "Ich habe eine gute Zeit, und genau dann kicken meine Tage rein", singt Nina über das blutige Date am Badesee in "Es könnte grad nicht schöner sein". Aber die vermeintliche Peinlichkeit wird in einen feministischen Girlie-Impetus übersetzt: "Zieh dir unseren gottverdammten Zyklus rein, in diese Gang kommen keine Typen rein." Vier Stunden Schmerzen im Flixbus werden zur Ermächtigungs-Pose: "Glaub mir, die Periode ist kein Luxus". "Thorsten" geißelt mit ebenso zackigen Gitarrenriffs die Themen "Mansplaining" und Patriarchat, "Match" handelt vom tristen Tinder- und E-Dating-Alltag: "Trotz Elf-Minuten-Parship-Garantie bin ich wieder nicht, und wieder nicht verliebt". Der Track "Sie" thematisiert die allgegenwärtige Angst vor Vergewaltigung auf der Straße mit bitterer Lakonie: "Ein ganz normales Leben jeden Tag, doch dank dir bin ich im Arsch". Autsch.
So geht es rhetorisch maximal angespitzt weiter, ob es ums Unterbewusstsein, die alte Sau, geht oder um Klimasünder in "Sanifair Millionär". Vor den meisten Refrains und Hooks gibt es kein Entkommen, und ähnlich unsubtil ist auch die Musik: Sie kann mal ein Funkmetal-Inferno entfachen, als hätten die Damen zu viele Extreme-Platten aus den frühen Neunzigern gehört. Dann wiederum tänzelt ein verspieltes House-Klavier durch den "Kälberregen" oder ein bassdominanter Post-Punk drängt auf den kranken "Hit". Alles in allem ein ziemlich schräges, letztlich aber zwingend unverschämtes Power-Pop-Hybrid aus Lassie Singers, Tic Tac Toe und Schnipo Schranke. Aber natürlich blond, versteht sich. (Andreas Borcholte)