Genie und Wahnsinn
Günter Gräfenberg begeistert in Tankred Dorsts Stück „Ich, Feuerbach“ im Kellertheater mit schillernder Schauspielkunst.
Soviel ist schon zu Beginn klar: Dieser alte Schauspieler muss irgendwie ein seltsamer Vogel sein. Wie er etwa noch vor seinem Auftritt zusehends aufgebrachter nach Licht schreit, sich dann seinen Weg durch die Bühnentür sucht. Er soll Lettau vorsprechen, einem Regisseur, den er noch von früher kennt. Und das in seinem Alter, mit seiner Erfahrung, nach dieser Bühnenkarriere. Dem nicht genug: Lettau lässt sich vertreten. Es ist nur der Assistent da, ein junger, nur mäßig an ihm interessierter Mensch. Feuerbach ist irgendwie fassungslos. Zunächst kaspert er noch rum, demonstriert genüsslich, wie er einen einfachen Stuhl schauspielerisch zu nutzen versteht. Dann schießt er sich auf den Assistenten ein, beginnt einigermaßen süffisant dessen mögliche Schwachstellen auszuloten. Regisseur werde er keiner, dazu sei er viel zu schwach. Doch der Assistent scheint provokationsresistent, hält dagegen, dass er noch nie von ihm gehört habe, fängt selbst an, Fangfragen zu stellen, die den Alten zusehends in die Enge treiben. Irgendwann wird deutlich: dieser Feuerbach da redet und spielt um sein Leben. Das für ihn offensichtlich mit Bühne gleichzusetzen ist. Es hat zudem seine Gründe, warum er sieben Jahre sprichwörtlich weg vom Fenster war. Jene Bretter, welche die Welt bedeuten, sind zwar letztlich eine Fiktion, doch einmal in seiner Rolle gefangen, hält Feuerbach sie immer wieder für sicheren Boden. „Ich, Feuerstein“ von Tankred Dorst ist ein ebenso vielschichtiges wie zeitloses Stück über die Pathologie des Theaterlebens, die gnadenlose Konkurrenz, das ständige Buhlen um Anerkennung, die seelischen Achterbahnfahrten zwischen Hybris und Scheitern, das Abheben und Fallen, die omnipräsente Doppelbödigkeit, die lauernden Gefahren der Überidentifikation und des Selbstverlustes. Das hat etwas ebenso Tragisches wie Komisches. Florian Eisner, selbst ein erfahrener Schauspieler, hat dieses Stück, das 1986 seine Uraufführung erlebte, nun für das Kellertheater inszeniert und setzt dabei ganz auf seinen Protagonisten Günter Gräfenberg. Der spielt diesen Feuerbach mit einer Intensität und Verve, dass einem zuweilen nur noch der Mund offenbleibt. Sein Gegenspieler, verkörpert von Benjamin Lang, agiert hingegen mit erstaunlicher Gelassenheit, die überdrehten Selbstinszenierungen von Rollenanwärtern sind ihm bekannt, sind sie doch ebenso Teil des Spiels. Herrlich skurril auch Ayla Antheunisse, die mit einem Requisitenhund ins Geschäft kommen möchte. Eva Praxmarer konzentriert sich in ihrer Ausstattung indes auf einige wenige Basics. Denn sobald der Vorhang fällt, das Putzlicht angeht, ist Theater alles andere als glamourös.
Wenn Feuerbach (G. Gräfenberg) sich in Rage spielt, geht man besser in Deckung.