treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

ER IST DA: DER TREIBHAUS-KONZERT-PASS # HERBST 24 - gilt bis 31.12. & kost 44€30

Den Treibhaus-Konzert-Pass gibts bereits. // das Konzert-Visum für fast alle Konzerte im Herbst '24 - kostet 44€30 - wie vor 25 Jahren • online hier oder im Treibhaus - gegen Bares an der Bar - bis er ist wieder gar.

DIE NERVEN

SCHWEINESTAAT-BULLEN-SYSTEM war gestern, der junge deutsche Punk ergründet die menschliche Konkursmasse.  und weiß, daß PUNK mehr ist als Dosenbier.

Sind Die Nerven nun eine Punkband, Teil einer eigenen DIY-Rock-Generation oder gar eines Achtziger-Revivals? Da ist man sich einig: "Scheißegal". Für ihn bedeute Punk viel eher die Haltung, die Dinge so zu machen, wie er es möchte, so der Frontmann. "Das hat nichts mit einem Musikstil zu tun. Und auch nichts mit Dosenbier." - Verbunden in »Angst« (und ihrer Überwindung): Die Nerven haben sich für ihr neues Video von niemand geringeren als von TOCOTRONIC mimen lassen.
Ich habe Angst vor Begebenheiten, Ängste vor Situationen
Obwohl ich weiß, dass diese Ängste sich überhaupt nicht lohnen

​DIE NERVEN: IM SCHUTT GEBOREN.
Die nervenden Genervten:
Julian Knoth, Kevin Kuhn und Max Rieger

Sie schreiben ganze Alben an weniger als einem Tag, fordern mehr Selbstachtung und bringen uns jede Menge paranoiden Fun: ein Portrait der Stuttgarter Band Die Nerven.

Die Nerven wollen »einfach hart ficken«. Und zwar euch da, in der zweiten Reihe. Euch Provinz-Mucker, euch Konfirmanden und Konformisten, euch, die ihr immer über Typen wie Die Nerven gelacht habt. Eine halbe Interview-Stunde haben sich Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn in Höflichkeiten geübt, doch dann platzt es aus ihnen heraus, und Schlagzeuger Kuhn bringt die Motivation der Stuttgarter auf den Punkt. Schon eine Split-Single mit Candelilla hieß Fick dich Alter!, sie erschien zwischen dem ersten Nerven-Album Fluidum und dessen nun vorliegendem Nachfolger Fun. All das ist binnen eines Jahres passiert.

Alles rast voran bei dieser Band. Sie sind Zöglinge des Post-Empire, sie wissen, dass es kein Außen mehr gibt. Aber das entbindet keineswegs von Verantwortung – vor allem gegenüber sich selbst. »Das ist immer noch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest«, singen Die Nerven auf Fun. Oder: »Wenn du Fehler machst, rettest du dich selbst.« Eine logische Fortsetzung der Fluidum-Berlin-Depesche »Irgendwann geht’s zurück«, in der es heißt: »Aber andere Städte ändern auch nichts an deinen Komplexen!«

Obendrein sind Die Nerven ein Nebenprodukt von Stuttgart 21. Im Freiraum der sogenannten Waggons auf einem ruhenden Gleis für Schuttabtransport trafen eines Abends Knoth und Rieger, die sich seit ihrer Umlandjugend kennen und gerade das zweite Nerven-Konzert überhaupt gaben, auf Kuhn, dessen damalige Band dort debütierte. Schnell fanden sie zusammen – und bald erste Bestätigung. »Man konnte zwei Tage vorher erst die Band gegründet haben«, erinnert sich Knoth an die mittlerweile mit neuem Konzept weitergezogene alternative Kulturstätte. »Trotzdem waren Leute bei deinem Konzert und sehr offen.« Zum Mittelpunkt des Bandgeschehens ist inzwischen Riegers WG geworden, »eine total heruntergekommene Bude, in deren Umkreis kein Mensch wohnt. Dafür haben wir ein Wohnzimmer und einen Proberaum.« Nur die Klingel fehlt.

In dieser WG haben Die Nerven einen Großteil der von Bekannten initiierten Kompilation Von Heimat kann man hier nicht sprechen (siehe SPEX N° 350) aufgenommen. Fünf Songs wurden es am Ende, eingespielt von fünf verschiedenen Bands, denn die Mitglieder von Die Nerven sind in verschiedensten Konstellationen auch unter anderen Namen aktiv: All diese Gewalt, Wolf Mountains, Peter Muffin und Melvin Raclette. Letzteres ist ein Projekt von Kuhn, mit dem er satte 100 Soloalben veröffentlichen will. Allein über Weihnachten wurden 30 fertiggestellt und direkt hochgeladen. Die Soundqualität ist allerdings weniger als Lo-Fi.

Fürs Schreiben von Fun haben sich Die Nerven mehr Zeit gelassen, »netto vielleicht 16 Stunden«, so Kuhn. Anschließend wurde mit Ralf Milberg, der zuvor Human Abfall produzierte, aufgenommen. »Es ist uns schon wichtig, dass die Musik gut ist«, sagt Rieger. »Es geht nicht ohne Musik, es geht um die Musik.« Und um einen Fluss, wie Knoth fortführt, um Verbesserung gegenüber Fluidum, das »größer geworden ist, als wir es jemals erwartet hatten«. Nun lodern die Saiten dirty wie auf Sonic Youths Dirty vor sich hin, als Brit-Folie dienen statt den Buzzcocks Black Sabbath. »Paranoia, Paranoia!«, ruft es aus den zahlreichen Zwischenspielen. Den Gesang teilen sich Knoth und Rieger, die Texte machen Menschen nicht sichtbar, sondern durchsichtig. Für die Band könnte das Album sogar als Goth-Rock durchgehen, was, man denke an The Damned, gar nicht so abwegig ist.

Kuhn will »niemals die gleiche Platte zweimal machen«, die Kollegen träumen bereits von einem Album »mit Orgel, Streichern und Männerchor, aufgenommen in einer Kirche«. Einfach mal machen, ganz entspannt und befreit, das sei ohnehin »der Grundgedanke von Punk«, dem sich Die Nerven verpflichtet fühlen. Dieser freie Geist erlaubte ihnen auch, sich spontan an alte Helden zu wenden und mit einer ungehörigen Anfrage durchzukommen. Wollen Tocotronic nicht vielleicht im Video zum Fun-Song »Angst« mitwirken? Sie wollten – und so fanden sich Die Nerven im vergangenen Dezember selig-ungläubig in einem Jugendzentrum südlich von Berlin wieder und konnten den alten Helden dabei zusehen, wie sie als Imitationen von Die Nerven aufspielten.

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SPEX
VIDEOPREMIERE: DIE NERVEN & TOCOTRONIC IN »ANGST«
Verbunden in »Angst« (und ihrer Überwindung): Die Nerven haben sich für ihr neues Video, das SPEX.de erstmals zeigt, von Tocotronic mimen lassen.

Ich habe Angst vor Begebenheiten, Ängste vor Situationen
Obwohl ich weiß, dass diese Ängste sich überhaupt nicht lohnen

Es ist ein kalter Dezembertag. In einem Hinterraum des Jugendclub Jokers in Rangsdorf, südlich von Berlin, fachsimpeln Tocotronic über Bio-Zigaretten. Sie warten auf ihren Auftritt vor einem nicht unbedingt interessierten Publikum. In dem niedrigen, teilweise holzvertäfelten Hauptraum fragt die Jugendarbeiterin Conny derweil, ob man Tee oder Kaffee trinken möchte. Kennen die versammelten Jugendlichen (noch) Tocotronic? Die Stichprobe bleibt ohne positive Rückmeldung. Dann besteigt das Trio die kleine Bühne. »Mach das Licht aus, ich will dich nicht mehr sehen!«, prangt es von dem Equipment, welches es ganz deutlich nicht das ihrige ist. Dennoch schaltet Dirk von Lowtzow den Ventilator an und Arne Zank zählt ein. Die eigentlichen Interpreten sind da noch auf dem Weg …

Vor einigen Monaten spielte Trümmer die Goldenen Zitronen in deren »Scheinwerfer und Lautsprecher«-Video. Es passt zur Attitüde von Die Nerven, dass sie wiederum den Generationenspieß umdrehen. Die fixe Idee dazu kam ihnen – wie so manch andere – im Tourbus. Einfach fragen. Und die Vorbilder machen gerne mit.

»Tocotronic waren die ersten, die ich mit acht Jahren richtig gut fand. Sie haben damals ›Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst‹ für VIVA Zwei in ihrem Proberaum gespielt. Das man so texten konnte. Ich dachte, es gäbe nur Schlager und Die Ärzte«, sagt Schlagzeuger Kevin Kuhn am Tag nach dem Videodreh. Von etwaigen Vergleichen will Kollege Julian Knoth allerdings nichts wissen, lediglich »diese Ernsthaftigkeit nach außen und dieser Humor nach innen«, die habe man gemein. Wir ergänzen: der erfolgreiche Triumph über provinzielle Enge.

Das Grundthema des Songs teilen hingegen alle Beteiligten, auch die Kids aus dem Jugendzentrum. Dirk von Lowtzow sagt: »Es geht ja um Ängste, das kann jeder nachvollziehen.« Das Videoteam um Regisseur Maximilian Wiedenhofer und Kameramann Björn Knechtel hat das perfekt und keinesfalls moralisierenden eingefangen. Lediglich ganz spröde steht am Ende: Überwinde die eigenen Unsicherheiten, auch wenn es keinen sonst interessiert. Es ist das gleiche, reinigende Credo, das auch FUN, das wundschürfende zweite Album der Nerven, verströmt.

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LAUT.de
Die Nerven
Ob man Die Nerven nun als Teil einer Bewegung oder einfach als eindrucksvolle Punkband plus x betrachtet, hat auf den Hörgenuss zwar keinen Einfluss. Fest steht aber, dass sich 2013 eine schwer zu übersehende Menge an jungen Bands in den Vordergrund spielt, die zumindest den Do-it-yourself-Hintergrund, die deutschsprachigen Texte und eine gewisse Düsternis gemeinsam haben.
Ein kleiner Haufen Bands, der sich untereinander sympathischerweise sogar anfreundet, anstatt bei der Presse krampfhaft um Alleinstellung zu kämpfen. Denn dafür sorgt der Sound in jedem Fall von selbst.
"Ich glaube, dass viele Musiker nicht mehr so Bock auf Happy Indie haben, so voller Grinsen und Hedonismus", konstatiert Messer-Frontmann Hendrik Otremba 2013 im laut.de-Interview. Und bekennt, dass man da wohl gemeinsam mit ein paar anderen Bands wie Candelilla, 206, Zucker oder eben den Nerven drinstecke.
Letztere haben sich von allen genannten Bands wohl am meisten dem Punkrock verschrieben und gründen sich 2010 in Stuttgart: Max Rieger (Gitarre, Gesang) und Julian Knoth (Bass, Gesang) starten als noisiges LoFi-Duo. "Die Devise war, möglichst laut zu sein und möglichst viel Lärm zu machen", erklärt Knoth später im WiMP-Interview.
So entstehen einige digitale Releases wie "Yes Sir, I Can Boogie!" (2010), "Gute-Nacht-Geschichten Für Kinder Zwischen 1-4" (2011) und "Asoziale Medien" (2012), das die Band immerhin auf CD-Rohling brennt. Ein Exemplar geht auch nach Münster - und nur wenige Monate später erscheint mit "Fluidium" die erste physische Veröffentlichung über das dort ansässige Indielabel This Charming Man. In der Zwischenzeit macht der Drummer-Zuwachs Kevin Kuhn Die Nerven zum Trio. Im Jahr darauf folgt die Split-7" "Fick Dich Alter!" mit Candelilla.
Wie schon die ebenfalls von TCM Records betreute Gruppe Messer, ernten die Schwaben überraschend Feuilleton-Echo. So kürt etwa Jan Wigger von Spiegel Online den im Februar 2014 veröffentlichten Zweitling "FUN" flugs zu "eine(r) der wichtigsten und besten deutschsprachigen Platten dieses Jahrzehnts." Und die Spex haben die drei ohnehin von Anfang an auf ihrer Seite.
"Das Markante an unserer Generation ist, dass es sich immer mehr zuspitzt: Auf der einen Seite immer Leistungsdruck - ich muss schon drei Jahre vor dem Abitur wissen, was ich studiere und welchen Beruf ich haben werde. Auf der anderen Seite gibt es diesen Hedonismus", so Julian Knoth. "Ich habe das Gefühl, wir passen da nicht so unbedingt rein."

Sind Die Nerven nun eine Punkband, Teil einer eigenen DIY-Rock-Generation oder gar eines Achtziger-Revivals? Da ist man sich einig: "Scheißegal". Für ihn bedeute Punk viel eher die Haltung, die Dinge so zu machen, wie er es möchte, so der Frontmann. "Das hat nichts mit einem Musikstil zu tun. Und auch nichts mit Dosenbier."