Der gelernte Buchhändler & altgediente Kabarett-Haudegen trifft auf den Literatur-Titanen Kafka: Ist der dunkelgrau malende, hoffnungslos triste Herr K aus der Schulzeit zum 100. Todestag reif fürs Ablachen?
Kafka, wie er singt und lacht?
Thomas Maurer über den Meister des Absurden zum 100. Todestag Franz Kafkas fidet überraschend heitere Seiten am Werk des vermutlich weltweit berühmtesten deutschsprachigen Autors....
Den dunkelgrau-in-schwarz malenden, hoffnungslosen, ausweglosen, traurig-tristen Kafka haben wohl die meisten von uns im Deutschunterricht kennengelernt und auf dem weiteren Lebensweg gern gemieden.
Thomas Maurer zeigt nun einen anderen Blickwinkel auf Kafka: Verhält es sich mit dessen Komik nicht ähnlich wie mit diesen merkwürdig gemusterten Kippbildern, auf die man lange starren kann, ohne die angeblich darin verborgenen Zeichen zu sehen? Hat man sie aber einmal entdeckt, gehen sie nie wieder weg. Und ist das denn nicht – auch – komisch, wenn einer in der Früh als Ungeziefer aufwacht und alle, ihn eingeschlossen, so lange wie möglich so tun, als wär’ nix?
Thomas Maurer ist wohl einer der sprachlich brillantesten Kabarettisten und Satiriker des Landes. Er ist nicht nur ein messerscharfer Analytiker gesellschaftlicher und politischer Situationen und Muster, sondern auch ein ausgewiesener Literaturfachmann. Im Kafka-Jubiläumsjahr nimmt er sich nun den »komischen Kafka« vor: mit einem Abend der feinen, hellen, wachen, immer wieder grotesken Komik.
Thomas Maurer möchte an diesem Abend Kafkas andere Seite zeigen, die eigentlich keine andere Seite ist, sondern oft nur ein anderer Blickwinkel.
Diesen Kafka will Thomas Maurer an diesem Abend vorstellen. Ein sogenanntes Pointenfeuerwerk kann er dabei nicht in Aussicht stellen, versprochen werden kann aber eine feine, helle, wache, immer wieder groteske Komik, niedergeschrieben von einem der größten deutschsprachigen Schriftsteller und vorgetragen von einem doch ziemlich guten altgedienten Kabarett-Haudegen, der noch dazu gelernter Buchhändler isz ...
.«Es wurde einem wohl in seiner Nähe. Er konnte begeistert und hingerissen sein, des Scherzens und Lachens war dann kein Ende; ja er lachte gern und herzhaft und wusste auch seine Freunde zum Lachen zu bringen. Er war ein wundervoll helfender Freund.«
Max Brod
«Ich kann auch lachen, Felice!.«
Franz Kafka
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- In den Stakkato aus Kafka und Kommentar wird der Abend fulminant. So hat man nach zwei Stunden einen Crashkurs Kafka hinter sich,Ein Crashkurs Kafka, der das Genie beider an diesem Abend Beteiligten ausweist. (Der Standard)
- Ein Staccato mit Absurditäten und auch Anzüglichkeiten. (Kurier)
- Gewiss der unaufwendigste Beitrag eines Theaters zum Kafka-Jahr, vielleicht der beste:Thomas Maurer liest ausgewählte Texte. Ganz in Zivil. Der einzige Showeffekt: Blackouts. Sehr lustig. (Die Presse)
- Thomas Maurer schafft es mühelos: Ein wirklich komischer - und auch volksbildnerisch wertvoller - Abend. Kurier / Thomas Trenkler
Dass Franz Kafka ein komischer im Sinne von merkwürdiger Autor ist, darüber herrscht Einigkeit. Der Name ist Programm geworden, auch Menschen, die keinen seiner Texte gelesen haben, assoziieren mit ihm tendenziell sich in Ungeziefer verwandelnde Handelsreisende, quälend unerreichbare Schlösser, urwaldartig vor sich hin wuchernde Bürokratien, perverse Hinrichtungsgeräte und allgemeine Hoffnungslosigkeit.
Aber Eichhörnchen?
„Es war ein Eichhörnchen, es war ein Eichhörnchen, eine wilde Nußaufknackerin, Springerin, Kletterin, und ihr buschiger Schwanz war berühmt in den Wäldern. Dieses Eichhörnchen, dieses Eichhörnchen war immer auf der Reise, immer auf der Suche, es konnte nichts darüber sagen, nicht weil ihm die Rede fehlte, aber es hatte nicht die allergeringste Zeit.“
Die These, dass Franz Kafka auch ein komischer, im Sinne von zum Lachen oder wenigstens Lächeln reizender Autor sei, ist nicht neu. So richtig eingegangen in das Bild, das man sich allgemein von ihm macht, ist dieser Aspekt allerdings noch nicht, und daher ist dieses Bild zumindest nicht komplett.
Es wäre natürlich blanker Unsinn, Kafka jetzt justament zum aufgekratzten Entertainer umdeuten zu wollen. Aber wenn man einmal auf seinen Humor gestoßen ist, auf seinen Hang zu Groteske und Absurdität, seine Freude daran, durch ein unerwartetes Wort eine Art Dissonanz in einen Satz oder eine Szene zu bringen, dann wird man diesen merkwürdigen, der depressiven Grundveranlagung des Autors keineswegs widersprechenden Humor auch in jenen Teilen des Werkes wiederfinden, wo man am wenigsten damit rechnet.
Zum Beispiel wenn er im bitterernsten „Brief an den Vater“ das charakterliche Naturell des Adressaten mit einer Präzision zusammenfasst, die möglicherweise nicht einmal boshaft sein will, aber trotzdem ans Kabarettistische streift: „Deine Meinung war richtig, jede andere war verrückt, überspannt, meschugge, nicht normal. Dabei war Dein Selbstvertrauen so groß, daß Du gar nicht konsequent sein mußtest und doch nicht aufhörtest recht zu haben. Es konnte auch vorkommen, daß Du in einer Sache gar keine Meinung hattest und infolgedessen alle Meinungen, die hinsichtlich der Sache überhaupt möglich waren, ohne Ausnahme falsch sein mußten. Du konntest zum Beispiel auf die Tschechen schimpfen, dann auf die Deutschen, dann auf die Juden, und zwar nicht nur in Auswahl, sondern in jeder Hinsicht, und schließlich blieb niemand mehr übrig außer Dir.“
Oder, um es mit den Worten seines loyalen Freundes und – gegen Kafkas Willen, der sein gesamtes Werk vernichtet haben wollte – postumen Herausgebers Max Brod zu sagen: „Wenn Kafka selbst vorlas, wurde dieser Humor besonders deutlich. So zum Beispiel lachten wir Freunde ganz unbändig, als er uns das erste Kapitel des Prozeß zu Gehör brachte. Und er selbst lachte so sehr, daß er weilchenweise nicht weiterlesen konnte. – Erstaunlich genug, wenn man den fürchterlichen Ernst dieses Kapitels bedenkt. […] Ich weise nur auch auf das hin, was man sonst bei der Betrachtung Kafkas leicht vergißt: den Einschlag von Welt- und Lebensfreude.“
Das nimmt natürlich diesem Roman nichts von der Beklemmung und dem Schrecken, der ihn ganz wesentlich ausmacht. Aber Beklemmung und Schrecken werden hier auch dadurch so erlebbar, dass sie eben nicht nur in Düstergrau koloriert sind, sondern immer wieder merkwürdig, im doppelten Sinn des Wortes komisch schillern.
Eine Beklemmung, die nur beklemmend, und ein Schrecken, der nur schrecklich ist, sind fad, zumindest in der Literatur.
Wenn aber der unglücklich verleumdete K. von einem erschreckend lebenstüchtigen Onkel zu einem moribunden Armenanwalt geschleift wird oder versucht, dem amtlich bestallten Prügler das Prügeln seiner ihn zuvor bestohlen habenden Wächter wieder auszureden, dann lauert hinter diesen Szenen ein – vielleicht leicht hysterisches, jedenfalls aber kräftiges – Lachen des Autors. Es steckt auch im bekanntesten von Kafkas Lachanfällen, von ihm selbst über mehrere Seiten in einem Brief an seine erste Verlobte Felice Bauer beschrieben, ein guter Schuss Hysterie: Kafka und zwei Kollegen aus der Allgemeinen Arbeiter-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen haben sich, „in feierlichem schwarzen Anzug“ beim Präsidenten für eine Beförderung zu bedanken. „Der Präsident hörte in seiner gewöhnlichen, bei feierlichen Gelegenheiten gewählten, ein wenig an die Audienzhaltung unseres Kaisers erinnernden, tatsächlich (wenn man will und nicht anders kann) urkomischen Stellung zu.“
Und so kommt es, wie es kommen muss: „Als er (der Präsident) aber seine Rede anfing, wieder diese übliche, längst vorher bekannte, kaiserlich schematische, von schweren Brusttönen begleitete, ganz und gar sinnlose und unbegründete Rede, als mein Kollege durch Seitenblicke mich, der ich mich ja gerade zu beherrschen suchte, warnen wollte und mich gerade dadurch lebhaft an den Genuss des frühern Lachens erinnerte, konnte ich mich nicht mehr halten und alle Hoffnung schwand mit, daß ich mich jemals würde halten können.“
Kafka war dieser Vorfall ganz ungemein peinlich. Max Brod notiert: „Kafka kam zu mir, trostlos, hat dem Präsidenten ins Gesicht gelacht.“ Er entschuldigte sich umgehend brieflich und über den Sohn des Präsidenten auch persönlich.
Doch gerade weil die Szene ihre Komik daraus gewinnt, dass der, der lachen muss, zugleich grausam darunter leidet, dass er die Komik der Szene, deren Teil er ist, erkannt hat und dass alles zwar komisch, aber für die Beteiligten echt nicht lustig ist, wirkt sie wie von Kafka selbst erfunden.
Und so wirken bei Kafka viele Dinge schon einmal deshalb – manchmal auch nur deshalb – komisch, weil sie aus der Wahrnehmung dieses in vielerlei Hinsicht außerhalb der oder zumindest quer zur sogenannten Normalität stehenden Mannes geschildert werden.
Milena Jesenská, mit der er ebenfalls in einen enorm umfangreichen Briefwechsel und eine erschöpfend komplizierte Beziehung verstrickt war, beschreibt ihn einmal so: „Für ihn ist das Leben etwas gänzlich anderes als für alle andern Menschen, vor allem sind für ihn das Geld, die Börse, die Devisenzentrale, eine Schreibmaschine völlig mystische Dinge (und sie sind es ja in der Tat, nur für uns andere nicht), sie sind für ihn die seltsamsten Rätsel, zu denen er durchaus nicht so steht wie wir.“
Kafka hatte durchaus eine Wahrnehmung dafür, ein merkwürdiges Einzelstück zu sein, und auch die Gabe der Selbstironie, wobei hier allerdings die Grenze zu seinem ebenfalls manifesten Selbsthass und der daraus erwachsenen Gewohnheit der permanenten Selbstbezichtigung fließend ist. Milena Jesenská schreibt er von seiner Gewohnheit, die Moldau hinauf zu rudern und sich dann, im Boot ausgestreckt, unter den Brücken hindurch flussabwärts treiben zu lassen.
„Wegen meiner Magerkeit mag das von der Brücke aus sehr komisch ausgesehn haben. Jener Beamte, der mich eben so einmal von der Brücke sah, faßte seinen Eindruck, nachdem er das Komische genügend hervorgehoben hatte, so zusammen: Es hätte so ausgesehn, wie vor dem Jüngsten Gericht. Es wäre wie jener Augenblick gewesen, da die Sargdeckel schon abgehoben waren, die Toten aber noch stilllagen.“
Kafka war schon, als er noch gesund war, tief davon überzeugt, krank zu sein, und diese Überzeugung wurde auch durch die parallel dazu laufende Einsicht in seine Neigung zur Hypochondrie keineswegs erschüttert. Auch dass er begründet Ärzte verabscheute – zwei seiner Schwestern waren im Kindesalter durch Fehlbehandlung gestorben – und sich leidenschaftlich für Reformkost und Naturheilkunde interessierte, konnte ihn keineswegs von Konsultationen des Hausarztes abhalten: „An und für sich glaube ich ihm nicht, aber beruhigen lasse ich mich von ihm wie von jedem Arzt. In diesem Sinne sind auch Ärzte als Naturheilmittel zu verwenden.“
Manchmal verstehe ich nicht, wie die Menschen den Begriff „Lustigkeit“ gefunden haben, wahrscheinlich hat man ihn als Gegensatz der Traurigkeit nur errechnet
Frank Kafka
Und dass er einmal aphoristisch formuliert – „manchmal verstehe ich nicht, wie die Menschen den Begriff ‚Lustigkeit‘ gefunden haben, wahrscheinlich hat man ihn als Gegensatz der Traurigkeit nur errechnet“ –, hält ihn nicht davon ab, Komisches auch komisch zu beschreiben. Über seinen Aufenthalt in der Naturheil-Kuranstalt Jungborn, in der man der Freikörperkultur huldigt (ihn selbst nennt man allerdings, zumindest anfänglich „der Mann mit den Schwimmhosen“), hält er fest: „Hie und da bekomme ich leichte oberflächliche Übelkeiten, wenn ich, meistens allerdings in einiger Entfernung, diese gänzlich Nackten langsam zwischen den Bäumen sich vorbeibewegen sehe. Ihr Laufen macht es nicht besser. – Jetzt ist an meiner Tür ein ganz fremder Nackter stehen geblieben und hat mich langsam und freundlich gefragt, ob ich hier in meinem Hause wohne, woran doch kein Zweifel ist. – Sie kommen auch so unhörbar heran. Plötzlich steht einer da, man weiß nicht, woher er gekommen ist. – Auch alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht.“
Wo aber lernt man Kafka am besten von seiner komischen Seite kennen?
Seinem Hang zur Groteskkomik lässt Kafka in den Fragmenten den freiesten Lauf, kaum einer dieser Kurztexte ist nicht zumindest bizarr. „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ ist eine unübersehbar komisch grundierte Kurzgeschichte, und auch im ersten Kapitel von „Amerika“, in dem der junge Karl Roßmann sich im Hafen von New York im Schiffsbauch verirrt und sich im weiteren vom Heizer des Schiffs mit wundersam zutraulicher Nachgiebigkeit vollschwatzen lässt, gibt es durchaus was zu grinsen.
Nur und ausschließlich komisch, das sei auch noch gesagt, ist bei diesem Autor natürlich nie irgendetwas, alles hat immer auch eine düstere, erschöpfende, ja sagen wir es offen: eine kafkaeske Seite. Dafür bürgt ja schon der Name. Wer also diesen Kafka liebt, wird ihn nicht verlieren. Aber vielleicht trotzdem gelegentlich kichern hören.