Hitler-Bike
Für einen halbwegs eingeschulten und durchgeschulten Menschen ist es nahezu ein Wunder, dass die Aufklärung manchmal nicht greift und mehr oder weniger gut erkennbare Wieder-Betätiger auftreten. Auch wenn die Gesellschaft an manchen Tagen nur Konsum und Sonne-Liegen im Auge hat, reagiert sie doch hellhörig, wenn jemand auf die falsche Art braun werden will.
Aufmärsche, Parolen, Kampfkleidung und diverse Grußarten werden schon von weitem erkannt, eine Schar von Pädagogen macht sich an die Betreuung dieser Ausreißer und nur ganz schwere Fälle kommen vor Gericht.
Im Alltagsleben müssen diese Vorfälle eine gewisse Reizschwelle überschreiten, ehe sie bekämpft werden.
Zu diesen Grenzfällen der Wahrnehmung gehören auch diverse Buchstaben- und Zahlenfolgen, die etwa als Wunschkennzeichen geächtet und nicht ausgegeben werden.
Eine solche Zahlenfolge ist die „88“, die den achten Buchstaben des Alphabets darstellt und für Eingeweihte eine Chiffre für den Hitlergruß ist.
Alle diese Sensorien sind gesellschaftsbezogen und auf einen jeweiligen Kulturkreis beschränkt. So fahren in manchen Gegenden Autobusse herum, die ungeniert das Kennzeichen „KZ“ verwenden, auf anderen Kontinenten fahren Racer mit der Rennnummer 88 herum.
Preisfrage: Wie muss man nun in der aufgeklärten Stadt Innsbruck reagieren, wenn man in einem öffentlich einsichtigen Hof ein Schaukel-Pferd als Hitler-Bike enttarnt? Denn als Rennnummer für das schaukelnde Kind ist eindeutig eine 88 auf den Lenker geschraubt. Kriegt das schaukelnde Kind einen Schaden, wenn es mit dem Hitler-Bike fährt? Wissen die Bewohner des Hauses überhaupt, was da im Hof herumsteht?
Fragen über Fragen, die auch den aufgeklärtesten Menschen an den Rand der Denkmasse bringen.