AIR & SCHREI
Noch Tage später wird das Programm FM4 immer wieder unterbrochen, um riesiges Geschrei aus Innsbruck zu senden. Erst nach der dritten Ausstrahlung des Geschreis kommt so halbwegs der Inhalt rüber.
In Innsbruck haben sich 14.000 vor einer Hochschaubühne versammelt, um sich endlich Luft zu verschaffen und sich selbst schreiend zu befreien.
Beim sogenannten Air and Style Event, bei dem es schon Tote gegeben hat, geht es um verrückte Sprünge in der Luft und verzückende Musik auf der Bühne. Der Beitrag des Publikums: Schreien und frieren.
Heuer freilich ist der Wind aus den Löchern des Publikums so warm und heftig, dass der Event vor den entscheidenden Sprüngen abgesagt werden muss.
Seit Generationen ist im österreichischen Unterrichtssystem Information über den Faschismus und dessen Abwehr Pflicht. Zu diesem Zweck werden meist Nazi-Aufmärsche vom Air- und Spalier-Gelände in Nürnberg gezeigt, wo auf der Bühne gnadenlos geschrien wird, bis das marschierende Publikum zurückschreit. So hat man sich zuerst offensichtlich Luft verschafft und am nächsten Tag ist daraus der Faschismus hervorgekrochen.
Wenn man mit diesem Geschrei aus der Innsbrucker Eiswelt überrollt wird, fängt man automatisch zu sinnieren an. Dieses Air and Schrei ist offensichtlich nach ähnlicher Dramaturgie aufgebaut, freilich ohne kackbraunem Inhalt. Hoffentlich bleibt's dabei, sonst müssten sich unsere Nachfahren in den Schulen dereinst Filme über das Innsbrucker Air and Style anschauen, um das Böse abzuwehren.