Der mit dem Steinway tanzt: Tastengenie Roberto Fonseca ist einer der Wortführer einer neuen, jungen kubanischen Kultur, die Isolation ablehnt, die weltläufig ist und neugierig, aber auch stolz auf karibisches Leben.
Die erste Assoziation der meisten Menschen, wenn sie an kubanische Musik denken, ist etwas, das man als avancierte Folklore bezeichnen könnte – und das seinen perfekten Ausdruck in den retrospektiven Aufnahmen des Buena Vista Social Club fand. Roberto Fonseca, 1975 in Havanna geboren, studierte Komposition und machte früh als Jazzmusiker von sich hören. Beim Buena Vista Social Club vertrat er ab 2001 den Pianisten Rubén Gonzáles und begleitete Ibrahim Ferrer, Omara Portoundo und andere Legenden kubanischer Musik am Klavier. Aber wie die kubanische Musik nicht auf traditionelle nationale Rhythmen wie Rumba, Mambo oder Son beschränkt ist, deckt auch Fonseca eine Menge musikalischer Stile ab: Jazz und Funk gehören ebenso zu seinem Repertoire wie Prog Rock oder Klassik. So bereitet er auch auf seinem neuen Album, dem neunten, wieder diverse Genres auf. Den stärksten Bezug nimmt er dabei auf die Siebzigerjahre. Herbie Hancock, mit dem er schon auf der Bühne stand, Wayne Shorter und Weather Report, aber insbesondere kubanische Avantgardisten jener Jahre wie Los Van Van oder Irakere dienen ihm als historische Bezugspunkte auf Songs wie »Motown«, »Stone of Hope« oder »Cadenas« (mit der Rapperin Danay Suarez). Auch »La Llamada«, »Vivo« oder »Ocha« beziehen sich ganz stark auf den Fusion-Jazz der Siebziger. Die Das die CD abschließende »Clave« beginnt archetypisch mit einem kurzen evokativen Part, kippt aber dann sogleich in ein für die Epoche typisches Prog-Rock-Stück. »Kachucha« mit dem französisch-libanesischen Trompeter Ibrahim Maalouf, ein Latin-Arab-Hybrid, erinnert stilistisch an den 2008 verstorbenen jüdisch-algerischen Maestro Lili Boniche. Roberto Fonseca arbeitet auf »Yesun« souverän die mannigfaltigen Strömungen kubanischer Musikgeschichte ab.
Er wird als «Wunderkind» und legitimer Nachfolger von Rubén González bezeichnet – und ist doch weit mehr: Der kubanische Pianist Roberto Fonseca war gerade einmal 23 Jahre alt, als der große Ibrahim Ferrer ihn 2001 als Nachfolger des verstorbenen Maestro González in den «Buena Vista Social Club» einlud. Und erwies sich rasch als Musiker von magischer Kraft, der noch im selben Jahr beim Montreux Jazz Festival die Weltöffentlichkeit entzückte und mit Wayne Shorter, Michael Brecker und Brian Blade zusammenarbeitete. Fonseca gilt als der bedeutendste Pianist seiner Generation. Er flirtet mit Jungle, Drum’n’Bass, Klassik und Soul; dabei hat der Pianist die Wurzeln der kubanischen Musik sehr präzise studiert. Er liebt das percussive Element, bringt das Afro-Kubanische ins Spiel, und nebenbei entlockt er seinem Synthesizer ein flirrendes Steel-Drum-Solo. Es ist nicht allein das musikalische Können, das sein Spiel von auszeichnet, es ist auch das Studium der an Zitaten reichen kubanischen Musik, ihrer vielfältigen Einflüsse und das Wissen um all jene Erkundungen, die geradewegs in die Zukunft führen
Tastengenie Roberto Fonseca ist einer der Wortführer einer neuen, jungen kubanischen Kultur, die Isolation ablehnt, die weltläufig ist und neugierig, aber auch stolz auf karibisches Leben. Fonseca selbst hat seinerseits schon viel für diese ureigene kubanische Kultur getan. Mit gerade mal Mitte Dreißig gilt er schon jetzt als wohl größter Pianist des Landes, mit dem Zeug, der alten Tradition karibischer Musik seinen persönlichen Stempel aufzudrücken.
Als 2001 Rubén Gonzáles seinen Rückzug aus der Allstar-Formation des Orchesters Ibrahim Ferrers bekannt gab, da erschien eine Nachfolgeregelung ähnlich schwierig wie die Wahl eines neuen Papstes. Denn Gonzáles repräsentierte immerhin über 50 Jahre Musiktradition. Doch dann, das Land erstarrte in Schrecken und Freude, präsentierte man einen 26jährigen Jungspund, der eher aussah wie ein amerikanischer Rapper, als neuen König. Auftritt Roberto Fonseca. Das sollte einmal bei einer Papstwahl passieren.
Fonseca selbst nahm die Bürde mit gelassener Grandezza, wozu er auch allen Grund hatte, denn schon vor diesem Erlebnis war er beileibe kein Niemand. Mit 15 war er schon beim International Jazz Plaza Festival aufgetreten und hatte Publikum wie auch Fachkollegen begeistert, was ihn würdigen Gonzáles-Nachfolger und Begleiter der Buena-Vista-Stars qualifizierte. Er spielte mehr als 400 Shows mit Ferrer und Omara Portuondo, und produzierte auch Ferrers letztes Album, die legendären „Mi Sueños, das seitdem wie ein großer Orden an seiner Brust hängt. Doch ansonsten ist er ganz er selbst, sucht sich seinen eigenen Weg, greift vom perkussiven afrokubanischen Son über auf Jazz, Jungle, Drum’n’Bass und Soul, und hat dabei ungeheuren Spaß. Manchmal scheint Keith Jarrett neben ihm zu sitzen, wenn er – wenngleich weitaus rhythmischer als dieser – während des Spiels fast in das Klavier kriecht und jeden Klang begeistert mitsummt. Da lacht das Leben.