Avocado unser
Ernährung ist Religion. Und Religion ist Privatsache. Doch wie bei jeder Glaubensgemeinschaft gibt es, sagen wir es vorsichtig, Nervgänger. Auch Missionare genannt.
Und da Götter gewisse Nachteile aufweisen wie Unsichtbarkeit oder Allmacht, ist es einfacher den Gegenstand der Anbetung selbst zu bestimmen. So entstehen unzählige Formen von Religion, wie etwa der Avocadoismus. Diese Gottheit kommt aus Amerika und verheißt uns ewige Gesundheit, Schönheit und Jugend. Reichlich genossen soll sie sogar schlank machen.
Und da allzu hohe Ernährungsdisziplin rasch zu Fanatismus führen kann, beschütze sie uns auch vor Sündern wie Fleisch- oder Wurstbarbaren. Doch kein Glaube ohne Opfer. Für einen Kilo dieser Frucht, das sind drei Avocados, werden ca. 1000 Liter Wasser benötigt. Der profane Paradeiser braucht ein Fünftel davon. Wenn man bedenkt, dass die Hauptanbaugebiete in ohnehin sehr trockenen Regionen dadurch noch mehr verdorren, wird der Opferbegriff noch verstärkt. Zudem müssen große Waldflächen gerodet werden um der Illusionsfrucht Platz zu machen. So sind „billigere“ Preise zu erzielen, wie vor kurzem in einer hiesigen Qualitätszeitung zu lesen war. Offenbar schlägt sich gesunde Ernährung manchmal auf die Sprachkünste. Doch das tut dem Avocadoismus keinen Abbruch, im Gegenteil.
Es genügt längst nicht mehr, Besserwisser zu sein und damit das Umfeld gründlich zu nerven. Nein, heute ist man Besser-Seier. Man ist und isst besser als die anderen. Ab heute wird zurück gegessen quasi.
Dem Vernehmen nach wird es bald sogar Avocados ohne Kern geben. Das wäre folgerichtig, zumal dies alles sehr am Kern der Sache vorbei geht