treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

MALARiNA: SERBEN STERBEN LANGSAM. SALZBURGER STiER

DIe BEGRÜNDUNG DER JURY ZUM KLEINKUNSTPREIS SALZBURGER STiER AN MALARINA

Malarina, die als Kabarettistin erst seit 2019 aktiv ist, begeistere "mit einem listigen wie pointenreichen Mix aus angewandter Völkerkunde, politischer Satire und komödiantischer Aufarbeitung des von Stolz und Vorurteilen geprägten Verhältnisses zwischen Österreich und Serbien", heißt es in der Mitteilung. In ihrem ersten Solo "Serben sterben langsam" verhandle sie die große europäische Geschichte aus serbischer Perspektive. Zusätzlich biete Malarina, deren Eltern als Gastarbeiter nach Tirol kamen, "unterhaltsame Einblicke in Sitten und Gebräuche des Balkans und startet den ambitionierten Versuch, mit Kabarett zur Völkerverständigung beizutragen".

Wie integrieren wir uns, die Serben, eine Nation deren Image seit Kaisermord und Srebrenica schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, in einem Land wie Österreich, dessen Geschichtslehrer von ebendiesem Kaisermord mit nicht nachlassender Erschütterung berichten?
Malarina lädt zu einer Geschichtsstunde von Sarajewo nach Ibiza und verarbeitet in „Serben sterben langsam“ dem schmerzhaften Verlust HC Straches. Der Weg der serbischen Gastarbeiter führte über Integration Classic hin zu Assimilation 1.0 aus Angst vor Haider. Aus Liebe zu HC Strache kam das Upgrade auf Assimilation 2.0 – Edition inklusive Xenophobie und Islamophobie extended Version.
Doch wie soll es für uns Serben ohne HC Strache weitergehen?  

Pressestimmen:
„Eine außergewöhnliche Mischung aus politsatirischer Geschichtsstunde und Ethnocomedy“ – Der Falter
„Malarina arbeitet sich charmant-scharfzüngig durch die größten Verletzungen der serbisch-österreichischen Bromance“ – Die Presse 
„Malarina zählt mit ihrer Rolle als rechtsaffine Austroserbin zu den interessantesten Kabarettaufsteigern des Landes“ – Der Standard
„Klug und hochgradig amüsant“ – profil  

Weitere unabhängige Stimmen:
„Die macht das nur, um andere anzupatzen.“ – Sebastian Kurz
„Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben.“  – Jörg Haider
„Ich kenne keine Malarina, ich liebe Phillipa, hören Sie endlich auf mich anzurufen!“ – Heinz Christian Strache

Austroserbin Malarina: Mit dem Oberschwabo auf drei letzte Bier

Wenn Malarina serbisch-österreichische Völkerverbindung demonstrieren will, dann geht sie auf den Wiener Zentralfriedhof. Im Tod sind alle gleich, nur manche sind sich dort gleicher. Morbidität und Melancholie, Jenseits- und Aberglaube, das ist in beiderlei Welten oberstes Kulturgut. Malarina ist blond und schlank, sie spricht akzentuiertes Deutsch ohne Umlaute, trotz "iben, iben, iben", wie sie sagt. Sie schwört auf ihren Pelzmantel sowie aschenbechergroße Jetset-Sonnenbrillen. Beweint wird dahinter der tiefe Fall des einzigen Oberschwabos, der sie je verstanden hat: H.-C. Strache. Auch Kurz ist nunmehr eine Träne wert.

Malarina ist die Kunstfigur von Marina Lacković. Die 31-Jährige zählt mit ihrer Rolle als rechtsaffine Austroserbin zu den interessantesten Kabarettaufsteigern des Landes. Ihr Debütprogramm Serben sterben langsam hatte ironischerweise am Tag des allerersten Corona-Lockdowns Premiere, durchstarten kann es erst jetzt. Und geht es nach dem Zuspruch von Kritik und Publikum, wird die Kleinbühne bald nicht mehr reichen. Denn Malarina ist keine Figur, die zu einer eng gefassten Minderheit spricht, sie hat gerade der Mehrheitsgesellschaft viel zu sagen.
Vom Schuss von Sarajewo über die Gastarbeiter bis zum Fall Peter Handke werden Geschichte und Gegenwart, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, kollektive Neurosen, Opfer- und Täterkomplexe durch die Balkanbrille betrachtet aufs Korn genommen. "Wir haben nur verloren in der Geschichte, und sie wird trotzdem glorifiziert. Es ist wie mit Andreas Hofer und den Tirolern", heißt es da.
Marina Lacković wirkt beeindruckend abgebrüht, als sie DER STANDARD nach ihrem Auftritt im Kabarett Niedermair zum Gespräch trifft. Ihr Akzent ist imitiert, abseits der Bühne keine Spur davon, auch Nervosität ist keine zu spüren, dabei habe sie immer noch das "Hochstaplersyndrom", wie sie sagt. Kein Wunder, denn Lackovićs Erfolg kommt völlig aus dem Nichts. Sie hatte keinerlei Bühnenerfahrung, nicht einmal besondere Affinität zum Kabarett, nur die Lust am Schreiben war vorhanden. Zufällig landete sie 2019 beim Politically Correct Comedy Club (PCCC) im Wiener Wuk. Die Ermunterung, sich selbst auf die Bühne zu stellen, kam von der queeren Stand-up-Comedienne Denice Bourbon, ihrer "Mentorin". Zur Kunstfigur Malarina inspirierten sie aber die legendären ORF-Sozialreportagen von Elizabeth T. Spira.

Dass "politisch korrekt" nicht gerade nach Spaß klingt, sieht sie als Missverständnis. Verschrieben hat sich der PCCC bloß der Devise, "nicht nach unten, sondern nach oben zu treten". Das hält auch Lacković so. Wenn sie sich über ihre rechten Landsleute mokiert, dann erzählt sie immer die politischen Bedingungen mit, die zu deren Verhalten geführt haben: nichtaufgearbeitete historische Wunden, die von Populisten in Serbien wie Österreich dankbar ausgeschlachtet werden.

Geboren wurde Lacković 1990 in einem serbischen Dorf. Ihre Großmutter war die Erste, die als Gastarbeiterin nach Tirol ging. Sie selbst kam als Kindergartenkind. Die Mutter arbeitete in der Hotellerie, der Vater am Bau. Angst hatte man vor Jörg Haider: "Mein Vater ist oft von der Arbeit nach Hause gekommen und hat gesagt, wir müssen packen, bald müssen wir zurück." Willkommenskultur, Integrationsmaßnahmen? "Das gab es alles nicht." Strache schließlich habe es verstanden, die Islamophobie der Serben sowie das kollektive und teils verständliche Gefühl, wegen des Jugoslawienkriegs moralisch härter als andere beurteilt zu werden, auszunützen.
Zum Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft zog es Lacković schließlich nach Wien. Die Tiroler Enge, das von Bergen eingekesselte Innsbruck, die harte Bergbauernmentalität, das war alles nicht ihr Fall. Noch arbeitet sie Teilzeit beim ORF, aber daneben entsteht schon ihr zweites Bühnenprogramm. Darin wird sich Malarina u. a. Gedanken zum serbischen Frauenbild machen.

Stilistisch bekommt Lacković öfter den Vergleich mit Lisa Eckhart zu hören. "Na wenn die wüsste, dass sie mit einer Tschuschin verglichen wird!", sagt sie lachend. Ist "Tschusch" nicht tabu? "Es kommt auf den Kontext an und wer es sagt. Wir Ex-Jugoslawen sagen es öfter spaßhaft zueinander, aber es ist schon klar, dass es von Anfang an als Schimpfwort gemeint war." "Jugo" oder "Ex-Jugo" hingegen hätte nie negativ konnotiert werden müssen, findet sie: "Allzu oft werden Wörter zu schnell aufgegeben, wenn Rechte sie besetzen." So hält Lacković auch das Wort Asylant für nicht anrüchig, erst die Rechten hätten es verunglimpft.
Im Gegensatz zu Eckhart legt Lacković bei all diesen Fragen wert auf eine Trennung zwischen ihrer Person und der Kunstfigur. Das findet sie wichtig, schon allein um Missverständnisse auszuschließen.
Was sie mit ihrer Kunst letztlich erreichen will? "Fairness – Fairness für alle."
(Stefan Weiss, Standard 13.10.2021)

X