Anzug statt Kapuze
Die SPÖ kämpft seit jeher für eine offene Gesellschaft. Sie ist ohne Vorurteile, voll Mitgefühl für die Schwächeren und nicht zuletzt besonders für die Gleichberechtigung der Frau. Sie ist eine große warmherzige Familie und spielt gern Vater-Mutter-Kind. Solange der Vater das Sagen hat.
Nun ist in dieser supertoleranten Großfamilie ein Betriebsunfall passiert. Eine Frau, fast noch ein Mädchen, ist irgendwie ans Ruder gekommen. Und sofort gibt es liebevolle Ratschläge. „Übernimm dich nicht, Puppi!“ Die Doppelbelastung von Klub und Partei soll der zweifachen Mutter erspart werden. Soviel Fürsorge wäre einem männlichen Pendant wohl nicht zuteil geworden. Schnell sah sich das zarte Geschöpf umzingelt von Silberrücken mit Ratschlägen und Begehrlichkeiten, nachdem sich der eigene Förderer feig aus dem Staub gemacht hat. Sogar der gewerkschaftliche Altherrenclub umarmt die neue Chefin, so sie weiterhin die Interessen des ÖGB vertreten werde. Bei soviel Zuwendung kommt fast Gänsehaut auf.
Zum Glück ist in der Partei auch die Frauensolidität intakt. Aus der Steiermark kommen schöne, weltoffene Signale. So teilt die dortige Genossin auf dem dafür geeignetsten Medium, nämlich Facebook, mit: „Statt eines Steirers in Jeans und Hoodie werkt nun ein Akademiker im Anzug.“
Gemeint ist der neue Bundesgeschäftsführer, dieser böse Bobo, dessen Makel ofenbar darin besteht, kein Steirer zu sein. Und noch dazu, das Falsche anzuhaben.
Ja, hier sieht man wieder. Provinz ist kein Ort, vielmehr die Verortung von Stumpfsinn.