Eine schroff-alpine Version des afro-amerikanischen Gospels, klassische Erlösungsmusik für sündige Almbewohner, die im Flachland sicher ebenso reüssieren wird wie oben auf dem Berg. (Karl Fluch / Standard)
Man denke: Eine schöne Landschaft. Man denke Straßen, die sich durch Täler bahnen, man denke Liftschneisen und Pistengeräte nachts am Berg, man denke Chalets und dampfende Pools, man denke Heimatstuben. Man denke Liebe zur Landschaft, man denke Liebe zum Geld.
Paul Plut tritt gegen eine Kirchenbank. Es ist die gleiche Bank, deren Ächzen 2016 Pluts Debütalbum „Lieder vom Tanzen und Sterben” eröffnete. Von hier aus setzt der Musiker, Komponist und Texter seinen Weg fort und geht, bis er unbekanntes Terrain erreicht.
10 Lieder umfasst das zweite Album „Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse”. Plut arbeitet sich darauf an der Landschaft des steirischen Hochgebirges ab und umkreist dabei das grundlegende Thema seiner Herkunftsregion: Die Bezwingung und Monetarisierung der Natur. Sein Zugriff ist transzendental, behält dabei aber politische Schlagkraft.
Der Ramsauer führt die Hörer*innen durch ein Ritual, das um das Wesen des menschlichen Daseins kreist. Dialekt-Gospel, der die Verflochtenheit von Leben und Tod, Vorbestimmtheit und Widerstand, Verderbnis und Mitgefühl zeigt.
Julian Pieber (Schlagzeug)
Marie Pfeiffer (Kontrabass)
Paul Plut (Gitarre, Gesang)
Musik und Text von Paul Plut / Produziert von Paul Plut und Julia Hager
Jedes Denkmoi wird eingüllt, Tarnnetze gnaht
Für mei Familie würd i ois toa
I erschrick bei dem Gedanken
Du zynische, vafluachte, zum Sterben schene Wöt
Wo i abstamm, abstumpft, vergiss, mi arrangier, verlieb
Wo i mei Kindheit abstreif, wie a oite Haut
Da Himmi ghert uns nit. Unsere Kinder ghean uns nit. Des Lond ghert uns nit. Die Grenzen ghean uns nit. Die Zeit gheat uns nit. Die Sö gheat uns nit. Die Felder, des Meer, des Leben gheat uns nit
Weg mit deine öligen Händ, mit deim schmierigen Gsicht
Für die Zeitung do schwenkst a Fahndl göb-blau
Kimm tua, do geht mehr, pump, pump, wir brauchen mehr, mehr
Damit ma mehr Scheißdreck produzieren
Damit ma mehr Scheißdreck konsumieren
Bis jeder Tropfen Wossa, jeder Flecken Erd, jedes Hirnkastel, mit Scheißdreck zuadeckt is
Mei Kind verweigert in Mittagssschlof
Mei Oma bricht si’n Oberschenkel
Mei Schwester hot ihrn ersten Freind
Mei oita Freind kriagt a Kind
Es is gsund
I setz Gurkenkern in d’ Erd
Schau noch wie der Vogel hoaßt
Mir tuat immer no da Schädel weh
Von de boa Bier vor a poor Tog
I gspiah an neien Menschen
Wia a tritt, wie a wachst
Die Prognosen woan ganz anders
Wir wissen jetzt wira hoaßt
Mei oazigs Gwehr wor ois Hoiz
Zu Fasching ois Kind
Fuchs und Henn, Halma und Mühle
Korridore auf und zua
2 Millionen Menschen
Oana druckt an Knopf
A Haus wie unsers geht nieder
8 Stockwerk, 200 Zimmer
Auf jeder Seiten a Balkon
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In den Bergen braut sich ein Gewitter zusammen. Eine steinerne Kapelle ist der einzige Unterschlupf. Unter der Kirche liegen die Reliquien von Artmann, Cave, Jarmusch, Cohen. Der Priester steht mit dem Rücken zur versammelten Gemeinde. Er reißt die Arme in die Luft.
Paul Plut eröffnet seine Solokarriere – mit Liedern vom Ende. Mal auf bluesig arrangierten Feldaufnahmen, mal auf treibenden Noise-Gitarren kommt der düstere Dialekt-Gospel daher. Eine fiebrige Andacht, in der sich die Pole gefährlich nah kommen: Fliegen und Fallen, Stillstand und Ekstase, Tanz und Tod.
Mit seiner Deutschpop-Band VIECH und der Bluesrock-Maschine MARTA hat sich Plut in der österreichischen und süddeutschen Musiklandschaft schon über mehrere Jahre verdient gemacht. Im Alleingang zelebriert er Reduktion und überrascht mit großer Intimität. Die Sprache, die diese Unmittelbarkeit befähigt, ist der eigene Dialekt: »Österreichische Mundartmusik wirkt oft generisch und eindimensional. Positive Gegenbeispiele gehen selten über das Wienerische hinaus. Ich will das bestehende Spektrum der Dialektmusik um dunkle Varianten erweitern«, so der Künstler. Dargeboten wird das Ganze in Pluts Glasbeisserstimme, über die Karl Fluch (Der Standard) schreibt: »Die Stimme wirkt schon jetzt, als könnte sie Geschichten aus mehreren Kriegen erzählen.«
• „Ein Meisterwerk für alle Ewigkeit.” - Dominik Oswald, The Gap
• „Dialekttexte aus den tiefsten Teilen seiner Seele. Dass dich gleich einmal der Blues holt, und dann der Teufel.” - Fritz Ostermayer, Fm4
• „Lieder von der Schattenseite der alpinen Idylle.” - Christoph Hartinger, Krone
• „Hände falten, Gosch’n halten” - Das Wetter
• „Beklemmend intensiv” - NEWS