Das Leben, ein fatales Spiel
Westbahntheater
Jean Paul Sartre: Das Spiel ist aus.
Zuletzt ist man fast ein wenig ratlos. Hätten die beiden, die vom Schicksal füreinander bestimmt waren, sich wirklich nur auf sich selbst, sprich ihre Liebe konzentrieren sollen? Reicht das für ein sinnerfülltes Leben? Ist es nicht legitim, dass sie die Schwester vor ihrem Mördergatten warnen und er als Anführer der Widerstandsbewegung das System vom Despoten befreien möchte? Aber Sartre, der Parade-Existenzialist, legt in seinem von Jean Delannoy 1947 verfilmten Drehbuch von „Das Spiel ist aus“ gänzlich andere Spielregeln fest. Die erweisen sich freilich als ebenso fatal wie existenziell bedrohlich, zumal das Setting wie das Scheitern der Protagonisten schon vorbestimmt zu sein scheinen.
Doch der Reihe nach: Eve, Frau des Milizsekretärs André und der Untergrundkämpfer Pierre treffen sich nach ihrem gewaltsamen Tod in der Aufnahmestelle des Jenseits und entdecken dort rasch ihre Zuneigung füreinander. Da sie eigentlich schon in ihrem vormaligen Leben füreinander bestimmt gewesen wären, sich aber da nicht begegnet sind (was die Direktion über Leben und Tod aus welchen Gründen auch immer sogar als Fehler eingesteht), dürfen sie noch einmal auf die Erde zurück. Allerdings mit der Auflage, dass es ihnen gelingen muss, ihre Liebe mindestens 24 Stunden gegen alle widrigen Umstände zu verteidigen. Andernfalls droht ihnen der neuerliche und damit endgültige Tod. Dass man bei Sartre nicht mit einem Happy End rechnen kann, ist klar. Und gleichwohl das Ende dadurch ebenfalls schon festgelegt zu sein scheint, will man es doch nicht wahrhaben, folgt man wie gebannt diesem Spiel und den darin angelegten fatalen Verstrickungen.
Regisseurin Luka Oberhammer hat dieses von Peter Hailer, Andreas Schäfer und Claudia Grönemeyer für die Bühne eingerichtete Drehbuch hochdynamisch und gleichzeitig doch sehr subtil umgesetzt. Johannes Schlack hat ihr dafür ein raffiniertes zweistöckiges Gerüst gebaut, in dem Diesseits und Jenseits, Regime und Untergrund, Upper Class-Boudoir und Partisanenwohnung überaus stimmig Platz nebeneinander finden. Theresa Waas und Christoph Griesser sind als Eve und Pierre schlichtweg brillant in ihrem determinierten Liebes- und (Über-)-Lebensspiel. Das Westbahntheater-Ensemble (Magdalena Bauhofer, Bernadette Ganahl, Sara Hochgruber, Susi Mair, Sonja Rudolf, Ossi Nairz, Markus Pinter, Christoph Steinbacher, Christoph Stoll, Franz Sulzenbacher, Josef Vill) fügt sich einmal mehr mit überzeugender Spielfreude ins Gesamtgeschehen ein. Und Ursula Hammermann und Therese Hofmann gelingt mit ihrer absurd-entrückten Aufnahmeszene von Pierre und Eve ins Totenreich sogar ein regelrechtes Kabinettstück. Antworten gibt es bei Sartre naturgemäß keine, das Spiel des Lebens bleibt ein Enigma. Und so schließt das Stück mit der lakonischen Feststellung: „zumindest versuchen muss man es.“
BILDunterÜBERschrift:
(Christoph Tauber): Sie wären füreinander bestimmt, aber können sie ihre Liebe auch leben: Christoph Griesser und Theresa Waas als Pierre und Eve in Sartres „Das Spiel ist aus“.