Aus Angst, es könnte ihm auch noch Jacke, Hemd und Hose davon wehen, zieht sich Groschups Valentin bei einem seiner Föhnspaziergänge mit Liesl Karlstadt bis auf die Unterhose aus, klammert sich die Kleidung unter die Arme und steht somit da wie der Mensch, der die Sprache rein in ihrer einfältigsten Form (die mitunter ja auch die raffinierteste sein kann) begreift und gebraucht: nämlich peinlichst entblößt.
In den neun Dramoletten stellt Groschup seinem Karl Valentin verschiedene DialogpartnerInnen gegenüber: am häufigsten die allseits bekannte Liesl Karlstadt, weiters auch einen Kellner, einen Beamten, einen Passanten, einen Regisseur, einen Philosophen. Sie sind, wie Valentin-DialogpartnerInnen nun einmal sein müssen: tapfer und voll ungebrochenen Glaubens an die Möglichkeit der Verständigung im gleichsprachigen Dialog. Hin und wieder scheinen sie allerdings der Valentinaden müde zu sein und dienen dann zu offensichtlich als bloße Stichwortgeber für den lästig lästernden Herrn Valentin:
KARL VALENTIN: ....was machen sie so. im leben!
DER PHILOSOPH: ich sitze.
KARL VALENTIN: sans einglocht worn!
DER PHILOSOPH: ich sitze hier auf der bank.
Das sind eben solche Stellen, da Valentins Hut kraftlos am Boden liegen bleibt, aber wenn man dann geduldig noch ein bisschen zuwartet mit dem Begreifen und Zugreifen, dann schwingt er sich plötzlich auf und trudelt schwungvoll dahin, sodass es wieder großen Spaß macht, ihm nachzulaufen und ihn einfangen zu wollen.
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Hauptsache Valentin!
Da springt einer von einer Brücke ins Wasser, aus Verzweiflung an sich und der Welt, weil er nicht mehr weiterweiß oder aus anderen Gründen (Zitat: Das ewig Hohe zieht mich hinab.), wird von einem verständnisvollen Fräulein gerettet, zumindest versucht sie es, auch wenn sie nicht weiß, warum der da unten steht (Was suchens überhaupt da unten?), im seichten Wasser, und offensichtlich nicht erpicht ist auf seine Rettung: Machens keine übermäßigen Veranstaltungen wegen meiner. Statt dessen fängt er mit dem Fräulein eine Diskussion an über alles Mögliche (Was Psychologisches, des fang i ma sicher ned aa no an.), und erst zum Schluss merken wir, dass das seine Art ist mit den Leuten ins Gespräch zu kommen: Danke, trotzdem, sagt er da, fürs längere Gespräch. 'S hat heut vielleicht a bissl schwierig angfangen.
Man muss nicht lange nachdenken, um bei solchen Szenen auf Karl Valentin zu kommen, den weisen Grantler und grantelnden Weisen, der aus Prinzip um zwei Ecken denkt, nur um es dann geradeheraus zu sagen, und dann ist auch leicht zu erraten, dass es sich bei seinem kongenialen Gegenpart nur um Lisl Karlstadt handeln kann, die gewohnt naiv Kontra gibt und ihn dennoch bis ins Innerste durchschaut. Lang ist's her, denkt man sich dann und erinnert sich schmunzelnd an all die schrägen Szenen, die man im Kopf hat, an den Firmling, an die Orchesterprobe und anderes, aber eine Brücke fällt einem unter den Stücken und filmischen Bosheiten von und mit Karl Valentin nicht ein.
Wie denn auch! Hier schreibt nicht Karl Valentin, hier wird er geschrieben und in Szene gesetzt, von einem, der in das Original hineinschlüpft wie in eine zweite Haut, bis sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen, bildlich gesprochen, und es nicht mehr wichtig ist, wer spricht und wer schreibt. Hauptsache Valentin! Und man muss sich nur darauf einlassen und wird feststellen, wie mühelos man in das Universum dieses eigenwilligen (Sprach-)Humors eintaucht, auch und gerade, weil der Autor dieser Neuen Valentinaden Walter Groschup heißt. Und das ist beileibe keine Nachdichtung und auch nicht das Strapazieren bewährter Muster, sondern etwas völlig Neues aus dem Geiste Karl Valentins und mit der philosophischen Schärfe dessen Witzes. Es ist, als hätte Walter Groschup die ideale, ihm gemäße Form gefunden, all das auszudrücken, was ihm so durch den Kopf geht, wenn er in aller Frühe, wenn andere durch den Wald laufen oder noch im Bett liegen, am Schreibtisch sitzt.
Einiges davon konnte man vor Jahren schon lesen, in einem kleinen roten Büchel, etliches davon war auch auf der Bühne zu sehen, IM LANDESTHEATER & IM TREIBHAUS, bei den Telfer Volksschauspielen und anderswo. Die Brücke ist jetzt, mit drei weiteren, ebenfalls ganz neuen Valentinaden (Beim Zahnarzt, Der Fernsehapparat, Hinsetzen) zu sehen und zu hören. Karl Valentin hätte seine Freude daran. Aber, würde er sagen, wahrscheinlich übersteigt das Ihr normales Wunschvorstellungsvermögen. – Schauen Sie es sich an!
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Lang lebe Valentins Hut
ist eine augenzwinkernde Hommage an Karl Valentin. In neun Dramoletten lässt Walter Groschup den Großmeister des gries-grämigen Humors wieder auftreten, tatkräftig unterstützt von Liesl Karlstadt. Man meint, den legendären Querulanten geradezu vor sich zu haben, so als wäre seit dem „Firmling” und der „Orchesterprobe” die Zeit stehen geblieben.
Walter Groschup, spezialisiert auf Filme, lebt seit 1962 in Innsbruck.
die brücke
valentin springt von der brücke, karlstadt läuft zur stelle, von der valentin sich fallen ließ, und wirft den rettungsring
valentin: was schmeißn´s ma denn an rettungsring nach!
karlstadt: haltens ihna am ring fest.
valentin: i brauch den ring ned.
karlstadt: haltens ihna fest, am reifn.
valentin: sehns ned, dass i grad was anders mach!
karlstadt: wies´ nur zappeln!
valentin: hörns auf da obn!
karlstadt: jetzt greifens doch endlich zu.
valentin: ich hab den ring ned bestellt.
karlstadt: auf was wartens denn eigentlich noch?
valentin: dass´ wieder gehn!
karlstadt: ah, wenns ihnen stört, ich schau weg. schaut zur seite ölla, die schnur is grissn! der reifn schwimmt davon!
valentin: was is´n des für rettungsring! wenn i mi da festghaltn hätt, tät i aa no wegschwimmen.
karlstadt: schwimmens dem ring nach! sonst is a weg.
valentin: i kann ned schwimmen!
karlstadt: hupft ins wasser und kann ned schwimmen! das ist aber ned gut durchdacht!
valentin: mit durchdenkn hat des aa nix zum tun!
karlstadt: sagns ma wenigstens, was‘ da untn suchn überhaupt, bevors noch ertrinkn.
valentin: mit ausladender geste ich habe hier nichts mehr verloren.
karlstadt: wenns eh nix verlorn habn da, was machns denn dann da untn noch?
valentin: ich musste ins wasser gehn.
karlstadt: mit an anzug an!
valentin: und tauch für den rest meines lebens unter.
karlstadt: des halt die lung´ aber ned aus.
valentin: bis dass ich keine luft mehr krieg!
karlstadt: überlegens ihna des noch einmal.
valentin: tuns bittschön ned so insistiern!
karlstadt: weiß, dass er ned schwimmen kann und springt in den reißenden fluss! nehmens wieder vernunft an.
valentin: dazu ist es leider schon zu spät.
karlstadt: ah, i woaß ned, haltung wenigstens!
valentin: wenns wolln! melde gehorsamst, ich geh jetzt unter!
karlstadt: ned a so!
valentin: fräulein, wie macht mans ihnen recht!
karlstadt: kommens wieder raus!
valentin: ich nehme nunmehr meinen abschied.
karlstadt: an abschied kann ma si ned nemma.
valentin: ich häng mein lebn an den nagl!
karlstadt: an was fürn nagl?
valentin: dieses flusses. wo is´n da ana!
karlstadt: gut, dass es in unseren flüssen keine nägel gibt.
valentin: zuvor aber noch einen kräftign schluck!
karlstadt: dafür is des ned der richtige ort.
valentin: haben sie da irgendwelche brauchbarn informationen, wo´s günstiger wär!
karlstadt: es is da ned einmal tief genug.
valentin: geh i mehr in die mittn!
karlstadt: es is unbesonnen, was´ da machn. wenn man zu solch einem entscheidenden schritt greift?
valentin: was tun sie mit an schritt! greifen! einen schritt tätigt man!