Zurück im politischen Kabarett
Thomas Maurer brilliert in "Out of the dark" als geläuterter Thomas Maurer
Wien - Auf Youtube ist der Clip zwar nicht zu finden. Aber man traut Thomas Maurer durchaus zu, derart betrunken gewesen zu sein, dass er in der von Oliver Beier moderierten ORF-Sendung Was gibt es Neues? das öde Mitraten verweigerte - und schließlich polternd das Studio verließ.
Nun steht der Mann, der mit knapp 44 Jahren schon sein halbes Leben Kabarettist ist, auf der Bühne des Stadtsaals und entschuldigt sich kleinlaut bei seinem Publikum. Nach vielen Entgleisungen will er wieder durchstarten - "mit lauter altem Schas", wie er eingesteht, kompiliert zum Best-of mit dem Titel Out of the dark.
Dieser Thomas Maurer, der seinem Erfinder lediglich äußerlich gleicht, will die Vorfälle, die vom Boulevard breitgetreten worden seien, aber nicht unkommentiert lassen. Damit sich sein Publikum noch einmal daran ergötzen kann, lässt er die Videos auf die große Leinwand hinter ihm beamen.
Die Einspielungen mit Cameo-Auftritten von Anchorman Armin Wolf, Bundespräsident Heinz Fischer ("Maurer ist ein Lauser") und anderen sind unglaublich. Als Studiogast in Kulturmontag zum Beispiel ärgert Mauer maßlos, lediglich Ersatz für Peter Sloterdijk zu sein. Zudem neidet er Daniel Kehlmann, dem sich Barbara Rett mit all ihrer Hingabe zugewendet hat, den Erfolg: Angewidert wirft er dem Autor Papierbälle ins Gesicht. Als Kehlmann andeutet, doch lieber Sloterdijk als Gesprächspartner zu haben, verliert Maurer völlig die Fassung.
Sein Verhalten war natürlich nicht professionell, räumt er ein. Aber eben: Er stand unter Druck, die Scheidung setzte ihm zu und so weiter. Dass er Kokain schnupfte, sei ihm nicht bewusst gewesen: Ein TCM-Arzt hätte ihm das Granulat - rein pflanzlich! - gegen seine Nebenhöhleneiterung gegeben. Aber nun, nach einer Therapie, steht er wieder auf der Bühne.
Er erinnert sich seiner Anfänge: Damals, 1988, gab es ja noch die UdSSR! Und die Dienstleistung war noch nicht erfunden: Alle waren grantig, die "Mistkübler" durften um halb 7 Uhr das ganze Haus wecken. Maurer streut wie zufällig alte Nummern ein oder spielt auf Programme wie Sputnik oder Bis Dorthinaus an. Out of the dark ist ein in der Tat raffiniert gebautes Stück, dessen Komponenten miteinander in Beziehung stehen.
Und plötzlich ist Maurer in der Gegenwart angelangt - mit einer halbstündigen politischen Analyse, die unglaublich treffend wie witzig ist. Man kann kaum glauben, dass Maurer diese zum überwiegenden Teil aus seinem Programm Dschungel von 1995 übernommen hat. Wortgewaltig zieht er über die Regierung und "die Prolos" her, dann stellt er hinterfotzig die Demokratie infrage: Wahlberechtigt sollten nur jene sein, die Steuer zahlen, denn dann hätte Strache "ausgeschissen". Und er rät seinen Zuhörern, Mitglied der FPÖ zu werden, um die Partei von innen heraus zu verändern. Falls "diese Bagage" dennoch an die Macht käme, sei es sicher kein Fehler, "wenn man dabei ist". Ein echtes Highlight!
(Thomas Trenkler/ DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2011)
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BIOGRAFIE:
in Worten
Erfolg ist nicht alles im Leben.
Es gibt, wenn man einmal einen Schritt zurücktritt und nachdenkt, soviel anderes, das mindestens genauso wichtig ist: Geld zum Beispiel, oder Ruhm, eine große Wohnung, ein vernünftiges Auto.
Am wichtigsten ist aber doch, daß man Mensch bleibt. Also, für mich, persönlich. Mensch bleiben ist das allerwichtigste. Pudel zum Beispiel möchte ich nie sein. Oder Lego.
Da bleib ich lieber Mensch.
In Zahlen
2011
Jänner "Da bin ich jetzt supernackt", Vorlesung der Telefonprotokolle im Audimax mit Palfrader und Scheuba
Premiere mit dem Programm "OUT OF THE DARK" im Stadtsaal, Wien
Premiere "Wir Staatskünstler" im Theater Rabenhof, Wien
2010
Drehbuch für "Wie man leben soll" von T.Glavinic, mit D.Schalko.
2009
Premiere mit dem Programm Áodílí im Posthof, Linz.
Österreichischer Kabarettpreis 2009 für Áodílí.
Mitgestalter beim Ö1 Satiremagazin "Welt Ahoi".
2008
Hörbuch von Thomas Glavinic "Das bin doch ich" gesprochen von Thomas Maurer.
Zweite Staffel von "Die4da". Regie: Rupert Henning.
ROMY 2008 Kategorie: "Das beste Buch" für Die4da.
2007
Autor und Darsteller von "Die4da". Regie: David Schalko
Präsentation des Buches "Im Wendekreis der Wende".
Premiere der kabarettistischen Lesung "Papiertiger" im Kabarett Niedermair.
2005
Hauptrolle in dem Theaterstück "Der Kameramörder" nach dem Buch von Thomas Glavinic; Regie: Anatole Sternberg.
11.Soloprogramm "Menschenfreund" im Vindobona (Spielstätte Wiener Lustspielhaus).
Gast im Rateteam von Oliver Baier bei "Was gibt es Neues".
2004
Präsentation der Literatursendung "Lesen mit Thomas Maurer" im ORF.
2003
Premiere des 10. Soloprogramms "Die neue Selbständigkeit" in der Wiener Kulisse.
Verleihung des Karl 2003 für "Die neue Selbständigkeit"
Premiere von "Anleitung zur politischen Unmündigkeit" gemeinsam mit Florian Scheuba im Vindobona .
Nestroy-Preis - "Spezialpreis" für besondere Leistungen im Theaterbereich für "Die neue Selbständigkeit".
2002
"Die Supernacht der Weihnachtsstars" mit Clemens Haipl, Martin Puntigam, Oliver Baier und Gerald Votava im Rabenhof Theater.
2001
Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises (Sparte Förderpreis der Stadt Mainz) 2001 für "Zwei echte Österreicher" im Unterhaus Mainz.
9. Soloprogramm "Stinknormal" in der Wiener Kulisse.
2000
Premiere mit "Zwei echte Österreicher" gemeinsam mit Florian Scheuba.
Buchpräsentation "Das Hirn muss einen Saumagen haben" - Das Beste aus den Kolumnen "Medienmanege" in der Tageszeitung Kurier
1999
Tournee mit "Intensivdamisch" in Österreich und Deutschland
1998
8.Soloprogramm "Intensivdamisch" Premiere in der Wiener Kulisse.
1996
7. Soloprogramm "Unter uns" - Die Verschwörungstheorie.
"Programmpreis" des "Deutschen Kabarettpreis 1996" für "Dschungel"
1995
Programm mit Josef Hader und Leo Lukas: "Jam-Session"
6. Soloprogramm "Freibier!" - das Beste von dem, was bisher geschah.
5. Soloprogramm "Dschungel"
ab November Kolumnist bei der Tageszeitung "Kurier".
1994
Österreichtournee und Gastspiele in Deutschland.
Eigene ORF Produktion: "Das Tier und wir" / "Wien den Wienern".
1993
Programm mit Leo Lukas: "Servus Hong Kong!"
4. Soloprogramm: "Sputnik"
1992
Programm mit Texten von Alfred Polgar und Egon Friedell: "Soldatenleben im Frieden"
1991
Verleihung des "Salzburger Stier";
Programm mit Leo Lukas und Karl F. Kratzl: "Eine Reise ins Glück";
3. Soloprogramm: "Placebo Forte"
1990
Programm mit Josef Hader: "Die Zwei"
2. Soloprogramm: "Bis Dorthinaus"
1989
1.Soloprogramm: "Unterm Farkas hätt's des net geben". Parallel Absolvierung des Zivildienstes.
1988
Erster Erfolg beim Talentwettbewerb "Sprungbrett" im Kabarett Niedermair.
1986
Beginn einer Buchhändlerlehre.
1985
Ruhmloser Abschluß der schulischen Laufbahn.
1967
geboren am 27. Juni·
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Österreich 2000
Rollerskater fressen Pizza
Microscooter schlecken Eis
Mittagsspecial: Salat "Nizza"
Heute zum Probiers-doch-Preis
Kombifahrer hören HipHop
Knorr-Familie geht zum Mac
Türken pflegen Audis tipptopp
Frischer bäckt's Ihr Frische-Bäck
FPÖler fressen Döner
Sozis tragen Hugo Boss
Autos werden laufend schöner
Linux kämpft mit MS-DOS
Kornblumen erglänzen blauer
Rote Nelken welken leise
Herzlichkeit wird bissl rauher
Weise ziehen ihre Kreise
Kanzler lächelt ohne Lippen
Vizesusi grinset mit
Anton macht die Dodel wippen
Und das Leben ist ein Hit
Thomas Maurer
Kabarettist.
PRESSE UEBER MAURER
Thomas Maurer - Lachen und denken
Die Grenzen der Sprache sind auch die Grenzen der Welt in und um Wien. Aber nirgendwo sind die Grenzen charmanter als bei den Wienern, bei denen es Wörter gibt wie zum Beispiel "Hundstrümmerl" (das, was der Hund macht), "Pudern" (das, was Herrchen und Frauchen machen), "Tschik" (das, was sie hinterher rauchen) und "Holzpyjama" (das, was am Ende allen Fleisches der "Bompfenewra" für die letzte Ruhe maßschneidert).
Der Wiener Kabarettist Thomas Maurer entfaltet sich auch in seinem achten Solo - Programm bis in den letzten Winkel dieser Welt und verbreitet sich über Hundekacke und Kopulation, über Drogen und Tod, Drama, Liebe, Wahnsinn und über alles, was möglich ist, dazwischen. Schon der Titel ist auch so ein Wort: "Intensivdamisch", die Steigerung von "damisch", beschreibt in Wien einen wirren Zustand der Überempfindlichkeit für Umweltreize - den Idealzustand eines Kabarettisten. Maurer sitzt in der Lach- und Schießgesellschaft auf einem mit heißer Fön - Luft aufgeblasenen Plastiksofa und spielt einen 31jährigen am Rande einer Midlife - Crisis, der nicht ein- schlafen kann.
Das wird zur mondsüchtigen Irrfahrt auf einem wahnsinnig reißenden Sprach - Fluß, dem Maurer fast drei Stunden lang sämtliche seiner Schleusen öffnet und mit dem er versucht, die Wort-Grenzen wegzuschwemmen. Auf diesem Sprach - Fluß treibt das Publikum thematisch gen Uferlosigkeit eines erzählten ungeheuren Alltags, gelotst von einem, der redet wie ein Kumpel am Tresen, aber ohne Punkt, so schnell und drunter und drüber, daß er manchmal ganze Sätze verschluckt und nur hin und wieder ein paar Schlagwörter zum Festhalten auftau- chen: in der Shopping-City Amok laufen... neoliberale Marktwirtschaft überstehen... FPÖ-Haider erschießen ... Frauen abschleppen ... Sozis seckieren... und dann noch Kurt Cobain betrauern.
Welche Wörter finden Wiener eigentlich, wenn sie einen wie Maurer loben wollen, einen jungen Künstler, der es schafft, witzig und tiefgründig gleichzeitig zu sein, skurril und politisch, böse und poetisch, und der obendrein auch noch ein Feeling für Rock'n'Roll hat?
Maurer fand, genauso wie zum Beispiel sein Kollege und gelegentlicher Partner Josef Hader, eine zeitgemäße, zeitgeistkritische Antwort auf die Frage: Braucht das Kabarett schon den Holzpyjama, und wenn nein, was braucht es dann? Seine schlaflose Bühnenfigur ist ein des Lebens Müder, der sein Unbehagen an der Zweidrittel-Gesellschaft bekennt. Durch seinen spielerischen Wahn macht Maurer zum Witz, daß das Kabarett aus- gerechnet angesichts der aktuellen sozialen Härten und des Rückzuges ins Private angeblich kein Thema mehr hat. Sogar zum Kabarett-Muffel gewordene Menschen erfahren deshalb bei Maurer das alte Wunder: Nachdenken und gleichzeitig Lachen macht schön.
JOCHEN TEMSCH
Süddeutsche Zeitung 8.1.1999
Da kichert der Wahnsinn
Da liegt er meistens und kann nicht anders, ein Verlorener in der Welt, die er verloren hat; ein Todmüder, der nicht schlafen kann - was bleibt dem Wiener Kabarettisten Thomas Maurer anderes, als sich "Intensivdamisch" zu präsentieren?
Und das tut er rücksichtslos gegen sich und gegen sein Publikum. Ruhelos im Taumel zwischen totaler Erschöpfung und eben solcher Überdrehtheit, im Zustand des "Zuviel-zu-tun-habens-daß-man-zu-gar-nix-mehr-kommt" schafft es dieser Arsen-Vertreter mit Sahnehäubchen, sein Auditorium auf die Rolltreppe des Lebens zu locken, mitten hin- ein ins Spiegelkabinett der Ansichten und Einsichten ohne Aussicht.
Ein (Alp) Traumverlorener lädt ein auf sein Analytiker - Sofa (aufblasbar, durchsichtig, plastisch); und einmal Platz genommen, klebt man fest.
"Intensivdamisch" in der Lach & Schieß. Thomas Maurer zerrt ins Netzwerk seines Analytiker - Sofas
Zappelt im Netzwerk dieses Lockvogels, der ein unerbittlicher Jäger ist. Ein Jäger, bei dem Beutesein unglaublich Spaß macht: Wenn er über das "herstellige" verlogene Grinsen jeglicher Dienstleistung, über unser Sein oder Nichtsein in dieser Welt, die sich lächelnd, anhündelnd als Shopping Center ohne Notausgang anbietet, um den Schlaf gebracht wird. Mit dem Pokerface eines Tigers, der sich in der Maske eines verwundeten Rehs heranschleicht, krallt sich Thomas Maurer seine nur scheinbar harmlosen Alltagsbefindlichkeiten, um sie genialisch dreist, hinreißend absurd, sogar hemmungslos blödelnd in kafkaeske Visionen zu steigern. Schrecken der Wirklichkeit, und der Wahnsinn kichert mit. Da muß man im früheren Leben keine Reblaus gewesen sein, um intensivdamisch Riesenrad zu fahren auf dem Rummelplatz überm Zentralfriedhof, und das nicht nur in Wien.
Sigrid Hardt
Abendzeitung 7.1.1999
KRITIK
Thomas Maurer - Lachen und denken
Die Grenzen der Sprache sind auch die Grenzen der Welt in und um Wien. Aber nirgendwo sind die Grenzen charmanter als bei den Wienern, bei denen es Wörter gibt wie zum Beispiel "Hundstrümmerl" (das, was der Hund macht), "Pudern" (das, was Herrchen und Frauchen machen), "Tschik" (das, was sie hinterher rauchen) und "Holzpyjama" (das, was am Ende allen Fleisches der "Bompfenewra" für die letzte Ruhe maßschneidert).
Der Wiener Kabarettist Thomas Maurer entfaltet sich auch in seinem achten Solo - Programm bis in den letzten Winkel dieser Welt und verbreitet sich über Hundekacke und Kopulation, über Drogen und Tod, Drama, Liebe, Wahnsinn und über alles, was möglich ist, dazwischen. Schon der Titel ist auch so ein Wort: "Intensivdamisch", die Steigerung von "damisch", beschreibt in Wien einen wirren Zustand der Überempfindlichkeit für Umweltreize - den Idealzustand eines Kabarettisten. Maurer sitzt in der Lach- und Schießgesellschaft auf einem mit heißer Fön - Luft aufgeblasenen Plastiksofa und spielt einen 31jährigen am Rande einer Midlife - Crisis, der nicht ein- schlafen kann.
Das wird zur mondsüchtigen Irrfahrt auf einem wahnsinnig reißenden Sprach - Fluß, dem Maurer fast drei Stunden lang sämtliche seiner Schleusen öffnet und mit dem er versucht, die Wort-Grenzen wegzuschwemmen. Auf diesem Sprach - Fluß treibt das Publikum thematisch gen Uferlosigkeit eines erzählten ungeheuren Alltags, gelotst von einem, der redet wie ein Kumpel am Tresen, aber ohne Punkt, so schnell und drunter und drüber, daß er manchmal ganze Sätze verschluckt und nur hin und wieder ein paar Schlagwörter zum Festhalten auftau- chen: in der Shopping-City Amok laufen... neoliberale Marktwirtschaft überstehen... FPÖ-Haider erschießen ... Frauen abschleppen ... Sozis seckieren... und dann noch Kurt Cobain betrauern.
Welche Wörter finden Wiener eigentlich, wenn sie einen wie Maurer loben wollen, einen jungen Künstler, der es schafft, witzig und tiefgründig gleichzeitig zu sein, skurril und politisch, böse und poetisch, und der obendrein auch noch ein Feeling für Rock'n'Roll hat?
Maurer fand, genauso wie zum Beispiel sein Kollege und gelegentlicher Partner Josef Hader, eine zeitgemäße, zeitgeistkritische Antwort auf die Frage: Braucht das Kabarett schon den Holzpyjama, und wenn nein, was braucht es dann? Seine schlaflose Bühnenfigur ist ein des Lebens Müder, der sein Unbehagen an der Zweidrittel-Gesellschaft bekennt. Durch seinen spielerischen Wahn macht Maurer zum Witz, daß das Kabarett aus- gerechnet angesichts der aktuellen sozialen Härten und des Rückzuges ins Private angeblich kein Thema mehr hat. Sogar zum Kabarett-Muffel gewordene Menschen erfahren deshalb bei Maurer das alte Wunder: Nachdenken und gleichzeitig Lachen macht schön.
JOCHEN TEMSCH
Süddeutsche Zeitung 8.1.1999