fast wie im richtigen leben - ein abend mit dem großartigen gerhard polt - und der helmut sprenger spielt die musik seiner neuen CD AUFFI dazu. das wird ein ereignis...
Wer kennt ihn nicht, den bayrischen Kabarettisten GERHARD POLT mit ausgesprochen handfesten, teils knallhart realistischen und sprachlich höchst raffiniert ausgefeilten komischen Dramoletten über das Tun und Lassen der Menschen?
Der Kabarettist und Schauspieler Gerhard Polt liebt es von kleinbürgerlichen Abgründen der Gesellschaft zu erzählen. Mit seiner Real-Satire grantelte der gebürtige Bayer über verbohrte Spießigkeit und doppelbödigen Alltag, aber auch gegen politischen Starrsinn. Doch nicht jeder versteht seinen Humor. Die Bayerische Staatsregierung beschwerte sich nach einem Fernsehauftritt von Polt Anfang der 1980er-Jahre sogar über die "verleumderische und bösartige Ehrabschneidung" des Kabarettisten.
Der während des zweiten Weltkrieges geborene Bayer, der in dem kleinen Wallfahrtsort Altötting streng katholisch aufwuchs, floh nach seinem Studium der Politikwissenschaft erst einmal ins liberale Schweden. Vier Jahre studierte Polt dort Sprachen und schrieb zurück im konservativen Bayern eine Tätigkeit als Übersetzer und Lehrer auf seinen Steckbrief.
1976 hatte Polt seinen ersten Auftritt als Kabarettist. Kurze Zeit darauf hörte man seine Stimme in der Hörspielproduktion des Hessischen Rundfunks "Als wenn man ein Dachs wär' in seinem Bau" in 30 Rollen und schon drei Jahre später lief seine 12-teilige Sketchserie "Fast wia im richtigen Leben" im Bayerischen Fernsehen.
Die Komödiantin Gisela Schneeberger, die dort an seiner Seite spielte, begleitete ihn in seinem künstlerischen Schaffen bis heute. Auch die Günzlhofener Band "Biermösl Blosn", die den Kabarettisten regelmäßig bei seinen Tourneen begleitete, und der Regisseur Hanns Christian Müller gehören zu Polts engem Kreis. Mit Müller gründete Polt den Baaz-Verlag, um dort seine Texte, Platten und Bücher zu veröffentlichen.
1983 kam der erste Film "Kehraus" des Kabarettisten in die Kinos, es folgten 1988 "Man spricht deutsh" und 2004 "Germanikus". Sein Film "Und Äktschn" kam 2014 in die Kinos.
Weitere Platten folgten, darunter "Da fahrma nimmer hin" (2015), "Wer ist wir" (2017) sowie "Schee war's" (2019). Darüber hinaus wirkte Polt in mehreren Theaterstücken mit, wie etwa in "Ekzem Homo" (2015) im Schauspielhaus der Münchner Kammerspiele.
Fast 30 Preise für sein satirisches Schaffen stehen bis heute auf Polts Steckbrief, unter anderem der "Grimme Preis in Silber", der "Große Karl Valentin Preis" und der "Bayerische Kabarettpreis". Darüber hinaus wurde Polt 2017 mit dem "Bayrischen Fernsehpreis" sowie mit dem "Ehrenpreis des Bayrischen Ministerpräsidenten" geehrt.
"D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", meint Gerhard Polt. Der Kabarettist spricht über Kasperl, Stoiber und das Komische als solches - beim Weißwurstessen mit SZ-Redakteur Hermann Unterstöger.
Fragt man Gerhard Polt am Telefon nach dem Wesen des Humors, sagt er "Mei" oder "Ja mei", und wenn man in den Schwingungen seiner Stimme, diesem unverwechselbaren Timbre, einigermaßen zu Hause ist, hört man unschwer heraus, was der Mann damit ausdrücken will.
So gesund will ich sein, heißt das, wie ich nicht weiß, was das Wesen des Humors ist, und ich bin einmal gespannt, wie viele von euch Presseleuten diesen Fasching von mir noch den Humor erklärt bekommen wollen, aber andererseits soll man ja nicht so sein, meine Kollegen erklären schließlich auch immer den Humor, ohne die geringste Ahnung von seinem Wesen zu haben, ja oft ohne über ihn selbst zu verfügen, also red ich halt mit dem Kerl, vielleicht kommt ja was Lustiges raus dabei. Dies die Übersetzung von "Mei"; die von "Ja mei" wäre noch ein paar Zeilen länger.
Polt sagt also "Mei", und weil er ein freundlicher Mensch ist, fügt er hinzu: "Kimmst halt, dann redn ma a weng, und wennsd magst, bring i Weißwürscht mit, aus Miesbach, und a paar Brezn bring i aa mit, und a Weißbier hol ma uns beim Wienerwald, und nacha redn ma halt, wennsd moanst."
Das ist ein Wort. Zur verabredeten Zeit hat Polt schon alles besorgt, pro Nase zwei Weißwürste und zwei zusätzliche, die aber nicht zum Verzehr vorgesehen sind, sondern folgenden unentbehrlichen Dialog hervorrufen sollen: "Magst zwoa Würscht oder drei?" - "Zwoa." - "I aa." - "Weil bei da drittn miassat i schbeim.'' - "I fei aa." In den Kühlschrank also mit den überzähligen. Polt erinnert eindringlich daran, dass ins Weißwurstwasser zwei, drei Scheiben Zitrone gehören. Ins Knödelwasser übrigens auch.
Der Preis und sein Träger
Nach den Würsten erörtert Polt den Humor, und man kann jetzt schon sagen, dass seine Rede dem Mäander gleicht, der einmal hierhin fließt und dann wieder dorthin und der unter den anderen Flüssen deswegen wahrscheinlich als vergleichsweise konfus gilt.
Schön ist er aber schon, der Mäander, und man sollte sich darum hüten, die ihm gleichende Poltsche Rede durch sogenannte zielführende Fragen zur Stringenz zu nötigen. Immerhin gibt es einen Anlass, sie ins Fließen zu bringen. Polt hat vor ein paar Tagen den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor bekommen, und nun sagt er etwas, was er schon ein paar Mal gesagt hat: "Unerbittlich suchen sich die Preise ihre Träger."
Er will das nicht als preiskritisch verstanden wissen, sondern im Sinne des von Karl Valentin formulierten Paradoxons: "Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich - merken Sie sich das." Wie das genau auf den Preis anzuwenden ist, bleibt in jener Schwebe, die Polts eigentlicher Ort ist und auf der sich außer ihm nur wenige mit Anstand und Grazie halten, geschweige denn bewegen können.
Wenn Humor so etwas ist wie heitere Gelassenheit gegenüber den Unbilden des Lebens, dann hat ihn Polt in hohem Maße. Er bleibt bei der Unbill, den Humor beschreiben zu sollen, absolut locker, schaut zum Senfglas, als säße der Humor da drin, und versucht ihn von außen einzukreisen.
Die Ironiebegabung, doziert er drauflos, sei nicht besonders ausgeprägt. "D' Leut wissen, wo der Spaß aufhört, aber net, was er is", sagt er und vergewissert sich mit einem Seitenblick, dass wir uns einig sind: Das ist ja schon mal was. Polt ist der Ansicht, dass man, Begabung hin oder her, den Sinn fürs Komische wecken und fördern sollte, und zwar schon in der Schule.
"Warum hat das Tragische einen Stellenwert und das Komische nicht", fragt er mit anklagender Gebärde, "und warum haben die Politiker immer die vorderen Seiten, auch bei seriösen Zeitungen?" Wieder ein Seitenblick. Er könnte bedeuten: No ja, des wirst du net ändern, da hast du den Arsch z' weit untn.
Um davon abzulenken, empfiehlt es sich, Polt einen Köder hinzuwerfen. Ob er Herbert Achternbuschs sowohl in der Wurst- als auch in der Humorsphäre verankertes Theorem kenne: "Was is scho lustig? A Bratwurst is lustig!"
Nein, erwidert Polt, steigt aber sofort in die Materie ein und sagt, dass es dabei auf die Perspektive ankomme, so ähnlich wie beim Kasperl, der das Krokodil nicht sieht und sich wundert, warum die Kinder, die es sehen, vor Schreck und Gaudi quietschen. Oder, um auf dem Nahrungssektor zu bleiben, etwas Vergleichbares beim Faschingskrapfen: "Du siehgst an Unschuldigen neibeißen und woaßt, glei schiaßt da Baaz raus."
Von hier aus ist es nur ein kurzer Weg zu der Frage, ob Humor einen Zwang ausübe. Man sage ja: "Ich habe lachen müssen", was schon seiner Mutter widerfahren sei, als sie vor Jahr und Tag mit zwei Freundinnen am Odeonsplatz war und Hitler reden hörte. Die drei Mädchen hätten lachen müssen, das aber nicht gedurft, was ihnen klar wurde, als ein Ordner kam und sie anfuhr: "Jetzt wenns net aufhörts, kriagts a Fotzn!"
Da seien sie dann doch lieber gegangen. Polt hängt an dieser Stelle einen Exkurs über Edmund Stoibers Redekunst an, nicht um einen unzulässigen Vergleich mit der des "Führers" anzustrengen, sondern um aus der Praxis des Kabarettisten zu beteuern, dass Stoibersche Reden in aller Regel nicht lustig seien, aber lustig geschildert werden könnten.
Einmal im Lauf des Gesprächs rückt Polt mit dieser Definition heraus: "So, wia da Alkohol a Geschmacksträger is, so is da Humor a Erkenntnisträger." Da er am Abend im Residenztheater aufzutreten hat, kommt der Geschmacksträger Alkohol nicht zu seinem Recht, und so hat denn auch der Erkenntnisträger Humor nicht den Spielraum, den er vielleicht bräuchte.
Man verabschiedet sich: "Du, da redn ma gscheida a anders Mal drüber." - "Genau, aber wieder bei Weißwürscht." - "Des sowieso." - "Servus nacha." - "Hawediehre."