KRAFT DER MAGIE
Seit Jahren schon rätseln Laien ebenso wie Experten, aus welcher mysteriösen Quelle die Erfolge der Freiheitlichen stammen. Nun wurde das Geheimnis gelüftet. Die Partei verdankt ihren Siegeszug dem Okkulten. Eine Wahrsagerin, die angeblich seinerzeit auch schon Jörg Haider vor drohendem Unheil warnte, soll der von Legenden umrankte strategische Kopf der Partei sein. Offenbar wahrsagen statt die Wahrheit sagen.
Das verwundert allerdings nicht, zumal allzu Rationales ja nie wirklich ein programmatischer Schwerpunkt der Blauen war. Irrationale Gefühle zu wecken war stets das Elixier der freiheitlichen Hexenküche. In Vollmondnächten werden Kräuter gemixt, die den Konsumenten für scheinbar abstruse Reime empfänglich machten.
Magie musste wohl auch im Spiel sein, wenn Kandidaten ohne jede Substanz achtbare Wahlergebnisse erzielten. Zwar fiel es dem Beobachter auf, dass freiheitliche Proponenten verblüffende Ähnlichkeiten in Sprachduktus und Aussehen aufwiesen. Doch erst jetzt kann auch hier eine Kausalität hergestellt werden. Ein Zaubertrank tut seine Wirkung, damit alle Kandidaten einander wie ein Ei dem anderen gleichen.
Die Frage, ob die Freiheitlichen ihre Wahrsagerin auch anständig entschädigt haben, stellt sich in diesem Kontext natürlich überhaupt nicht. Denn der Lohn für diese spiritistische Mühe liegt anderswo. Nicht schnöder Mammon ist die Währung der Magie, nein, ihr steht Höheres im Sinn. Macht und Einfluss sind der Antrieb jener verlorenen Seelen, die unruhig durch die politische Landschaft geistern.
Besonders in den dunklen Stunden der Republik irrlichtern sie im Sumpf der Innenpolitik. Wie Sirenen betören sie die Unentschlossenen und auch die zu Recht Frustrierten mit inbrünstigen Heimatgesängen. Doch eines scheuen sie wie der Vampir das Sonnenlicht: politische Verantwortung zu übernehmen. Dann verfliegt jäh der Spuk, und bei Tageslicht betrachtet sehen sie wie ganz gewöhnliche Politiker aus. Das ist die Wahrheit, die gesagt werden sollte, und dafür benötigt niemand eine Wahrsagerin.