Mit Wärme und Kraft durch Höhen und Tiefen: Die dänsiche Sängerin Susi Hyldgaard
Die frechste Jazzstimme zwischen Björk, Cassandra Wilson und Joni Mitchell. “Sie singt Standards, als wäre es das erste Mal” (Die Zeit). Höchst unkonventionell und ideenreich interpretiert die Dänin bekannte Originale und verzaubert sie mit ihrer ureigenen Bühnenmagie. “Nur wenige vermögen die Jazz-Tradition mit so viel unbefangener Leichtigkeit im Zeitgeist aufzufangen”, schreibt der Kritiker Wolf Kampmann.
Es lebe die Nachhaltigkeit und die Grenzenlosigkeit: Seit 15 Jahren und mittlerweile sieben Alben erfindet sich die wunderbar wandelbare Susi Hyldgaard, Sängerin, Pianistin und Komponistin aus Kopenhagen, immer wieder neu und bleibt sich dabei trotzdem treu.
"Ich schaue mir oft Gemälde an und mir fällt nichts dazu ein. Entweder es berührt mich oder es lässt mich kalt. Genauso ist es mit der Musik." So pragmatisch beschreibt Susi Hyldgaard ihre künstlerische Welt - eine Welt, der die Musikkritiker zu Füssen liegen. Kein Wunder, Susi Hyldgaards Musik präsentiert sich nahbar und intim. Laut Fono-Forum bietet sie etwas, "was es nur selten gibt: unartige Ohrwürmer mit musikalischer Tiefe".
Susi Hyldgaard kommt am 17. Juni 1963 in New York City als Tochter dänischer Eltern zur Welt und verbringt die ersten Lebensjahre an der Seite ihres Kontrabass spielenden Vaters in Big Apple. Seit langem lebt sie mit ihrer Familie aber wieder in Dänemark. In Kopenhagen verdient sie sich ihren Lebensunterhalt als Dozentin an der Musikhochschule. Mit fünf Jahren beginnt sie Klavier zu spielen. Heute zählen auch Akkordeon und Vibrafon zu ihren bevorzugten Instrumenten. Daneben komponiert und textet die Multiinstrumentalistin und Sängerin ihre Songs selbst.
Angesiedelt zwischen Jazz, Elektronika, Ambient, Pop, Folk und modernem Singer/Songwritertum entfaltet sie eine Klanglandschaft, die ihres Gleichen sucht. Auf dieser Suche stößt man über Verbindungen zu Musikprophetinnen wie Björk, Joni Mitchell, Rickie Lee Jones, Cassandra Wilson, Tori Amos und Neneh Cherry. Aus dem elektronischen Lager müssen Portishead, Massive Attack, Lamb, Lambchop und Craig Armstrong herhalten, um ihren musikalischen Kosmos zu beschreiben. Des weiteren dienen Jan Garbarek und Claude Debussy als Einflussgrößen. Wie viel Wahrheit in diesen Gleichnissen liegt, mag jeder selbst entscheiden.
Im Kontext ihres 2005er Albums "Blush" kann ein weiterer brauchbarer Vergleich beigesteuert werden. Durch die intensive und reduzierte Intimität, die ihr viertes Soloalbum ausstrahlt, fühlt man sich angenehm an die Duoeinspielungen von Sidsel Endresen und Bugge Wesseltoft erinnert. "Ich wollte ein möglichst einfaches Album machen. So wenig Instrumente wie möglich, wenig Beats" erläutert sie ihre Vorstellungen zu "Blush". Fest steht: Susi Hyldgaard klingt wie Susi Hyldgaard, auch wenn man sich mit den genannten Gegenüberstellungen ihrer Musik gut nähern kann.
1996 debütiert Susi Hyldgaard mit "My Female Family", einem Instrumentalalbum, das vorwiegend im Quartett eingespielt ist. Als sie drei Jahre später für "Something Special Just For You" ihre Songs zusätzlich mit Texten versieht, stellt sich im Handumdrehen der Erfolg ein. Der dänische Grammy als "Best Jazz Newcomer" verschafft ihr die nötige Aufmerksamkeit. Der Hype um Jazzvokalistinnen und der Run auf nordische Musik, die beide um die Jahrtausendwende einsetzen, tun ihr Übriges, um Susis Musik internationale Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
"Home Sweet Home" (2002) erntet euphorische Kritiken in ganz Euroland. Der Nachfolger "Blush" etabliert sie endgültig als innovative und kreative Songschreiberin, die allen gezogenen Vergleichen locker standhält und dabei ihr ganz eigenes Ding macht. So wie es auch die zum Vergleich bemühten Künstlerinnen tun - jede auf ihre Weise! "Natürlich habe ich diese Musikerinnen gehört und schätze sie. Aber das ist es dann auch. Direkt beeinflusst, fühle ich mich nicht", stellt Hyldgaard selbstbewusst fest.
Wie soll man jemand auch beeinflussen, der keine Plattensammlung sein Eigen nennt, der noch nicht einmal Radio hört: Sie hört fast keine Musik, sie macht selbst welche! Diese unorthodoxe Einstellung teilt sie mit einigen anderen musikalischen Eigenbrödlern, die sich jedem Vergleich widersetzen. Dennoch kommt auch sie um Gegenüberstellungen nicht herum. "Ihre Stimme besitzt die hohe Bestimmtheit einer Joni Mitchell, den leichten Irrsinn einer Björk und die Beweglichkeit einer Kate Bush", trifft Zeit-Redakteur Konrad Heidkamp den Nagel auf den Kopf.
"Magic Words" ist Jazz, ist Pop, ist Ambient, ist Elektro-Avantgarde und ist nichts von alledem. Susi Hyldgaard ist einfach Susi Hyldgaard, lautet denn auch das Resümee zu ihrer fünften Produktion. Darauf setzt sie sich auf ihre unvergleichliche Art u.a. mit Cole Porter, Van Morrison, Henry Mancini, Nat King Cole und Frank Sinatra auseinander. Dann hat sie die Faxen von kleinen Besetzungen erstmal dicke.
"Sometimes its nescesary to take things to the limit", antwortet Susi Hyldgaard auf die Frage, warum sie sich auf "It's Love We Need" (2009) den klanglichen Möglichkeiten einer Big Band zuwendet. "Ich habe schon so lange in kleinen Formationen gearbeitet. Die Zeit war reif für mehr Raum, mehr Klangfarben und sehr weit gespreizte Flügel" - oder "Susi Hyldgaard ist immer für Überraschungen gut", wie es Jazzthing-Autor Martin Laurentius formuliert.
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"Grenzenlos" ist das Attribut, das sie oft bekommt. Und es ist vielleicht das Einzige, das sie genau beschreibt. Die dänische Sängerin Susi Hyldgaard ist Alles und doch nur eines: Sie selbst. Sie besitzt die Lässigkeit einer Singer-Songwriterin, die Perfektion einer Jazzsängerin, ist dabei Multiinstrumentalistin, Soundkünstlerin und, und, und....
Schon immer konnte sie den Horizont öffnen und den Blick auf einen weiten Himmel freigeben, um einen Track später den Zuhörerer in eine berückende Fetzenwelt fallen zu lassen. Man war ihr leidenschaftlich hilflos ausgeliefert, egal ob sie auf der Bühne stand, oder ihre Stimme aus den Lautsprechern eines Plattenspielers kam.
Und auch auf "Dansk", ihrem jüngsten Werk, reißt sie einen mit virtuos-sinnlicher Gewalt aus dem Kontext. Schon diese Texte! Auf Dänisch, Deutsch, Französisch und Englisch verfasste sie die Lyrics, mischt manchmal alle vier Sprachen in einem Song. Hinzu kommen Bruchstücke von Interviews, die sie in Vietnam, Afrika und noch ein paar anderen Ländern führte, eindringlich geflüsterte Passagen, die einen schaudern lassen, verzerrte Kinderstimmen. Sie spielt mit diesen Elementen, konstruiert Flächen, deren Unendlichkeit manchmal kaum zu ertragen ist.
Mit der ersten Nummer "Regarde Je Tens La Main Vers Toi" befinden wir uns im Rhythm&Blues.Ihre Stimme besitzt Kraft, trotzdem fehlt ihr nicht die Wärme. In lupenrein intonierten, bluesigen Linien bewegt sie sich über den Groove ihrer beiden Mitmusiker, dem Bassisten Jannik Jensen und der Schlagzeugerin Benita Haastrup. Spätestens auf "Women" entfürt sie mit Gitarre und Percussion in die Weltmusik. Der Gesang wird streckenweise instrumentalisiert, über allem schwebt eine Synthiemelodie.
"Det' Dansk" hingegen ist eine stillvergnügte Reflexion übers Heimatland: "...Someone like me, who likes having a bit of everything but doesn't like actually sharing." Vielleicht ist es das, was ihre Musik so faszinierend macht. Sie ist ein bisschen von allem, aber trotzdem nichts Halbes.
"Geburt" ist einer der Tracks, die einem Schauer über den Rücken jagen, weil dieses Mysterium in einem fast schroffen Bassmuster, einem leeren, straighten Groove auf die dabei empfundenen Schmerzen reduziert wird, und das gezwungene Im-Moment-Leben der davon geplagten Frau einfängt. Und am Ende breitet Hyldgaard für ihren Hörer die Arme aus. Auf "Dreh Dich", einer wunderbaren Klavierballade, landet man sanft wieder auf dem Boden des eigenen Daseins. Aber irgendwie fühlt man sich anders. Nicht mehr zu schnell oder zu langsam, sondern genau richtig.
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Es lebe die Nachhaltigkeit und die Grenzenlosigkeit: Seit 15 Jahren und mittlerweile sieben Alben erfindet sich die wunderbar wandelbare Susi Hyldgaard, Sängerin, Pianistin und Komponistin aus Kopenhagen, immer wieder neu und bleibt sich dabei trotzdem treu. 1996 im Alter von 32 Jahren veröf- fentlichte die zunächst als Radiojournalistin arbeitende Susi Hyldgaard ihr erstes Album My Female Family. Spätestens mit ihrem dritten Album und ihrem Enja-Debüt Home Sweet Home (2002) hat sie als “Mistress of Songs and Sounds” (Westdeutscher Rundfunk) einen exzellenten und eigenständi- gen Ruf erworben. Dabei reicht ihre Zusammenarbeit bislang von den Tindersticks und Mathew Herbert (Blush, 2005), über Aldo Romano (Magic Words to Steal Your Heart Away, 2007) bis hin zu Roy Nathanson, Bill Ware und der NDR Big Band (It’s Love We Need, 2009).
Ihre musikalische Bandbreite wird als grenzenlos, eigenstän- dig und nicht etikettierbar gefeiert: ”Wer sich zwischen Song- writer-Attitüde und Jazz nicht entscheiden mag, Loops, Noises und Akkordeon stimmig einsetzt, Housebeats und Nostalgie mischt, der verwirrt seine Zuhörer. Genialisch!”, schreibt der Rolling Stone. Und auch die Leipziger Volkszeitung lobt die Künstlerin anlässlich ihres Magic Words-Albums für ihre Einzigartigkeit: „Susi Hyldgaard bleibt bei sich und ist eben deswegen nur unter anderem Jazz-, Folk-, Trip Hop- oder Popsängerin. Vielleicht ist sie ganz einfach nur eine mit wacher Konsequenz andere Singer-Songwriterin. Auch für ihr neues Album sollte man sie feiern. Es ist wieder ein geheim- nisvoller Solitär, ein Anker im Meer des Musikbetriebs.“ Kein Wunder, dass ihre Alben von der Musikpresse zusätzlich mit Prädikaten versehen werden: Magic Words to Steal Your Heart Away wurde 2007 von Stereo zur CD des Monats und von Stereoplay zur Audiophilen CD des Monats gekürt; It’s Love we Need zwei Jahre später erneut zur CD des Monats in Stereoplay.
Auf ihrem neuen Album Dansk schlägt Susi Hyldgaard, die ”eigensinnig in ihrem eigenen Musikkosmos Verwobene” (Die Zeit) nun ein weiteres spannendes Kapitel auf. Als bekennen- de Soundtüftlerin machte sie sich vor der CD-Produktion auf Reisen, um dem Typischen ihrer Heimatlandes – und damit auch sich selbst – auf die Spur zu kommen. Dazu hat sie in Asien und Afrika Frauen aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Alters interviewt und sie nach ihren Träumen und Wünschen befragt. Herausgekommen ist dabei zum Glück keine sperrige musikalisch-wissenschaftliche Abhandlung, sondern ein – ganz im Hyldgaardschen Sinne – vielschichtiges, mehrsprachiges Song- und Sound-Album, das komplex, eingängig und lässig zugleich wirkt – und voller Überraschungen und Entdeckungen steckt. Eingespielt wurde Dansk im Trio mit ihren langjährigen Weggefährten Benita Haastrup (Drums) und Jannik Jensen (Bass); die Multi- instrumentalistin Susi Hyldgaard steuert – mal eben den Rest – Piano, Keyboards, Ukulele, Gitarre und Akkordeon bei und ergänzt den eigenen Gesang mit dem ihrer Familienmitglieder. Bleibt die abschließende Frage: Was also ist Dansk: Typisch Dänisch oder typisch Susi?