Die musikalischen Ideen sind von imposanter Spieltechnik ebenso geprägt wie von Ideenreichtum & einer geradezu schwelgerischen Improvisationsfantasie. Er feiert Premiere bei ECM / Manfred Eicher.
Die Improvisationsszene Israels dringt immer nachhaltiger ins Bewusstsein des internationalen Jazzpublikums – und das ist nicht zuletzt ein Verdienst des Bassisten Avishai Cohen. Seine Trios hat er stets mit grandiosen Pianisten bestückt, so beispielsweise auch mit einem Tastenvirtuosen aus Tel Aviv namens Nitai Hershkovits. Bei seinem letzten Konzert im Treibhaus präsentierte Avishai Cohen: das israelische Jahrhunderttalent am Piano.
NITAI HERSHKOVITS nutzt das Handwerkszeug seiner klassischen Ausbildung ebenso wie Erfahrungen mit der Jazztradition, um eigene kreative Wege zu gehen.
Die sind von imposanter Spieltechnik ebenso geprägt wie von motivischem Ideenreichtum und einer geradezu schwelgerischen Improvisationsfantasie. Dass Nitai Hershkovits sich dabei des einen oder anderen Versatzstücks seiner heimatlichen Musikkultur bedient, sorgt für exotische Pastelltöne im reichen, aber nie überladenen Klangbild seiner Soloauftritte.
»Call on the Old Wise« ist Nitai Hershkovits' erstes Album für ECM, das seinen kraftvollen pianistischen Einfallsreichtum in einem weitgehend improvisierten Solosetting präsentiert. Nitais Improvisationen entfalten sich wie Kompositionen, die in Echtzeit entstehen: »Es ist, als würde ich mit mehreren Musikperioden gleichzeitig spielen, aber in einer Art Augmented-Reality-Umgebung«, erklärt Nitai. »Für mich ist das Album wie eine Reise, auf der man in einem Wimpernschlag mehrere unterschiedliche Erfahrungen macht. Als würde man durch Rahmen springen, die verschiedene Bilder enthalten, oder durch Fenster in verschiedene Welten schauen.« »Call on the Old Wise« folgt auf »Isabela« und »Here Be Dragons«, wo Nitai als Mitglied des Quartetts von Oded Tzur zu hören war.
Das Album ist teilweise Nitais ehemaliger Klavierlehrerin Suzan Cohen gewidmet, bei der er in Jerusalem studiert hat und die laut Nitai die Mentorin ist, auf die der Begriff »weise« im Titel der Platte anspielt. Die Stücke »The Old Wise«, »Of Mentorship« und »For Suzan« beziehen sich direkt auf sie. Nitai schöpft jedoch aus weitreichenden Einflüssen, die von seiner Arbeit in Jazzkontexten über innovative zeitgenössische Erkundungen bis hin zu seinem Hintergrund in der klassischen Musik reichen. Diese makellose Ausgewogenheit der Idiome führt zu einer Fülle von Farben und Klangfarben, die von einem Pianisten erkundet werden, dem es gelungen ist, seine ganz eigene Stimme als Improvisator und Formgestalter zu formen.
Bei seinem Improvisationsansatz geben Formen und Texturen die Richtung für die Entwicklung des Materials vor, wie er anmerkt: »Ich möchte mich nicht auf eine bestimmte Tonart oder Taktart festlegen, sondern mir die Freiheit lassen, die Dinge in Echtzeit immer wieder neu zu bewerten und sie aus einer neuen Perspektive zu sehen. Das ist auch der Grund, warum ich versucht habe, mit so wenig vorgefassten Ideen wie möglich in die Session zu gehen.« Angesichts dieses spontanen Schaffens ist es erstaunlich, wie vollständig geformt sich viele der miniaturhaften Designs auf dem Album entfalten. Nitai erwähnt so unterschiedliche Inspirationen wie Chick Corea und die russischen Komponisten Rachmaninow und Skrjabin, die ihn bei diesem Prozess geleitet haben.
Das Album wurde 2022 im Auditorio Stelio Molo in Lugano aufgenommen. Die spezifischen akustischen Eigenschaften des Studios spielen ebenso in Nitais musikalische Entwicklung hinein wie sein Austausch mit dem Produzenten Manfred Eicher. Nitai: »Im Studio werden nur wenige Worte gesprochen. Mit Manfred ist es so, als wäre ein weiterer Musiker im Raum, der reflektiert, reagiert und die Musik in dem Moment umgestaltet.« »Call on the Old Wise« ist ein Zeugnis von Nitai Hershkovits' einzigartigem Erfindungsreichtum und eine unverzichtbare Ergänzung zu ECMs gefeierter Reihe von Solo-Klavieraufnahmen.