Seit 1995 geht das Treibhaus mit einer städteplanerischen und kulturpolitischen Idee in Innsbruck spazieren, hat frech die Wiese, an deren linken Ecke das Treibhaus steht, liebevoll VOLKSGARTEN getauft und beschildert, hat mit drei Volksgartenfestivals 1996, 1997 & 1998 in einem riesigen, aufwändigen, jeweils mehrwöchigen Kulturspektakel mit Zigtausend Besuchern für dieses Kulturquartier demonstriert. Nicht ohne Erfolg: Die Innsbrucker und deren Gäste stürmten das Programm, die IVB-HaltestelLe "Museumstrasse" wurde für einige Monate in Haltestelle "Volksgarten" umbenannt, die Höttinger Faschingsgilde fuhr sogar mit einem Volksgarten-Wagen durch den Innsbrucker Fasching und gewann den 1.Preis, der Volksgarten wurde in den Wahlprogrammen der Parteien aufgenommen, die ÖVP hat den Volksgarten sogar in ihren Stadtplan und Wanderführer als Wahlzuckerl eingetragen - um ihn wie die Grünen nach der Wahl gleich wieder zu vergessen.
Der Projekt-Text 1985 & 1995:
ist ein Park, nicht viel kleiner als der Hofgarten. Eine Wiese mit nur Kultureinrichtungen als Anrainer rundherum: Treibhaus, Volksschule Innere Stadt, FranziskanerKloster, Volkskunstmuseum, Theologische Fakultät, Jesuitenkirche, MK, Akademisches Gymnasium, Landesmuseum, dahinter Landestheater, Synagoge, Cinematograph - & ein Haus der Musik: ein Platz - voll mit entzückenden Innenhöfen und versteckten Räumen - Arkadenhöfe im Volkskunstmuseum & theologischer Fakultät, Madonnensaal in der Fakultät bis zur Krypta unter der Kirche etc. Der gesamte Platz ist nicht im Eigentum eines Privaten, er gehört der Republik. Zäune verhindern aber, dass hier ein offener Park, dass hier ein Museums- und KulturQuartier bereits existiert, für den Innsbruck weitum beneidet werden würde.
In Innsbruck ist dieses städtebauliche Kleinod durch Zäune zerstört. Die Idee Volksgarten verändert die Innsbrucker Innenstadt, denn die bekommt etwas, das ihr fehlt: ein Kulturquartier und ein pulsierendes Herz aus Altstadt, Hofgarten, Volksgarten - durchlässig unter- & miteinander verbunden. Fast geschenkt:
Dieses KULTURQUARTIER kost fast nix - außer ein bissl Hirnschmalz & einen17er SCHRAUBENSCHLÜSSEL!
Eigentlich war es Herwig van Staa, der uns zur Umsetzung unseres Projekts ermuntert hatte, nachdem 12.397 Unterschriften ihn zum Weiterbestand des Treibhauses aufgefordert hatten - um 100 Unterschriften mehr als seine Liste bei den Gemeinderatswahlen Stimmen erreichte, die ihn 1994 zum Bürgermeister machten. Er eröffnete uns tatsächlich diese Perspektive „damit die Kreativen im Land ihren Weg in die Innere und Äußere Emigration überdenken“. Für drei Jahre! hat mir Herwig van Staa die Finanzierung des Volksgartens fix und foxi zugesagt: anders hätt ich gar nie angefangen - gegen den Willen des Kulturamtes obendrein.
vor den Zäunen des Volksgartens fand das erste Volksgartenprogramm statt - und wurde vom ersten Tag an gestürmt - ein „Aufbegehren mit Künstlern“, ein fünfwöchiges Programm als „Ansingen gegen Zäune in und um uns“ - knapp 150.000 Menschen verwandelten die lnnsbrucker Innenstadt in ein pulsierendes urbanes Zentrum voll südländischem Charme - auf allen Plätzen rund um den Garten. Daß sich die Aufrichtigkeit unseres Anliegens auf so viele Menschen übertragen hat, war beglückend. „Danke! daß wir erleben durften, wie Musik und Theater - zumindest für kurze Zeit - Menschen und Plätze verändern und zum Leben erwecken können & eine ganze Innenstadt dazu. Welch ein Glück, zu erleben, wie Musik Grenzen überschreitet, Barrieren abbaut, Zäune überwindet. Wir durften zur Freude anstiften und dabei erleben, wie sinnstiftend Kultur-Arbeit sein kann.“
Trotz des überwältigenden Erfolges verweigerte das Kulturamt der Stadt dem Volksgarten die weitere Unterstützung. „ ... hat nicht in unserem Sinn funktio-niert, a la longue sitz ich am längeren Ast“ (Zitat des obersten städtischen Kulturbeamten, dem zuvor sein Schreibtisch abhanden gekommen war und den er im Klärwerk wieder gefunden hat). Wir bäumten uns gegen so viel kulturpolitische Ignoranz auf: Zigtausende Menschen folgten uns, kamen zu den Veranstaltungen des 2. Volksgartens „trotzdem“ - auf den Plätzen rund um den eigentlichen Volksgarten: am Franziskanerplatz, am Karl-Rahnerplatz, vor dem Landesmuseum, in der Krypta der Jesuitenkirche - unvergessen der berührende Abschluß mit Jan Garbarek & dem Hilliard Ensemble in einer überquellenden Jesuitenkirche - ein Konzert, den Zugvögeln im Volksgarten gewidmet. Prinzip wiederum: alle sozialen Schichten, alle Altersgruppen einzubinden - sie ins Zentrum der Stadt einzuladen, bei freiem Eintritt - zu einem wunderbaren Fest aus Musik & Theater. Die kulturpolitisch Verantwortlichen blieben davon unbeeindruckt & der Volksgarten verschuldet.
Statt zu resignieren schlagen wir dem Zeitgeist ein Schnippchen. Die Fußball-WM in Frankreich kam uns gerade recht. Volksgarten 1998: Warum nicht ein Kultur-Ereignis mit einem Sportereignis verknüpfen? Wieder Zäune abbauen; und Gräben, (z B. zwischen Sport und Kultur) - im VOLKSGARTENSTADION am Marktplatz. Flugs haben wir so nebenbei „Public Viewing“ erfunden, das es bis dahin noch gar nicht gab und danach auch nie mehr wie damals: Fußball - eingebettet in ein internationales Konzertprogramm. 200.000 Menschen & mehr feierten friedlich und fröhlich diesen Spagat aus Sport und Kultur - in einer sechswöchigen Liebeserklärung an Innsbruck - auf einem damals noch geschotterten Platz, den zuvor nicht einmal die Hunde nutzten. Das Volksgartenstadion geriet zu einer riesigen Demonstration für eine Piazza Navona am Inn, für einen lebendigen Stadtplatz. Trotzdem: Mit dem Schlußpfiff herrschte dieselbe lähmende eiskalte Funkstille im Rathaus, bestand kein Interesse an unserer Arbeit. Die Stadt ist uns bis heute die zuvor vollmundig zugesagte Subvention schuldig geblieben!
Trotz aller Pläne und voller Ideen - Irgendwann müssen wir uns das Scheitern auch eingestehen; ohne jegliche politische und finanzielle Unterstützung verkünden wir das AUS für den Volksgarten, sagen das fertige Programm ab - inclusive Gianna Nannini & Buena Vista Social Club - wehmütig & mit einer Träne im Knopfloch - aber dennoch selbstbewußt: Geblieben von unseren Träumen: der Marktplatz wurde asphaltiert und der Hamburger Fischmarkt hat dort endlich eine Bleibe. Daß man den großen Konzilstheologen Karl Rahner mit einem Parkplatz vor der Jesuitenkirche abspeist, hab ich als gotteslästerliche Schande empfunden - dort mit Alois Schild als Parkplatz-Mörder in die Annalen der Stadt eingegangen zu sein, macht mich stolz
immerhin
hat paul flora mir seinen raben
für meinen volksgarten geschenkt
der kra kommt jahr für jahr
herbeigeflogen und ist
noch immer nicht ergraut.
der rabe kra. er singt:
heute krächzen * morgen krähen
*
Alles seit je.
nie was andres.
immer versucht.
immer gescheitert.
einerlei.
wieder versuchen.
wieder scheitern.
besser scheitern
(als nicht versuchen)
samuel beckett. er*wartet auf godot
es werde volksgarten: ein bitten & beten
in maiandacht & hochamt
open-air-konzert & strassentheater jazzfrühstück & journalismusfest
ein aufbegehren mit künstlern:
rebekka bakken, josef hader, otto lechner
mit hilfe der fratres von arvo pärt
und der musik von werner pirchner
& der frömmigkeit der tiger lillies:
in der jesuitenkirche, in deren krypta
beim großen theologen karl rahner.
vielleicht sogar im schulgarten?
wenn nicht: das treibhaus hat platz.
möge die übung gelingen. sie sei
den vögeln im volksgarten gewidmet
norbert k. pleifer.
* den ehrenschutz für den ersten volksgarten 1996 hat der großartige zeichner Paul Flora übernommen.
er hat uns seinen raben samt inschrift im jahre schnee geschenkt.
• bürgermeister hannes anzengruber haben wir nach seinem tanz im turm durch den volksgarten geführt:
verblüfft und schlußendlich begeistert vom potential des ganzen areals hat er den ehrenschutz 2025 übernommen,
uns ermuntert und es ermöglicht, das kleine festival als erinnerung an das vergangene und als weckruf für ein nachdenken über das jetzt und das MORGEN zu veranstalten.
• bei drucklegung stand noch nicht fest, ob wir nicht doch sogar zwei konzerte im schulgarten Open Air veranstalten dürfen:
dr. christian heel vom büro des bürgermeisters verhandelt für uns: möge es ihm gelingen.
latest (fake?) news: im bürgermeister-büro soll an einer VolksgartenApp »gemeinsam im kulturquartier« gebastelt werden - wird da & dort gemunkelt.
• zu volksgartenzeiten war die jesuiten- kirche VON ANFANG AN immer spirituelles zentrum.
rektor P. Christian Marte SJ sei dank:
auch heuer geben uns die jesuiten raum, um zu beten, zu bitten und zu musizieren.
Karl Rahner drunt in der krypta schmunzelt: VOLL gaudium et spes -
von den parkenden autos auf seinem platz
hat ihn die volksgartenidee gleich am ersten tag befreit - immerhin :
nicht ohne stolz: wendelin weingartner ist mein zeuge! / nkp