MICA AUSTRIA:
Die statisch gewordene Klubkultur kann vom formalen Aspekt dennoch überraschen. Kein Projekt verdeutlicht dies anschaulicher als Elektro Guzzi. Die Idee, Techno mit den Mitteln einer klassischen Bandbesetzung zu spielen, ließ zunächst an einen an der Kunsthochschule erdachten Scherz denken. Wer Elektro Guzzi jemals live gesehen hat, weiß um die energetischen Qualitäten des Trios Bescheid. Ganz zu schweigen von der aberwitzigen Bild-Ton-Schere, die es bei ihren Auftritten entwickelt.
Auf die Frage, wie das formale Selbstverständnis von Elektro Guzzi zu betrachten ist, hat Bernhard Breuer eine rasche und eindeutige Antwort parat: „Wir sehen uns definitiv als Band und haben immer wie eine Band gearbeitet“, so der studierte Jazzschlagzeuger, dessen Bandkollegen Bernhard Hammer (Gitarre) und Jakob Schneidewind (Bass) ebenso einen akademischen Zugang zu ihren Instrumenten besitzen. Seit vier Jahren tritt die in Wien beheimatete und mit dem Hang zur instrumentalen Virtuosität ausgestattete Band in Triobesetzung auf. Dass es weitaus länger dauerte, um von der verschrobenen Grundidee, den nunmehrigen, höchst präzisen Sound zu entwickeln, liegt auf der Hand. Begonnen hat die akustische Unternehmung bereits im Jahr 2004. Dabei beruht die musikalische Sozialisierung der Elektro-Guzzi-Mitglieder weniger auf der elektronischen Schiene, sondern entspricht vielmehr der herkömmlichen Proberaumschule. Breuer: „Ich habe Punk- und Noisemusik gemacht.“ Techno in Reinkultur wird man von der Band als wesentlichen Einfluss kaum genannt bekommen. Vielmehr fühlen sich die Elektro-Guzzi-Mitglieder in der experimentellen Musik zuhause. Stichwort: Mego. Nicht nur sozialisierungstechnisch – auch die Arbeitsweise betreffend. Denn die Entwicklung der Band, die mit der Selbstbezeichnung „Techno-Tanzband” eine treffende Umschreibung gefunden hat, ist als Sound-Experiment zu sehen. Über Jahre hinweg wurde im Proberaum getüftelt und gefeilt.
Den Weg nach außen, hin zum Publikum, schlug man erst ein als Form und Inhalt des Bandprojekts homogen und stimmig waren. Deshalb dauerte es bis zum Frühjahr 2010 bis der Longplayer erschien und in der Folge entsprechende Wellen schlug. Wobei man für das Tonträgerdebüt dennoch auf die Fertigkeiten eines wohlbekannten Technomannes zurückgriff: Die mittlerweile vor allem im Genre-Hopping aktive Wiener Technoikone Patrick Pulsinger legte als Produzent und Mischer Hand an der ungewöhnlichen Produktion an. Aufgenommen wurde in Pulsingers Feedback Studio von Oliver Brunbauer. Nicht nur im Kreativprozess setzen Elektro Guzzi auf Bewährtes. Mit einem Vertrag beim renommierten Berliner Macro Label herrscht auch auf struktureller Ebene ein höchst ambitionierter Zugang. Neben der ungewöhnlichen Idee und der formidablen klanglichen Umsetzung mit ein Grund, warum Elektro Guzzi längst aus hiesigen Konzertgefilden hinausgewachsen sind. Der Tourplan anlässlich des Debüts führte das Trio mitunter in die bekanntesten Klubs des Kontinents. Das Berliner Berghain wurde ebenso bespielt wie die Londoner Fabric und ein Abstecher nach Barcelona zum wichtigen Branchentreffpunkt Sónar spricht ohnehin für sich. Die gesamten Qualitäten der Band entfalten sich ohnehin erst in der Livesituation. Die analoge Machart mit Gitarre, Bass und Schlagzeug darf getrost als kreatives Reinheitsgebot bezeichnet werden. Alles was an Minimal Techno, inklusive gut dosierter Dub-Sprengsel, aus den Boxen tönt ist ausschließlich live generiert.
„No Computer, No Pre-Recorded Loops, No Solos“, verspricht die offizielle Bandinfo in eindrücklicher bis stolzer Formulierung. Das gilt auch für die Studioarbeit. Damit stoßen Elektro Guzzi in ein künstlerisches Vakuum, das abseits der Band kaum wer wahrgenommen hat. Das erhöhte Laptopaufkommen der Nullerjahre und das damit einhergehende verstärkte Bedürfnis nach musikalischem Handwerk, hat am Erfolg des Bandkonzeptes einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Nur logisch, dass mit „Live P.A.“ ein Jahr nach dem Debütalbum nun ein Livedokument der Band erscheint. Nahezu zeitgleich gibt es mit der EP „Extrakt” neues Studiomaterial, abermals unter Mitwirkung von Patrick Pulsinger entstanden und via Macro veröffentlicht.
(Johannes Luxner)