treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

SLIM CESSNAs AUTOCLUB

die musikakische Hillibilly Apokalypse samt Weltuntergang: Bringing the Devil back to Gospel

Mit Johnny Cash und Jello Biafra als Rückendeckung.
"This is the country band that plays the bar at the end of the world", hat einst Jello Biafra über SLIM CESSNA'S AUTO CLUB gesagt. Wie Recht er damit hat. Seit ihrer Gründung im Jahre 1993 verzaubert und fasziniert Sänger Slim Cessna mit seinem Gefolge die treu ergebenen Fans. Düsterer Gothic-Country-Blues mischt sichmit fast alttestamentarischem Southern Gospel, melancholisch-verheißungsvollem Americana und einer entsprechenden Punk-Attitüde. Neben Slim Cessna ist es vor allem auch Sänger und Banjo-Spieler Jay Munly, der mit seiner apokalyptischen Bildersprache und seinen dunklen Geschichten über Alkohol, Religion, Gewalt und menschliche Beziehungen eine prägende Rolle im SLIM CESSNA'S AUTO CLUB-Universum einnimmt.

Alles der Reihe nach. "We are just a little country band from Denver. We got started about ten years ago, just me and some friends drinking beer in my basement", so hat Slim Cessna im Jahr 2003 den Ursprung von SLIM CESSNA'S AUTO CLUB zusammengefasst. Und ja, begonnen hat alles einst in Denver, Colorado. Die Stadt Denver hatte im Übrigen schon immer eine recht vitale Musikszene. In den 60er und 70er-Jahren war es vor allem die Folkmusik-Szene, die von sich reden machte. Bob Dylan und Judy Collins lebten und musizierten in dieser Zeit regelmäßig in Denver. Ende der 1970er begann sich dann eine Country-Szene zu entwickeln. Colorado hatte schon lange Zeit einen Namen, was Western und Country betraf, Country-Pop-Aushängeschild John Denver machte die Region weltbekannt. Denver wurde zum anderen Nashville.

In den 80ern sah Denver viele Trends kommen und gehen. Ende der 80er/Anfang der 90er entwickelte sich langsam eine völlig neue Szene. Die Country-Einflüsse waren immer noch massiv, doch die musikalische Herangehensweise wurde weitaus dunkler und düsterer. Es entstanden Begriffe wie "Southern Gothic" oder "Country Gothic", die aber nur bedingt in der Lage waren, diese musikalischen Vorgänge zu beschreiben. Es war ein äußerst finsteres Gebräu aus Folk, Country und Southern Gospel, das man in Denver zubereitete und im Mittelpunkt stand da anfangs vor allem eine Band: THE DENVER GENTLEMEN. 1988 gegründet, bestand das ursprüngliche Line-up der DENVER GENTLEMEN aus David Eugene Edwards (16 HORSEPOWER/WOVEN HAND), Jeffery-Paul Norlander (16 HORSEPOWER) und eben Slim Cessna. Ab 1992 ging man dann aber getrennte Wege: David Eugene Edwards gründete 16 HORSEPOWER, und 1993 begann Slim Cessna mit SLIM CESSNA'S AUTO CLUB. Die Popularität von 16 HORSEPOWER wuchs stetig, vor allem auch in Europa, doch SLIM CESSNA'S AUTO CLUB war lange Zeit so etwas wie der kleine Stiefbruder, mehr ein Geheimtip.

2005 dann das Aus für 16 HORSEPOWER wegen religiöser, politischer und spiritueller Differenzen. SLIM CESSNA'S AUTO CLUB aber gingen beständig ihren Weg. Auch wenn sich das Line-up unzählige Mal änderte, und auch die Liste der Seitenprojekte immer länger wurde, Slim Cessna hielt die Fackel stets hoch. Nach dem 1995 noch in Eigenregie veröffentlichten selbstbetitelten Debüt folgten 1998 "American Country Music Saved Her Life" und 2000 "Always Say Please And Thank You". Letzteres erschien bereits auf Jello Biafras Label Alternative Tentacles, mit dem SLIM CESSNA'S AUTO CLUB seit damals eine innige Freundschaft pflegen. 2004 veröffentlichte man "The Bloudy Tenent Truth Peace", für mich ein kleines Meisterwerk und das Album, das mich zum Fan machte.


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Letzte Werkstatt vor der Hölle
Eine wilde Truppe von Musikern aus Denver/Colorado zelebriert finsteren Southern-Gothic-Country-Gospel und bringt den Teufel zurück ins Gebet.
Wer gezwungen ist, wegen einer Autopanne mit seinem Custom-Car bei Slim Cessna und seinen durchgeknallten Mechanikern einen Boxenstop einzulegen, der hat nicht nur eine falsche Ausfahrt vom "Stairway To Heaven" genommen, sondern ist den "Lost Highway" schon mehr als 666 Meilen entlanggebrettert ...

This is the country band that plays the bar at the end of the world.
Jello Biafra, Label-Chef von Alternative Tentacles
Gospel Music: Der Name für das Genre leitet sich vom englischen Begriff für "Evangelium" ab, der Verkündigung der Frohen Botschaft des Herrn. Ursprünglich diente sie nordamerikanischen schwarzen Sklaven als "Tranquilizer", um sich von der harten Arbeit auf den Feldern und den Plantagen abzulenken, eine gesungene Verheißung für alle, die ein Leben ohne Mühsal und Pein versprach, spätestens im Jenseits ...
Um 1930 okkupierten dann weiße Hillbillys den Sound und transformierten ihn für ihre Bedürfnisse. Einerseits konnten auch die weißen Hinterwäldler ihre Last unter der wirtschaftlichen Depression kaum noch (er)tragen; die Not übersprang somit die Rassengrenzen. Andererseits adaptierten sie die schwarzen Klänge, um eine eigene Musik zu haben, die als moralisches Bollwerk fungierte gegen den im Blues und im Prä-R´n´R in vielen liederlichen Liedern offensiv angepriesenen Sünden-Cocktail aus Alkohol und exzessiver Körperlichkeit:"Singing Gospels Will Save Your Soul!"
Allerdings waren die meisten Schäflein der Gospel-Gemeinde nur blasse Theoretiker der Sünde, und viele der populären Prediger und spirituellen Kreuzritter kannten weder die als Brutstätten des Satans propagierten Blues-Spelunken von innen noch wußten sie, was richtiger Sex ist. Das verlieh der Musik und den Texten im Gospel eine oft eher unglaubwürdige und künstliche Note.

Bringing The Devil Back In Gospel
Sobald Slim Cessna´s Auto Club ihren Gospel-Gottesdienst zu zelebrieren beginnen, merkt man gleich, daß die Band weiß, wovon sie singt. Da schrauben sich klassische Chorgesänge vor schrägen Noise-Altären gen Himmel und sind dabei dennoch aus traditionellen Instrumenten wie Akkordeon, Slide-Gitarren oder Kontrabaß gezimmert. Wenn die beiden Front-Prediger Slim Cessna und Munly Munly von Verzweiflung, Sünde oder dem letzten Bier mit Satan erzählen und dabei um Vergebung flehen, glaubt man den Herren aufs Wort. Der dazugehörige Sound klingt gefährlich, spannend und vielschichtig; er funktioniert sowohl als echter Gospel als auch als Karikatur eines religiösen Fundamentalismus und vermählt traditionelle Momente mit beinahe treibender Punk-Attitüde.
Slim Cessna´s Auto Club sind eine dieser unglaublichen Bands aus Denver. Chef-Kantor Slim Cessna spielte schon vor Jahren zusammen mit David Eugen Edwards, dem späteren Frontmann von 16 Horsepower (jetzt: Woven Hand) in The Denver Gentlemen.
"Als erster Versuch war das eine tolle Sache", erzählt Cessna. "Ich konnte lernen, was es heißt, in einer Combo Musik zu machen - und was Country-Music bedeutet." Doch das Nachspielen fremder Lieder reichte ihm nicht: "Ich hatte einige eigene Songs, die ich so interpretiert haben wollte, wie ich mir das vorstellte", sagt der hagere Typ mit schräger Nachtvogelbrille, blitzenden Goldzähnen und schmuddeligem Cowboyhut.
Wie gut dieses Song-Material klingt, das bezeugen sowohl die fünf regulären Studioalben der Band als auch die wilden Live-Orgien, die eher einer außer Kontrolle geratenen Wanderpredigerzeremonie gleichen als einem konventionellen Konzert: ein Sound zwischen Appalachen-Bluegrass aus dem 19. Jahrhundert und aggressivem "Blutgrass" der Metropolen der Gegenwart - vor einem Publikum, so buntgemischt wie die Menschheit es seit dem Fiasko beim Turmbau zu Babel ist.

Unsere Hörer haben nur eines gemeinsam: sie sind alle keine Jünger des Mainstream. So spielen wir einen Abend vor einem Haufen tätowierter Freaks mit Rockabilly-Frisuren, und am nächsten vor Emo-Kids, die uns aus - welchem Grund auch immer - genauso schätzen - sage Slip Cessna.
Live-Gigs machen Spaß und beglücken das Herz des Musikmissionars.

Faust und Mephisto, das rastlose Energiebündel und der finstere Schalk, das sind die beiden Role-Models des Auto Clubs, personizifiert in Slim Cessna und Munly Munly. Cessna ist die klare, klagende Stimme des Herrn; er ist für einen Gesangsstil verantwortlich, den er von Country-Jodelkönig Slim Whitman übernommen hat: Ich war schon immer ein großer Fan von Slim Whitman, das Jodeln im Country gehört einfach zum Initiations-Sound, und gerade seine hohen Falsett-Töne sind einfach faszinierend. Er ist der bisher einzige Country-Sänger, dessen Style ich wirklich zu imitieren versucht habe. Den heiligen Geist atmete Cessna dabei bereits im Elternhaus quasi permanent ein. Sein Vater war ein populärer Baptistenprediger in ihrer Heimatstadt Fairplay:
Religiosität war ein integraler Bestandteil meiner Kindheit, wovon ich heute noch zehre, auch wenn ich inzwischen meine eigene Coverversion des Christentums gefunden habe.

Den Gegenpart dazu bildet Munly Munly, selbst Frontman der Dark-Edge-Countryband "Munly & The Lee Lewis Harlots". Er steuert die tiefen, grummelnden Vocals bei, mit denen er seine in das Band-Konzept integrierten dunklen Geschichten über das Unbewußte, über seelische Deformationen und Mordgedanken vorträgt, während Cessna sein lyrisches Augenmerk eher auf den konventionellen, alltäglichen und oft skurrilen Wahnsinn im Leben Amerikas, auf Truckdriver, Barbesitzer und Barbesucher richtet.
Umbraust vom treibenden Country-Gospelsound und den Backing-Chören der Mitmusiker peitschen sich ihre Stimmen gegenseitig auf. Wenn die eine von baldiger Erlösung singt, rechnet die andere bösartig die bisher ungesühnten Vergehen zusammen. Dabei entsteht nicht nur ein musikalisches Duell, sondern zusammen mit dem Gesamt-Sound der Band die musikalische Hillbilly-Apokalypse.
Und weil der Weltuntergang bekanntlich nie verkehrt ist, sollte man das zumindest einmal gehört haben, bevor es zu spät ist ...