Mit der Faust der christlichen Nächstenliebe … Oder wie 1920 eine Kraus-Vorlesung in Innsbruck verhindert wurde. Johann Nikolussi liest - am Flügel: Micheal Schöch. In Kooperation mit dem Gemeindemuseum Absam.
eine Lesung am 25. Februar im Treibhaus zum Karl-Kraus-Jahr 2024
mit Musik von Arnold Schönberg, gespielt von Michael Schöch, zum Arnold-Schönberg-Jahr.
Gemeindemuseum Absam & Treibhaus laden ein:
Eine Lesung mit Musik von Arnold Schönberg
Deutschnationale und katholische Studenten in Einheitsfront mit dem Tiroler Antisemitenbund drohten im Februar 1920 eine Lesung von Karl Kraus zu stören, worauf der Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil die Polizei mobilisierte, um nicht Kraus vor den Störenfrieden zu schützen, sondern um Innsbruck vor Kraus zu schützen, indem er den Abend behördlich untersagte.
Karl Kraus resümierte: „Da kurzum jene von Wahn und Lüge genährte Ideologie am Werke war, mit der man leichter einen Weltkrieg beginnt als verliert, frisch am Werke, um wirklich alles das im Kleinen an- und aufzuregen, was soeben im Großen tragisch mißglückt war – so verbot die republikanische Behörde den zweiten Abend.“
• November 1919 Die Tiroler Landesbildungsanstalt lädt Karl Kraus zu einem Vortragsabend nach Innsbruck ein.
• Ludwig von Ficker, der Herausgeber des »Brenner«, vereinbart mit Kraus einen zweiten Leseabend in Innsbruck für den Brennerverlag.
• Jänner 1920 Die Tiroler Landesbildungsanstalt hat kein Interesse mehr an einem Auftritt von Karl Kraus in Innsbruck.Mitte Jänner 1920 Ludwig von Ficker vereinbart mit Kraus zwei Lesungen zu veranstalten. Er warnt ihn allerdings vor »organisierter Opposition« gegen ihn aufgrund der zahlreichen in Innsbruck ansässigen hohen Militärs.
• 4. Februar 1920 Die erste Lesung von Kraus im Musikvereins-Saal erntet Applaus, nur ganz wenige Besucher verlassen nach der vorletzten Szene ( »Wilhelm und die Generale« ) lärmend den Saal.
• 5. Februar 1920 Tagsdarauf die zweite Lesung kann schon nicht mehr stattfinden. Der Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil macht sich zum Erfüllungsgehilfen der deutschnational organisierten Studentenschaft der Universität Innsbruck, die mit Protesten und Störaktionen den zweiten Auftritt von Karl Kraus verhindern will: er verbietet kurzerhand die Veranstaltung. Die Tiroler Presse hatte durch Meldungen von einem »stürmischen Verlauf« oder gar von der »Sprengung« der Vorlesung am 4. Februar – nichts davon entsprach den Tatsachen – die Grundlage für die – positiv formuliert – Feigheit der Innsbrucker Politik und Verwaltung gelegt. Und so konnten sowohl die christlichsozialen als auch die deutschnationalen Tiroler Blätter gegen den »Juden« Kraus hetzen. Ludwig von Ficker berichtete Mitte Februar 1920 Karl Kraus von einer großen Versammlung des Tiroler Antisemitenbundes im Innsbrucker Stadtsaal, die in einer anschließenden Straßendemonstration endete, wo ( Zitat Ficker ) »Kraus mit dem grassierenden Schiebertum in einen Topf geworfen und geschmort wurde und allen Juden mit der Faust der christlichen Nächstenliebe gedroht wurde« ( Zitatende ).
• 13. Februar 1920 - Die Studentenschaft der Universität Innsbruck »erhebt feierlich Protest« gegen »die Absichten des Juden Karl Kraus« und droht »mit schärfsten Mitteln« gegen den Professor Kastil vozugehen, der sich mit Kraus solidarisiert hatte.
• 25. Februar 1920 Sozialistische Abgeordnete in der Nationalversammlung in Wien richten eine Anfrage an den Innenminister, ob er in Zukunft speziell in Innsbruck darauf achten werde, ( Zitat aus der Anfrage ) »daß die Versammlungsfreiheit zu achten ist, daß das Verbot der Vorlesung von Karl Kraus ungesetzlich war und einem Eingriff in die künstlerische Freiheit gleichkommt?« ( Zitatende )
• Mai 1920 Karl Kraus widmet Innsbruck eine Ausgabe der Fackel.
Inhalt: »Innsbruck und Anderes«.