Der brasilianische Gitarrist, Perkussionist und Sänger Alegre Corrêa entführt als musikalischer Weltenbummler in eine faszinierende Welt, in der sich alles um lustvolles Musizieren und um das wohlklingende, geheimnisvolle Wort "Saudade" dreht. Erst kürzlich wurde der Begriff unter die Top Ten der schönsten und gleichzeitig am schwierigsten zu übersetzenden Wörter der Welt gewählt: Sehnsucht, Verlangen … all das und viel mehr steckt in den "Saudades do Brasil" – mitreißende Rhythmen und raffinierte Arrangements mit Alegre Corrêa und seinem Ensemble.
Alegre Corrêa Group
Alegre Corrêa Gitarre und Vocals
Klemens Bittmann Violine
Gerald Preinfalk Reeds
Alune Wade Bass
spcial guest aus brasilien:
Carol Pereyr Vocals.
KOLLER-PREIS 2003:
Musiker des Jahres: Alegre Corrêa
Der aus Brasilien stammende, dreiundvierzigjährige Gitarrist, Sänger und Komponist, für den 'Musik machen viel mehr bedeutet als das bloße Spielen der richtigen Noten' (Eigendefinition), hat in den letzten fünfzehn Jahren durch das Einbringen seiner brasilianischen Musik-Idioms nicht nur die Vielfältigkeit unserer Jazzszene bereichert, sondern auch mit seinen Projekten der letzten Monate - einem Konzert, gemeinsam mit Wolfgang Muthspiel im Wiener Konzerthaus, einem Auftritt mit eigenem Ensemble in der Staatsoper, durch die Zusammenarbeit mit Exponenten der authentischen Wiener Volksmusik und als Mitglied des Vienna Art Orchestra - der improvisierten Musik in Österreich wesentliche Impulse gegeben.
Der Doyen des Brazil-Jazz in Österreich
(aus: CONCERTO)
„Von Platte zu Platte haben wir uns musikalisch weiterentwickelt, sind wir der Vorstellung, die ich und die anderen Musiker teilweise schon in Brasilien davon hatten, wie diese neue brasilianische Musik klingen sollte, Stück für Stück näher gekommen. Mit ,Raízes’ sind wir dieser Idee so nahe gekommen wie noch nie.“
Alegre Corrêa
Mit seiner neuen CD „Raízes“ (bras. für „Wurzeln“) hat der brasilianische Gitarrist, Arrangeur und Komponist Alegre Corrêa nicht nur seinen bislang überzeugendsten musikalischen Ausdruck gefunden, sondern auch ein Label (Columbia), das seiner Kunst endlich die internationale Plattform verschaffen könnte, welche sie verdient.Daß der umtriebige Musiker aus dem südbrasilianischen Porto Alegre nach langem Vagantentum Anfang der 90er Jahre in Wien Fuß faßte, kann für das dortige Musikleben nur als Glücksfall bezeichnet werden. Lateinamerikanische Musik wurde damals entweder als Ethno-Folk exotisiert oder – ehe der Kuba-Boom losging – als harmlos stereotype Salsa-Merengue-Fröhlichkeit und stilisierte Tango-Tanzkurs-Schwermut serviert. Die Jazz-Szene schöpfte zwar aus dem Potential des brasilianischen Bossa Nova, schien aber bei den Klassikern der 60er Jahre stecken geblieben zu sein. Wie ein Komet schlug Alegre Corrêa gerade in jenes Leerfeld ein, das die genannten musikalischen Territorien voneinander trennte. Musiker und Interessierte kamen von nah und fern, um den Neuankömmling zu bestaunen, er indes lud sie zu Sessions ein. Anfänglich als Popmusiker der Unterhaltungsband Mato Grosso und Supporting Act von Stars wie José Feliciano, zog er bald das Glitzergilet des Unterhaltungsmusikers aus und begann sich auf Wiener Boden der seriösen Umsetzung seiner Ideen zu widmen, welche ihm bereits in Brasilien einige Aufmerksamkeit verschafft hatten, ehe er in der Alpenrepublik gänzlich von vorne anfing. Dazu bediente er sich zu einem guten Teil alter Bekannter aus Porto Alegre, die mit ihrem Freund gleich mitemigriert waren und den Kern nicht nur der brasilianischen Musiker-Community in Wien, sondern auch der Alegre Corrêa Group (vormals Alegre Corrêa Sextett) bildeten. Wer Mitte der 90er Jahre die täglichen brasilianischen Sessions im Keller des Celeste in der Hamburger Straße besuchte, wurde Zeuge davon, wie ein Klischee wieder zur sinnlichen Wahrheit zurückfand: der organischen Verschmelzung von Interpret, Ausdruck und Musik. In den Sleeve Notes zu seiner CD „Terra Mágica“ beschreibt Alegre seine Musik als mystischen Akt der Verschmelzung mit dem Universum. Selbst nüchternere Naturen konnten schwer abstreiten, daß es sich bei diesen Sessions um geradezu magische Akte musikalischer Neuschöpfung handelte. Jeder Abend brachte – je nach Individualität der stets fluktuierenden Musiker – andere Klangfarben und stilistische Nuancen auf die Bühne, mal kammermusikalisch und melancholisch, mal versonnenen Bossa-Jazz, mal unbändige afrokaribische Sessions – stets mit der Integrationsfigur Alegre Corrêa in ihrer Mitte. Zu jenen informellen Konzerten fanden sich Musiker, die auch heute den Kern der Truppe bilden; es wurden ungezwungen Sounds, Arrangements und Grooves ausprobiert, welche heute in der musikalischen Reife der CD „Raízes“ kulminieren. Mit von der Partie waren Denise Fontoura, eine Querflötenspielerin und Saxophonistin mit klassischem Hintergrund, die ihre Stimme selbst wie ein Instrument einzusetzen weiß, der Perkussionist und Drummer Fernando Paiva, dessen Können weit über brasilianische Rhythmik hinausweist; der Österreicher Paul Urbanek, einer der gefragtesten Pianisten der mitteleuropäischen Jazz-Szene, vielen vielleicht bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Sigi Finkel. Einen Bärenanteil der Wärme und Smoothness des Alegre-Corrêa-Sounds machte Bertl Mayers melodiöses Spiel auf der chromatischen Mundharmonika aus: der Wiener Bertl Mayer jr. – fixer Bestandteil von Alegres Ensemble seit seinem Bestehen – vermag sich wie kaum ein anderer Nichtbrasilianer in die melodischen Subtilitäten brasilianischer Musik im allgemeinen, der Alegre Corrêas im besonderen hineinzufühlen. Immer wieder gastierte auch Laurinho Bandeira, ein Vollblutperkussionist, der direkt der Samba-Tradition entstammt, und für einige Zeit war auch Ronaldo Saggiorato Gast bei Alegres Sessions, ein wahrhaft authentischer brasilianischer Musiker, ein „Magier auf dem E-Baß“, wie ihn Alegre bezeichnet. Oft unterstrichen auch die versonnenen Klavierläufe des Arrangeurs und Pianisten Marcelo Onofri und das sublime Spiel des vor zwei Jahren unverhofft verstorbenen Cellisten Ricardo Peireira Alegres Vorliebe für Melodie gegenüber bloßer Rhythmik. Nicht zu vergessen die phantastische Stimme der Izabel Padovani oder das kongeniale Gitarrespiel von Guinha Ramires, ein alter Weggefährte und musikalischer Herzensbruder Alegres, mit dem dieser vor zwei Jahren die CD „Handmade“ einspielte. Diese Sessions – um die Sentimentalitäten nun endlich sein zu lassen – führten dem damals im Keller des Wiener Celeste aus dem Staunen partout nicht mehr herauskommenden Autor dieser Zeilen eine stilistische Vielseitigkeit, Intensität und Feingliedrigkeit vor, die er in diesen Tagen bei lateinamerikanischer Musik nicht vermutet hätte. Die mittlerweile berühmten mephistopheleischen Grimassen, die Alegre live an den Tag legt, wurden von einem Musiker geschnitten, der jede Sequenz, jede Synkope, jeden Kontrapunkt physisch miterlebt, einem Musiker, der sich nie leerspielt, sondern – im Gegenteil – bei jedem Gig wie durch einen Akku neu auflädt. Er war nicht viel später regelmäßiger Gast im Porgy & Bess, spielte mit seinem Sextett drei vielbeachtete CDs ein, tauchte bei den wichtigsten internationalen Festivals auf, gigte mit den wichtigsten namhaften Jazzmusikern der Szene, die sich glücklich schätzten, ihn bei ihren Produktionen und Projekten als Gast zu beherbergen, wie etwa Mathias Rüegg und sein Vienna Art Orchestra. Und dennoch ist Alegre Corrêa viel zu sehr im Augenblick, in seiner Musik beheimatet, in seiner Liebe zur Musik und der Wahl seiner Projektpartner nie auf nur irgendein Marktkalkül bedacht, daß es nicht nur für seine Karriere, sondern auch für seine erstklassige Musik schade wäre, würde diese nicht auch ein internationales Publikum in ihren Bann schlagen können.
Alegres Approach.
Alegre Corrêa wurde am 9. Juni 1960 in Passo Fundo/Rio Grande do Sul geboren. Bereits mit 13 Jahren übersiedelte er in seine eigentliche Heimat: die Musik – als Gitarrist, Sänger, Perkussionist und Komponist. Diese Heimat ist in ihrem Kern zweifellos brasilianisch und doch nach allen Richtungen hin offen. So bleibt es auch egal, ob er ihr in Porto Alegre huldigt, wo seine musikalische Laufbahn ihren Anfang nahm, oder in Wien, einer Metropole nicht nur der Klassik, sondern auch des Jazz. Beim „Fampop“- (1988) und beim „Musicanto“-Festival (1992) in São Paulo gewann er jeweils den ersten Preis in der Kategorie „Komposition“. 1989 ging Alegre erstmals nach Europa. In Wien gründete er 1993 das Alegre Corrêa Sextett und arbeitete in weiterer Folge mit den Größen der dortigen Szene – Karl Ratzer, Timna Brauer & Eli Meiri, dem Vienna Art Orchestra u. a. – zusammen. Unzählige Auftritte – etwa beim Montreux Jazz Festival (Schweiz), bei „Florianopolis in Jazz“ (Brasilien) und dem WOMAD-Festival in Wiesen (Österreich) – festigten seinen Ruf als einer, der innerhalb seines Genres neue Wege beschreitet; Wege in neue Richtungen, aber auch Wege, die ihn immer wieder zu seinen „Raízes“ führen.Die Fachpresse wird das Etikett noch erfinden müssen, das sich auf den individuellen Stil Alegre Corrêas heften ließe. Begriffe wie „Fusion“ und „Crossover“ läßt er ebenso gleichgültig hinter sich wie die Trennung von Kopf und Bauch. Denn seine Musik offenbart sich als sinnlich u n d intelligent, komplex u n d leichtherzig, groovy u n d elegant. „Brasilianische Musik ist seit jeher eine Mischung“, räumt Alegre ein. Die musikalischen Mosaiksteinchen, aus denen sich das schillernde Phänomen Corrêa zusammenfügt, sind also bereits selbst „Fusion“. Es waren dies zunächst die Traditionen von Río Grande do Sul, jenem Spannungsfeld unterschiedlichster musikalischer Elemente, wo tropische Leichtfüßigkeit gegen argentinische Schwermut brandet: zum Beispiel der behäbige 3/4-Takt des Chamamé, der Chacarera oder der Milonga, jene ländliche Urform des Tango, die zunächst von den Cowboys der Pampa, den Gauchos, gepflogen wurde (und als Gauchos werden in der Folge alle Einwohner der südbrasilianischen Provinz Rio Grande do Sul bezeichnet, eine Anrufung, die Alegre noch immer stolz auf das Revers seines Designeranzuges heftet, gegen den er mittlerweile die alternative World-Music-Tracht – Gilet und Ethnokäppi – eingetauscht hat). Und natürlich prägten ihn der Samba, der Bossa Nova und die MPB (música popular brasileira), weiters der Einfluß seiner wichtigsten Vorbilder Antonio Carlos Jobim, Toninho Horta, Hermeto Pascoal sowie eine gute Portion Jazz, Pop und Funk, die auch in seinem Stil verschmelzen. Den Innovator Hermeto Pascoal, dessen bahnbrechende Fusionexperimente dem musikalischen Ausdruck Alegres vielleicht noch am nächsten kommen, konnte er sogar für die Aufnahme seiner zweiten CD „Negro Coração“ gewinnen.
Raízes .
Ein Baum, der so kraftvoll in neue Höhen sprießt wie die Alegre Corrêa Group, muß sich aus vielen tiefen Wurzeln nähren. „Raízes“ (Wurzeln) heißt auch die neue CD, mit der das Ensemble – mit Wurzeln im südbrasilianischen Porto Alegre – die bunte Vielfalt zeitgenössischer brasilianischer Musik um neue Farben und Schattierungen bereichert. Natürlich tänzeln da schwermütig-leichtfüßige Bossas durchs Repertoire, wie etwa die Komposition „Vindobona“, eine Hommage des Bandleaders Alegre Corrêa an die Stadt Wien, die ihn seit nunmehr sieben Jahren musikalisch befruchtet und der er als Gegenleistung die Tür zur brasilianischen Musik geöffnet hat. Aber auch traditionelleren süd- und nordbrasilianischen Stilen (Musica Nordestina) wird mit dezentem Jazz-Feeling und subtilen kontrapunktischen Arrangements neues Leben eingehaucht. Beim Track „Rio Azul“, dessen Melodie Johann Strauß’ Donauwalzer zugrunde liegt, verdichtet sich das Konzept der Band mit all ihren Einflüssen und Nuancen zu einem „musikalischen Manifest“, wie es Alegre nennt. In zwei Wochen spielte die Alegre Corrêa Group die CD im Feedback-Studio im fünften Wiener Gemeindebezirk ein. Die Band, welche bislang ein loser Verband mit festem Kern war, scheint nun feste Konturen angenommen zu haben. „Ich arbeite nicht mit Instrumenten, sondern mit Persönlichkeiten. Ich nutze ihre Talente, und sie das meine“, meint Alegre Corrêa, der Kopf der Gruppe, der den seinen nie über diese hinausstreckt. Die „Persönlichkeiten“ der Alegre Corrêa Group kommen aus ganz unterschiedlichen Ecken, die Diversität ihrer Ideen, Erfahrungen und Zugänge und nicht zuletzt ihre gegenseitige Empathie formten das unvergleichliche Gepräge der Band. So ist die neue Alegre Corrêa Group doch größtenteils die alte geblieben: Denise Fountoura, Bertl Mayer jr., Fernando Paiva (siehe auch „Musikvideo“ auf Seite 60), Paul Urbanek; Ronaldo Saggiorato ist nach längerem Brasilienaufenthalt zurückgekehrt, auch Laurinho Bandeira, der inzwischen auch bei Count Basic spielt. Und mit dem Saxophonisten Thomas Kugi hat die Alegre Corrêa Group einen weiteren hochkarätigen einheimischen Jazzer in ihren Reihen. Als Gastmusiker kann „Raízes“ neben einem Streichorchester auch die Sängerinnen Sumitra Nanjundan und Izabel Padovani sowie Marcelo Onofri aufbieten. Erhältlich sein wird „Raízes“ ab September.„Raízes“: Selten gingen brasilianische Musik und europäischer Jazz, unbändige Rhythmik und lyrische Melodik, Arrangierkunst und impulsive Verspieltheit eine sinnlichere Liaison ein. Daß dabei viele Melodieläufe von zarter Melancholie durchzogen sind, mag nur jene verwundern, welche brasilianische Musik noch immer ausschließlich mit purem Rhythmus, Karneval und Happy Sound verbinden.