BERNARDA ALBA: AM ENDE IST SCHWEIGEN.
Irgendwie scheinen García Lorcas Stücke allesamt von einer längst vergangenen Zeit zu erzählen. Und gerade bei seiner Frauentragödie „Bernarda Albas Haus“ mag man sich hinterher durchaus fragen, welche Relevanz so ein Stück für unsere fast durchwegs säkulare Welt noch haben kann. Denn verkürzt gesagt geht es schlichtweg darum, dass eine gnadenlos despotische Mutter ihre heiratsfähigen Töchter von der Welt und damit vom Leben auf acht Jahre wegsperren will, nur weil Großvater und Vater dies schon als Trauerdienst vorgeschrieben hatten.
Dabei sind die Repression und ihre zerstörerischen Folgen, die Federico García Lorca in dem als „Frauentragödie in spanischen Dörfern“ bezeichneten Stück so unglaublich luzide schreibt, leider nach wie vor hochaktuell. Man denke nur an das Krisenmanagement unserer Tage: seien es nun die Austeritätsprogramme für Schuldenstaaten oder neuerlich hochgezogene Grenzzäune. Was García Lorca zudem aufzeigt: dass sich die Frauenverachtung patriarchaler Gesellschaften natürlich auch bei den Frauen selbst manifestiert bzw. von diesen proaktiv weiter gegeben wird. Ja, das ist aufwühlend und ernüchternd. Aber genau dieses hellsichtige Hinsehen und glasklare Aufzeigen von Ursache und Wirkung macht große Literatur letztlich aus.
Und Hausherr Reitmeier hat diesen meisterhaften Text Lorcas nun mit einem kongenialen Kreativteam und in einer erstklassigen Besetzung sehr konzise zu einem emotional dichten und sinnlich eindrücklichen Theaterabend geformt. Auch wenn Bernarda alles mit eiserner Hand zu kontrollieren scheint, letztlich ist sie in Bezug auf die Wünsche und Begehrlichkeiten ihrer Töchter doch mit Blindheit geschlagen. Weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf. Dabei gäbe es hinreichend Zeichen, die sich in Reitmeiers Inszenierung auch in der Ausstattung deutlich sichtbar niederschlagen. Anke Drewes Kostüme enthüllen etwa sowohl den Konformismus der Älteren wie die Ausbruchsversuche der Jüngsten. Die abgebrochenen Stäbe, die sich in die Spitzenhintergründe des Bühnenbildes bohren, markieren wiederum die vielen Verletzungen, die sich die Frauen untereinander zufügen. Zudem hat Ausstattungsleiter Helfried Lauckner fünf Schaufenster in die Fassade gesetzt, hinter denen sich nur punktuell sichtbar die Zimmer der fünf eingesperrten Töchter verbergen. Ein genialer Einfall: denn damit lassen sich die Innenwelten der Frauen ebenso andeuten wie das heraufziehende Unheil.
Das Ensemble selbst ist in Höchstform: Eleonore Bürcher gibt ihrer Bernarda eiskalte Noblesse, Julia Gschnitzer ist als wissende und gerissene alte Magd La Poncia eine schillernde Gegenspielerin, während Andreas Wobig als verrückte Alte die weggesperrten Sehnsüchte der fünf Töchter verkörpert. Antje Weiser, Sara Nunius, Ulrike Lasta, Marion Fuhs und Lisa-Maria Sexl bleiben sich als Schwestern, Rivalinnen und Mitgefangene in dieser Familiengruft jedenfalls nichts schuldig. Ihr Schicksal und ihr Spiel lassen einen zuletzt regelrecht frösteln. Ein wahrhaft beeindruckender Auftakt für die Schauspielsaison am Großen Haus.
FOTO: RUPERT LARL
Sie herrscht wie eine Despotin über Töchter, Mutter und Mägde: Eleonore Bürcher als Bernarda Alba..
Intendant Reitmeier eröffnet die Schauspielsaison im Großen Haus des Landestheaters mit García Lorcas bekanntester Frauentragödie „Bernarda Albas Haus“.