treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

ER IST DA: DER TREIBHAUS-KONZERT-PASS # HERBST 24 - gilt bis 31.12. & kost 44€30

Den Treibhaus-Konzert-Pass gibts bereits. // das Konzert-Visum für fast alle Konzerte im Herbst '24 - kostet 44€30 - wie vor 25 Jahren • online hier oder im Treibhaus - gegen Bares an der Bar - bis er ist wieder gar.

IN THE COUNTRY

Morten Qvenild: IN THE COUNTRY -  NORWEGEN - ein abend auf dem Lande - zwischen Jazz, Klassik & Rock

In The Country» ist momentan sicherlich eines der angesagtesten und eigenständigsten Piano Trios, das neue Klänge zwischen Jazz und Alternativ Rock auslotet. Morten Qvenild, der Pianist des Trios, ist anerkannter Komponist und Songwriter mit einer starken eigenen Handschrift. In den Liedern kommt viel musikalische Freiheit zum Ausdruck und eine große Sicherheit, frei mit den verschiedensten Stilen umzugehen. Man spürt den Hang zum absurd Komischen und zu einer spröden aber feinsinnigen Melancholie, die nie ein Augenzwinkern missen lässt. Alles tönt wunderbar gekonnt unperfekt. Die Melodien klingen tatsächlich wie ein schöner und sehnsuchtsvoller Nachmittag «auf dem Lande» wie es der Bandname suggeriert. Das Trio fügt aber durch ein sprödes, minimalistisches und einfühlsames Interplay der Musik wieder die nötige Offenheit und Freiheit bei. Keiner anderen Jazz Band gelingt es auf so subtile Weise – und das ohne Gitarren – einen Alternativ Rock Sound zu erzeugen. «In the Country» ist eine der Bands, die dem Jazz definitv eine neue Alternativen aufzeigen.

Morten Qvenild, p
Roger Arntzen, b
Pal Hausken, dr

Angesichts der Vielzahl herausragender norwegischer Musiker vergisst man gerne, wie wenig Einwohner das Land hat und wie klein und vernetzt die Musikszene ist. Vielleicht haben norwegische Jazzer deswegen seit jeher keine Berührungsängste. Mal ist man mit den Kollegen von der Klassik unterwegs, mal macht man bei einem Pop-Projekt mit, man kennt sich ja. Ein gutes Beispiel ist der Pianist Morten Qvenild. Der 33-Jährige aus Kongsberg, der in einer Bigband begann, bevor er an der Norwegischen Musikhochschule in Oslo Jazz studierte, hat seither bei bemerkenswert unterschiedlichen Bands gespielt. Das Spektrum reicht vom akustischen Metal-Jazz-Quartett „Shining“ und den Jazzrock- Bands „Jaga Jazzist“ und „The National Bank“ der Brüder Lars und Martin Horntveth über die Pop-Truppe „Ostenfor Sol“ bis zu den Formationen der Sängerin Solveig Slettahjell („Slow Motion Quintet“) und Susanna Wallumrod („Susanna and the Magical Orchestra“). Bei letzterer war er mit diversen Tastenund Elektronikinstrumenten ganz allein das „Magical Orchestra“. All diese Einflüsse flossen in sein eigenes, 2003 gegründetes Trio „In The Country“ mit Roger Arntzen am Bass und Pal Hausken am Schlagzeug - zwei ehemalige Kommilitonen an der Osloer Musikhochschule – ein. Dass er es dabei zur meisterhaften, so noch nicht gehörten Versöhnung zwischen Tradition und Experiment, zwischen Individualität und allgemeiner Hörerfahrung, zwischen Jazz und Pop gebracht hat, das beweist nach vier international beachteten norwegischen Alben nun sein ACT-Debüt „Sunset Sunrise“. Auch da ist „In The Country“ wieder dem skandinavischen Blues auf der Spur. Schon der doppeldeutige Bandname - ist das Land oder der Musikstil gemeint? - verweist ja auf eine besondere „Erdung“ der drei. Nicht dass Qvenild besonders an der Diskussion über den „nordischen Ton“ interessiert wäre, aber einen Einfluss sieht er schon: „Die norwegische Geschichte ist bestimmt davon, dass du die Entscheidungen im Alltag selbst treffen musst, einfach weil man so weit voneinander entfernt wohnt. Wenn ein Wolf vor deiner Haustür steht, musst du selbst entscheiden, ob du ihn erschießt oder nicht. Das nimmt dir anders als anderswo kein Vermieter ab. Ich denke, das ist wichtiger, als es sich die meisten vorstellen: Seit jeher waren wir eine autodidaktische Gesellschaft, und das ist auch wichtig für die Entwicklung des norwegischen Jazz. Wir haben einfach unser eigenes Ding gemacht – manches davon war nordisch, manches überhaupt nicht. Es geht nur darum, gute Musik aus dem zu machen, was du bist. Und das versuchen wir mit ‘In The Country‘“.

Was den dreien bemerkenswert gelingt: So ist schon das Eröffnungsstück „Birch Song“ zunächst durchdrungen vom typisch süßen, chromatischen Moll der nordischen Musik, von Edvard Grieg über Jan Garbarek bis zu Esbjörn Svensson – bis die anfangs zarte, fast klassische Melodie in bedrohliche, von quietschenden Geräuschen und dunklen Akkordgewittern durchzogene, schließlich in Stille auslaufende Untiefen abgleitet. „Birch“ steht ja auch nicht nur für Birke, sondern auch für die zur Züchtigung benutzte Birkenrute und damit für Schmerz, wie Qvenild heiter anmerkt. Auch „Derrick“, das nur vage von der Fernsehserie inspirierte Stück, kontrastiert sein zunächst fast mechanistisch eingeführtes Thema mit einem unwirklichen Klick-Laut, bis es in einen federnden, von Akkordschlägen befeuerten Groove umkippt. Selbst wenn Qvenild den Flügel klanglich verfremdet und erweitert – auf Konzerten installiert er gerne eine Leiste mit Tonabnehmern, mit der sich vom Flügel aus Tondateien des Laptops ansteuern lassen -, wenn er einmal improvisierend in wilde Läufe abzweigt wie auf dem Titelstück, wenn flirrende Ergänzungen aus der digitalen Welt dazukommen, wenn das zumeist sehr ruhige Tempo sich unwillkürlich beschleunigt, so geht es ihm doch nie um die Extreme. Alles bleibt natürlich, von einem ruhigen Puls geerdet und trotz aller Komplexität wohlklingend. Qvenild ist ein Meister der Reduktion, der in lang gezogenen dynamischen, rhythmischen und improvisatorischen Steigerungen wie wenige den Kern einer Melodie herausschälen kann und ihn dann in etwas Neues verwandeln kann. Wie etwa am Ende beim „December Song“, dem man die Vorlage von George Michael definitiv nicht mehr anhört. So ist „Sunset Sunrise“ ein doppeltes Meisterwerk der Klangästhetik: Ausdruck des individuellen Stilwillens von Qvenild, Arntzen und Hausken, aber auch ein Paradebeispiel für den elegischen, mal ins Verklingen, mal ins Hymnische mündenden „nordischen“ Sound, wie er ganz zu Recht seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat. Was man auch „In The Country“ wünschen möchte.