Es war nicht alles schlecht unter Gott.... Ein Kabarettprogramm zum Buch "BOUM" mit Hintergrundinformationen zu Lisa Eckharts Zeit in Paris, Klischees über den Franzmann, Erotik, Geschlechtskrankheiten & Mord.
Ein Kabarettprogramm zum Buch "BOUM" mit Hintergrundinformationen zu Lisa Eckharts Zeit in Paris, Klischees über den Franzmann, Erotik und Mord.
Aloisia, eine junge Österreicherin, kommt – der Liebe wegen – nach Paris. Die französischen Zeitungen berichten unermüdlich über einen Serienmörder. Le Maestro Massacreur bringt scheinbar wahllos Straßenmusiker um. Ein melancholischer Kommissar und der angesehene Terrorexperte Monsieur Boum ermitteln. Doch mit Clopin, dem König der Bettler, in dessen »Turm der Wunder« auch Aloisia rasch zwielichtigen Anschluss findet, hat niemand gerechnet.
BOUM ist Märchen, Horrorgeschichte, Erotikkrimi, Comic und Computerspiel in einem. Und er ist eine bitterböse Satire, vor der nichts und niemand sicher ist ...
Hören Sie, was Lisa Eckhart zum Programm sagt:
Joachim Leitner im Gespräch mit Lisa Eckhart - vor ihrem Auftritt tt im Herbst 2022 für die TT
Die Kabarettistin Lisa Eckhart plädiert für Höflichkeit und gegen das politisch Korrekte.
Die Kontroversen, die sie damit auslöst, verfolgt sie nicht. Heute Abend gastiert sie im Treibhaus.
2015 wurden Sie im Treibhaus österreichische Poetry-Slam-Meisterin.
Nun stehen Sie dort erstmals als Kabarettistin auf der Bühne.
Lisa Eckhart: Diese Poetry-Slam-Karriere, die hängt wie Pech an mir. Ich kann es auch den Moderatoren nie austreiben, auf diese Jugendsünden hinzuweisen.
Ich habe mich am Poetry Slam sozusagen hochgeschlafen – das ist nachträglich natürlich ein bisschen unangenehm.
Sie gelten, um ein Wort zu verwenden, das immer fällt, wenn man sich nicht die Finger verbrennen will, als „umstritten“. Ist es reizvoll, eine Reizfigur zu sein?
Eckhart: Im sexuellen Sinne: ja. Aber im Sinne der Provokation: nein. Ich greife die Provokationen auf, die rund um mich passieren, die wir in den Nachrichten sehen und in der Zeitung lesen. Und ich bringe sie humoristisch auf die Bühne. Ich empfinde mich als weit weniger provokant als meine gesamte Umwelt
Als „umstritten“ gelten Sie trotzdem.
Eckhart: Da sich heute kein Laib Brot findet, der nicht als umstritten gilt, verwundert mich das nicht. Die Menschen schlagen sich die Köpfe ein über extrem harmlose Figuren der Öffentlichkeit. Aber das ist nichts, von dem ich sagen könnte: Daran empfinde ich große Lust. Zumal diese Streitereien selten auf einem sprachlich spannenden Niveau passieren, das mich sonst vielleicht amüsieren könnte.
Diese Debatten haben etwas Folkloristisches, sie funktionieren nach dem immergleichen Muster: Eine Aussage wird aus dem Kontext gerissen, die einen schreien „Skandal“, die anderen „Cancel Culture“.
Eckhart: Es sind auch die immergleichen Protagonisten. Aber die Debatten gehen am Großteil der Menschen spurlos vorüber, weil die andere Probleme haben.
Der Kabarettist Oliver Polak hat im TT-Interview einmal gesagt, man müsse als Satiriker wissen, „wie weit man zu weit geht“. Gibt es in der Satire Grenzen des Sagbaren?
Eckhart: Ich bin ein großer Freund von Grenzen. Und ich bin ein großer Freund von Höflichkeit. Man kann sich darauf verlassen, dass ich niemanden kränken werde. Aber da sich viele Menschen sehr gerne gekränkt fühlen, kann ich auch nichts dafür, wenn Sinnfehler bei der Interpretation entstehen. Jeder möchte auf seine tägliche Schmerzdosis kommen – und die muss man sich mit winzigen Mikroaggressionen zusammensuchen.
Sie haben in diesem Zusammenhang von „boshaftem Missverstehen“ gesprochen.
Eckhart: Das gibt es nicht nur bei mir. Wo man hinschaut, passiert das. Ich lese nicht, was über mich geschrieben wird. Aber bisweilen kann man doch nur den Eindruck gewinnen, dass sich diese Kritiker ja auch gegenseitig zerpflücken. Ich würde darin gerne einfach nur plumpen Stumpfsinn sehen, aber manchmal mischt sich eben auch ein bisschen Boshaftigkeit rein.
Wie entkommt man dieser Spirale der Boshaftigkeiten?
Eckhart: Das Internet schließen, die sozialen Medien. Ich glaube, damit wäre allen geholfen. Ich bin der Beweis, dass es auch ohne geht. Wer meint, er bräuchte das für sein berufliches oder gesellschaftliches Fortkommen – er tut es nicht.
Sie haben davor gesagt, Sie lesen das, was über Sie geschrieben wird, nicht.
Eckhart: Ich möchte ja noch ein bisschen geistig bei Trost bleiben. Ich kann niemanden verstehen, der sich masochistisch da reinwirft. Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass ich mich selbst derart kritisch strafe, dass alle anderen und noch so boshaften Kreaturen mich im Vergleich damit schonen.
Inwiefern?
Eckhart: Es wird einfach sehr lange an allem gearbeitet, bis es den letzten Schliff hat, und es wird nichts hingeschludert oder hingeschlampt und es wird fünf- bis zehnmal überlegt, ob etwas ausgelutscht ist oder nicht. Weshalb gerade der Klischeevorwurf absurd ist. Aber manche Kritiker haben eben nichts anderes zur Verfügung als eingeübte Worthülsen, die sie dann verzweifelt um sich werfen. Ich nehm’s ihnen nicht bös.
Eine dieser, in Ihren Worten, Worthülsen ist der Hinweis darauf, dass politische Unkorrektheit Ihr Markenkern sei. Was stört Sie am politisch Korrekten, das ja von denen eingefordert wird, die marginalisiert werden.
Eckhart: Das würde ich bestreiten: Eingefordert wird Korrektheit von Privilegierten, die ein so schlechtes Gewissen plagt, dass sie gar nicht wissen, wohin damit. Was mich daran stört, ist der alttestamentarische Dogmatismus. Wie einem Kind wird einem gesagt, so hast du zu sprechen. Und wenn man fragt, warum, wird es nicht weiter erläutert. Ich vertraue auf die Menschen, auf ihren Verstand und ihre Vernunft – und darauf, dass die Menschen individuell ausloten können, wie man sich zu verhalten hat. Im Gegensatz zur politischen Korrektheit schätze ich die Diversität. Das ist etwas, worüber die Korrektheit einfach drüberbügelt. Es gibt keine Unterschiede, keinen Kontext. Für die Kunst ist das ein völliges Debakel. In diesem Kosmos der Korrektheit wird Sprache nur als etwas wahrgenommen, das Schmerzen zufügt. Als jemand, der mit Sprache arbeitet, weil er etwas Schönes erschaffen möchte, fühl’ ich mich da ein bisschen eingeschränkt.
In Innsbruck gastieren Sie heute mit dem Programm „Die Vorteile des Lasters“, das Sie ganz neu überarbeitet haben.
Eckhart: Vom ursprünglichen Programm hat sich der Grundgedanke erhalten: Es geht darum, dass die einzelnen kleinen Untugenden von gesellschaftlichem Nutzen sind. Auch meine kleinen Egoismen tragen zum Wohl der Menschheit bei. Ich fahre kein Auto, sondern nur Zug, ich kaufe meine Kleidung secondhand. Aber ich tu das aus niederen Beweggründen. Es passiert mir aus Egoismus.
Eigennutz als Weg zur Weltverbesserung?
Eckhart: Es ist, wie es Slavoj Žižek nennt, der „Mut der Hoffnungslosigkeit“, der im Programm durchblitzt. Als Weltverbesserung würde mir schon reichen, wenn ein bisschen mehr Freude und Lächeln in die Welt käme – und wir uns zumindest lachend auf die Katastrophe zubewegen und der Explosion nicht auch noch mit griesgrämigem Gesicht beiwohnen.
Das Gespräch führte Joachim Leitner
INTERVIEW. Lisa Eckhart sorgte wieder für ein paar Debatten im Feuilleton. Die Kabarettistin, die mit "Omama" auch ihren ersten Roman vorlegt, im Interview über Kritik, Großmütter und die Wahrheit der Kunst.
Sie haben Ihre Karriere als Poetry-Slammerin begonnen. „To slam“ bedeutet zuschlagen. Sie schlagen als Künstlerin gerne zu, lieben die Provokation. Ist Ihr Lohn dann das Entlarvende auf die Reaktionen?
LISA ECKHART: Nicht ich, sondern die Satire liebt die Provokation. Der Lohn ist der Applaus und nicht zuletzt die Gage.
Lisa Eckhart ist jetzt – nicht zum ersten Mal – zum „Fall Eckhart“ geworden. Was überwiegt: Wut, Unverständnis oder Angst, dass Ihr erster, soeben veröffentlichter Roman „untergehen“ könnte? Und wie dick ist Ihre Haut, wenn Sie angegriffen werden?
Es kommt immer darauf an, von wem man angegriffen wird. Ob jemand zu mir hinauf- oder zu mir hinuntertritt. Ersteres ist aussichtslos. Die über mir sind überschaubar. Deren Urteil höre ich mir an. Ich kann sie dann im Nachhinein noch immer für verrückt erklären.
Die Polarisierung Ihrer Person findet ihre Fortsetzung. Freut Sie das oder leiden Sie auch darunter? Von der AfD „missbraucht“ zu werden, ist ja nicht gerade lustig, oder?
Das klingt immer mehr nach einer Therapiesitzung. Ich weiß, dass Leiden sehr en vogue ist, doch dafür hab ich momentan wenig Zeit. Und „missbraucht“ hab ich mich ehrlich gesagt noch nie gefühlt. Besonders nicht in diesem Falle. Das hört sich für meinen Geschmack ein bisschen zu sexuell an angesichts des doch recht unerotischen Anlasses.
Ihr Fall wurde auch zur Feuilleton-Diskussion darüber, wie frei die Kunst sein muss, darf oder soll. Wie kommentieren Sie selbst die „Ausladung“ vom Literaturfestival in Hamburg und die Debatten über Ihre Auftritte?
Das lasse ich andere kommentieren. Viele tun das schrecklich gerne, und mir liegt nicht viel daran. In Kommentarspalten kriege ich Platzangst. Auf der Bühne ist es viel geräumiger.
Können Sie nachvollziehen, dass Menschen Probleme mit Ihren Aussagen, Ihrem Humor haben und dass eben der Vorwurf im Raum steht, dass Sie antisemitische und auch andere Klischees bedienen? Zeigt sich jetzt nicht, dass das ein gefährliches Spiel ist – oft aus dem schlichten Grund, weil es die Menschen nicht verstehen oder eben sagen: „Das ist nicht witzig.“?
Das mag sein, dass manche Probleme mit meinem Humor haben. Andere haben Probleme mit Laktose. Das ist natürlich schade, doch diese Menschen haben gelernt, einfach Milchprodukte zu meiden. Sie wettern deshalb nicht gegen Kühe. Aber natürlich bleibt es gefährlich. Ich bin professionelle Satirikerin. Das ist mindestens so riskant wie das Handwerk eines Pyrotechnikers. Was ich auf der Bühne tue, sollten Sie nicht zu Hause nachmachen.
Ist die Situation nicht absurd? Sie – im Grunde wohl eher „links“ positioniert – werden von „den Linken“ bekämpft und von den Rechten gibt’s Schützenhilfe.
Sie haben schon recht, „die Linken“ in Anführungszeichen zu setzen. Von Altlinken nämlich ist mir keine Kritik bekannt. Was die Kritiker nun „links“ macht, könnten mir diese wohl nur mit Müh und Not erklären. Dazu gehört ein bisschen mehr, als schlichtweg kein Rassist zu sein.
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DIE ZEIT 8.8.2020
Eine Lesung mit der Komikerin Lisa Eckhart wurde abgesagt, es habe Drohungen von Linken gegeben. "Cancel Culture!" schallte es. So geht eine Gespensterdebatte.
Ein Kommentar von Dirk Peitz
Gespenster haben ein paar unangenehme Eigenschaften. Sie sind zum Beispiel Wesen, deren Existenz sich weder letztgültig beweisen noch widerlegen lässt. Man schreckt in tiefster Nacht im Bett hoch, weckt die womöglich neben einem friedlich schnarchende Person und ruft angsterfüllt: Hörst du das auch? Doch der andere hört natürlich nichts. Schlimmstenfalls tratscht er die Begebenheit weiter, dann wird man zum Dorfgespräch, das sich irgendwann nur noch um die Frage dreht: Spukt es in dem verfluchten Haus und womöglich bald überall bei uns – oder spukt es bloß im Kopf dieses einzelnen Mitmenschen?
Die sogenannte Cancel Culture ist ein Gespenst heutiger Tage. Es besteht im Wesentlichen aus dem Gerücht, dass Menschen mit missliebigen politischen Ansichten heutzutage ausgegrenzt würden bis hin zur Vernichtung ihrer beruflichen Existenz. Wer wen warum angeblich cancelt, ist eine komplizierte Sache, ebenso wie der Nachweis, dass Cancel Culture wirklich am Werk war oder ist. Aber recht häufig wird einer wie auch immer konstituierten Linken eine heftige Cancel-Neigung unterstellt.
Die österreichische Komikerin Lisa Eckhart nun soll ein Opfer dieser Cancel Culture sein. Das sagt die 27-Jährige nicht selbst, denn sie spricht in der Öffentlichkeit nicht über das, was ihr so widerfährt, sondern verständlicherweise lieber über ihre Kunst. Zu der wird nach Bühnenprogrammen bald auch ein Roman mit dem Titel Omamagehören, der am 17. August erscheint. Die bereits mit verschiedenen Kabarett- und Poetry-Slam-Preisen ausgezeichnete Eckhart beweist auch als Schriftstellerin Talent, und so wurde sie als Autorin zum sogenannten Debütantensalon beim Harbour Front Literaturfestivaleingeladen, das im September in Hamburg stattfinden wird. Acht junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller konkurrieren dort um den Klaus-Michael-Kühne-Preis und lesen an vier Abenden je in Zweierpaarungen aus ihren Büchern.
Eckhart ist, was man leichthin "umstritten" nennt. Unter anderem wegen eines Auftritts vor zwei Jahren in der WDR-Kabarettsendung Mitternachtsspitzen, wo sie einen satirischen Zusammenhang herstellte zwischen prominenten Sexualstraftätern wie Harvey Weinstein und deren jüdischen Glauben. Die durchaus viel diskutierte Frage dabei war, ob Eckhart antisemitische Witze gemacht habe oder mit ihren Witzen antisemitische Stereotype sichtbar gemacht habe, also aufklärerisch tätig gewesen sein könnte.
Im Fall von Eckharts Debütroman nun versuchte das Harbour Front Literaturfestival zunächst, die missliche Situation der nicht mehr stattfinden könnenden Doppellesung dadurch aufzulösen, dass man Eckhart einen Soloabend geben wollte. Der Veranstalter, der um die Ecke der altbekannten Hafenstraße gelegene Nochtspeicher, jedoch weigerte sich dann, den Abend mit Eckhart abzuhalten. Die Begründung war, man fürchtete, in dem "bekanntlich höchst linken Viertel" könne es zu Protesten gegen den Auftritt kommen. Der Spiegel zitierte aus einem internen Mailverkehr, der Nochtspeicher könne die "Sicherheit der Besucher und der Künstlerin" nicht gewährleisten. Und: "Wir haben in den letzten Tagen bereits aus der Nachbarschaft gehört, dass sich der Protest schon formiert." Die Organisatoren des Festivals kontaktierten daraufhin offenbar Eckhart mit der Bitte, sich aus dem Wettbewerb zurückzuziehen. Das lehnte diese angeblich ab. Daraufhin lud das Festival sie aus.
Und so erschien der Geist der Cancel Culture, der in Hamburg zuvor nur kurz um die Ecke gelinst hatte, in seiner ganzen medialen Astralkörperpracht. Der FAZ gegenüber sagte der Festivalchef und Verleger Nikolaus Hansen, der Nochtspeicher habe "Drohungen des 'Schwarzen Blocks' der Antifa" erhalten. Hansen sagte der FAZ zudem: "Mich erinnert das an Weimarer Verhältnisse. Wir weichen einer Gewalt, aber es gibt auch keinen eleganten Weg, der Gewalt nicht zu weichen." Die Absage, kommentierte der FAZ-Medienredakteur Michael Hanfeld, sei "ein Menetekel". Der Schwarze Block bestätige "Unkenrufe" in Eckharts eigenen Auftritten über die sogenannte Political Correctness (das ist das ältere Geschwistergespenst der Cancel Culture, es sagt auch sehr laut Hui-Buh). "Dass der Verleger Hansen 'Weimarer Verhältnisse' aufruft, sagt alles", so Hanfeld. Aber was?
Der Tagesspiegel veröffentlichte unter der Überschrift "Wie die Wächter über das Sagbare die Redefreiheit einschränken" einen Kommentar, der Eckharts Ausladung als jüngstes Beispiel dafür präsentierte, dass nun auch in Deutschland "aus Fäusten Argumente gemacht" würden: "Mit aggressiven Methoden sollen politische Widersacher zum Schweigen gebracht werden. Es trifft Linke wie Rechte. Kontinuierlich wird der gesellschaftliche Diskussionsraum verkleinert." Der Autor des Textes, Malte Lehming, listete verschiedene vermeintliche Fälle von Cancel Culture auf, neben Eckhart noch Dieter Nuhr, Bernd Lucke, Achille Mbembe und Thilo Sarrazin. Der Autor gab zwar zu, damit "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen. "Doch in ihrer Gesamtheit nähren die Fälle den Verdacht, dass das Beil immer öfter und schneller fällt, weil selbsternannte Scharfrichter erbarmungslos urteilen. Und weil die, die ihnen die Stirn bieten, weniger werden."
Dieter Nuhr, in dessen ARD-Sendung Nuhr im Ersten Eckhart wiederholt aufgetreten ist und dem gerade in Gestalt der Deutschen Forschungsgemeinschaft das Cancel-Culture-Gespenst erschienen ist, bezeichnete Eckharts Ausladung auf Facebook als "Auftrittsverbot" und qualifizierte es als "totalitäre Maßnahme": "Was für ein Skandal! Der Protestmob auf der Straße entscheidet also darüber, wer hier bei uns seine Kunst ausüben darf."
Und in der Welt schrieb Henryk M. Broder unter dem, wie sich bei der Lektüre herausstellt, dann nicht eingelösten Überschriftsversprechen "Ich weiß, wie der Fall Lisa Eckart weitergeht" vom vermeintlichen Voranschreiten der Cancel Culture; "das Gespenst der Political Correctness" – Ha! – feiere "seinen nächsten Sieg". Broder: "Jetzt warten wir ab, wie die Sache weitergeht. Wie viele der Künstler, die am Harbour Front Festival teilnehmen, sich mit Lisa Eckhart solidarisieren werden und wann in der taz der erste offene Brief erscheint, in dem zum Boykott des Festivals aufgerufen wird."
Es muss aber womöglich gar nicht weiter abgewartet werden. Denn eine neue Pressemitteilung des Veranstalters Nochtspeicher enthält nun eine kleine, aber nicht ganz unwesentliche Klarstellung der Ereignisse: Die Absage der Veranstaltung sei nach "besorgten Warnungen aus der Nachbarschaft (nicht, wie inzwischen kolportiert, 'Drohungen')" erfolgt. Wer da wie warum und aufgrund welcher möglichen Hinweise vor was genau gewarnt hat, ließ sich nicht unmittelbar herausfinden, auch Veranstalter haben ein Wochenende.
Wenn es aber gar keine Drohungen des "'Schwarzen Blocks' der Antifa" (FAZ) gab, also keine "selbsternannten Scharfrichter" (Tagesspiegel) beilschwingend unterwegs waren, der "Protestmob" (Dieter Nuhr) nicht "auf der Straße" war, sondern womöglich in den Sommerferien weilt, dann haben wir es ja vielleicht wirklich mit einem "Gespenst" (Henryk M. Broder) zu tun. Das zum Beispiel aus der Anrufung vermeintlicher "Weimarer Verhältnisse" (Nikolaus Hansen) besteht, die als Schreckgespenst allerdings durch fast jeden apokalyptisch gestimmten politischen Diskurs in Deutschland geistern. Zumeist ohne näher definiert zu werden. Außer dass am Ende da irgendwie immer Hitler steht.
Das kann einem schon Angst einjagen. Also: Dass man an die Existenz eines Gespenstes so sehr glauben kann, dass man mit Schilderungen über das Unwesen, das es vermeintlich treibt, das Dorfgespräch derart bemühen kann. Der Witz an Gespenstern ist nun aber dieser: Es ist völlig egal, wenn man ganz viel über sie redet, es belegt ihre Existenz nicht einen Deut mehr, es macht ihre Existenz nicht einmal wahrscheinlicher. Es spukt dann bloß in mehr Köpfen.