treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

MARKUS KOSCHUH: INNS' STINKTS. BiLANZ ZU 5 Jahre Gemeinderatskäse - reloaded

Das Klima im Innsbrucker Rathaus ist dermaßen kaputt, dass sich nicht einmal mehr Klimaaktivisten finden wollen, die sich an den Bürgermeisterbalkon kleben. Die Chance auf Errettung ist gleich Null. Wundert's wen? Nach zwei Mal Olympia ist Innsbruck seit Jahren Austragungsort der 1. Hackl-ins-Kreuz-hau-Weltmeisterschaft. Wer kann wen nicht riechen - und warum, weshalb und so? Das erste reine Landeshauptstadtprogramm von Markus Koschuh mit dem Riecher für Vieles, das zum Himmel stinkt. für Nicht-Innsbrucker&Innen inklusive Aha-Effekt, für Innsbrucker&Innen gibt's Kopfwehtabletten, solange der Vorrat reicht. INNS' STINKTS - Die kabarettistische Sondersitzung zu 5 Jahren Gemeinderatsqual oder auch die „Willi oder will i nit“-Bilanz zu 5 Jahren grünem Kaktus in 6020Provinnzbruck, tief fliegenden Hackln, Fouls und Versagen. Featuring „Freies Spiel der Kräfte“. Lachen hilft – wir haben keine andere Wahl.

PREMIERENKRITIK von JOACHIM LEITNER TT

Städtisches Polit-Theater  - Markus Koschuhs satirische Sondersitzung im Treibhaus
Wenig überraschend erschütternd: Satiriker Markus Koschuh blickt in die Abgründe des Innsbrucker Gemeinderats.

Innsbruck
Im Innsbrucker Treibhaus wird dieser Tage ein Trauerspiel gegeben. Am tagespolitischen Kleinklein und Gernegroß interessierte oder anderweitig schmerzbefreite Innsbruckerinnen und Innsbrucker kennen den Inhalt der Tragödie bereits.
Genau genommen ist es sogar eine doppelte Tragödie, die gespielt wird: Der Satiriker Markus Koschuh nimmt sich im mit heißer Nadel dem Politalltag hinterhergeschriebenen Programm „Inn’s stinkts“ den inzwischen chronisch dysfunktionalen Innsbrucker Gemeinderat vor. Und besagter Gemeinderat beweist bei so ziemlich jeder Zusammenkunft, dass den realen Vorgängen mit Satire nicht mehr beizukommen ist.

Vom Kabarettisten zum Chronisten
Um dem landeshaupt- und vermeintlich weltstädtischen Politikbetrieb gerecht zu werden, wird Koschuh vom Kabarettisten zum Chronisten. Auf der von Gemeinderatsprotokollen kunstvoll gerahmten Bühne arbeitet er sich durch solche. Erfinden oder zuspitzen muss Koschuh diesmal wenig. Für Knall- und „Knalltüteneffekte“ sorgt das auf Wunsch auch nicht gegenderte Material, das Koschuh in einer Fleißarbeit sondergleichen zusammengetragen hat. Das freie Spiel der Kräfte spielt alle Stückln. An manches Drama, an die großen, sprich besonders kostenintensiven, an Hausbergbahnprojekte oder von Bla-Bla-Planungsgruppen begleitete Bla-Bla-Platzgestaltungsabsichten beispielsweise, erinnert man sich.
Anderes Stückwerk hat man, ob der Abwahlanträge ohne Zahl, vielleicht schon wieder vergessen. Oder sicherheitshalber verdrängt. Dass besonders geschäftsordnungsbeflissene Volksvertreter mit paragraphenhöriger Vehemenz schon mal Ordnungsrufe für sich selbst fordern zum Beispiel.

Die bislang jüngste Tieffliegerposse, die im Hohen Haus gespielt wurde – eine sexismusschwangere, sozial-gerechte Brüllkoalition gegen werktätige Mütter und alkoholfreie Biere –, thematisiert Koschuh szenisch. Er leitet seine Sondersitzung im am Premierenabend ausverkauften Treibhausturm nach einem Schluck aus dem Null-Promille-Flascherl mit liebevoll geherzter Säuglingsattrappe im Tragetuch. Für manchen Abgrund fehlen selbst geübten Satzdrechslern die Worte.
Danach wird Millionengrab-Millionenshow gespielt – eher dreiviertellustig und daher erschreckend nah am Original im ORF-Fernsehhauptabend – und das Was-bisher-geschah abgesteckt: Innsbruck hat 2018 gewählt, der Bürgermeister ist grün, die Koalition bunt – und schon ziemlich bald keine mehr. Dafür gibt es inzwischen nicht amtsführende Vizebürgermeister und gleich mehrere amtsführende Ex-Vizebürgermeisterinnen. Warum alles kam, wie es kommen musste – und inzwischen wenig bis nichts mehr geht, dieser Frage will Markus Koschuh nachgehen.
Antwortansätze sucht er im Feld angewandter Esoterik. Nicht ins Glas wird hier geschaut, sondern in die Glaskugel. Stehen die Gründe fürs Demokratiedesaster in den Sternen? Oder im Sandkasten, wo heute Amtstragenden der Matschkuchen zertätscht wurde. Die Situation jedenfalls ist verfahren. Koschuhs Nacherzählung gut dokumentierter Vorkommnisse macht fassungslos. Man leidet mit. Wie es sich – jedenfalls nach Lessing – für eine gute Tragödie gehört. Und man lacht. Über den Irrwitz des Erzählten. Und manchmal aus Verlegenheit. Am Ende, nach Gesangseinlagen und anderem Kasperltheater, spendet das Premierenpublikum stehenden Beifall. Sesselkleber gibt es ja andernorts schon genug.

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