FRAU SCHLOCKER und das Maß aller Dinge
An die Kulturredaktion der Tiroler Tageszeitung:Sehr geehrte Frau Schlocker -
Ich bedanke mich in aller Form für die Art und Weise, wie Sie mich und meine Arbeit wahrnehmen. Gestatten Sie mir zu Ihren schallenden in aller Öffentlichkeit ausgeteilten Ohrfeigen die eine oder andere Bemerkung.
Ich gestehe: als Treibhaus-Chef habe ich selbstherrlich und autoritär der Medienkunst Tirol im Treibhaus eine Öffentlichkeit angeboten und tue dies auch weiterhin. Ich gebe zu, daß in den drei Wochen, in denen z.B. das letzte Plakat der MedienKunst Tirol zentral im TreibhausCafe affichiert war - auch durch mein Zutun - mehr als 10.000 Menschen Gelegenheit hatten, sich damit auseinanderzusetzen.
Dafür NUR geprügelt zu werden tut weh.
Das Plakat "Antifaschismus Vergnügungspark" war Ihnen und der Kulturseite der Tiroler Tageszeitung bis gestern keine Erwähnung wert - so wie das von mir verantwortete Programm des Treibhauses in derselben Zeit der TT-Kulturredaktion keine einzige Zeile wert war (immerhin Künstler wie: Ketil Bjørnstad, Sidsel Endresen, Nouvelle Cuisine, Eivind Aarset, Vienna Art Orchestra, Arve Henrikson, Saxofour, Maria Joao, Rebekka Bakken Steve Lukather ...). Diese Ignoranz schmerzt. Ihnen für ihr Desinteresse Zensur vorzuwerfen, kam mir bisher nicht in den Sinn. Sie haben sich in ihrer Kulturredaktion wieder einmal selbst übertroffen, Gratulation.
Den Ärger von Stefan Bidner / Roland Maurmair / Medienkunst Tirol nehm ich zur Kenntnis und versteh ihn sogar. Wir werden gemeinsam damit umgehen lernen. Wenn beide sagen, die Aufgabe von Kunst sei es, zu provozieren, Diskussionen anzuzetteln, kann ich dem zustimmen. (Ich selbst möchte Kunst aber nicht nur darauf reduziert wissen - aber ich hab ja keine Ahnung). Nur: Das Plakat hat weder provoziert noch zu Diskussionen geführt. Dem Bild das jetzt im Treibhaus hängt: "Tribute to Miriam Makeba" von Sam Nhlengethwa,einem Künstler aus den Townships von Südafrika, (Sie haben sich nicht einmal nach dem Namen des Künstlers erkundigt!) werfen Sie vor, "daß es ganz sicher niemanden in welchen Gefühlen auch immer stört."
Dasselbe trifft genau so für den Antifaschismus Vergnügungspark von Deutschbauer/Spring zu. Niemanden hat das Plakat erregt oder gar aufgewühlt. Es war hübsch und dekorativ. Wirklich - eine schöne Tapete.
Welche Diskussion und welche Provokation hab ich also beendet, wenn ich nach drei Wochen ein Plakat mit einem anderen überklebe ?
Trotzdem stempeln Sie mich zum "Zensor von eigenen Gnaden", zum "selbstherrlichen Maß aller Dinge".
Ich gebe zu: meine (private) Toleranzgrenze hat das Plakat tatsächlich überreizt. Ich war - durch Zufall - einer der 3 wenigen, dem die Absicht nicht verborgen blieb. Ich habe es nach drei Wochen schlicht und einfach nicht mehr ausgehalten, tagein tagaus neben einem durch Computerbearbeitung behübschten und zynisch-zugeschminkten Leichenberg aus Auschwitz meinen privaten und meinen Arbeits-Alltag zu verbringen. Und: Ich akzeptiere es einfach nicht, wenn mit dieser todtraurigen Geschichte dermaßen behübschend oder zynisch umgegangen wird, sowie mit dem furchtbaren Original in einer Art und Weise, daß man die Hintergründe nur mehr durch Zufall entdecken kann und praktisch niemand eine Chance hat, sich einer fragwürdigen Inszenierung zu entziehen.
So viel Sensibilität hab ich mir erhalten und diese Gnade möge mir weiterhin erhalten bleiben. Dagegen könne Sie gerne anschreiben.
Nach drei diskussionslosen Wochen (auch von Seiten der MedienKunst Tirol) habe ich die widerliche Pointe aus hinterfotzigem Betroffenheitskitsch beendet und das Kunstwerk dem Schicksal überlassen, das Plakaten in Innsbruck allgemein blüht: daß sie überklebt werden. Das passiert Plakaten jede Nacht mehrfach. Auch meinen eigenen. Hildesheim auf den Innsbruck-Ortstafeln übelebte nur wenige Stunden, Hilde Zach als Chrsitkind beim Einzug keinen Tag, selbst Rudi Federspiel schiffte nicht lange in den Inn - ohne daß Sie dagegen angeschrieben hätten. Das war halt keine Kunst .....
Durch meinen selbst so benannten "Vandalenakt" hab ich eine Diskussion angezettelt, die das KunstWerk anzuzetteln selber nicht imstande war. Wenn auch Sie der Prämisse von Maurmair/Bidner zustimmen, daß die Aufgabe von Kunst es sei, zu provozieren, Diskussionen anzuzetteln: Warum beschimpfen Sie dann mich - und gleich dazu als selbstherrlichen gefühllosen Großinquisitor ?
Und warum beschimpfen Sie nicht gleich das gesamte Treibhauspublikum als rohes, unsensibles Pack, dem es nichts ausmacht, neben den verborgenen Schreien von Kinderleichen tagesordnungsmäßig Bier zu trinken und neben dem Elend albernen KunstSmallTalk im bequemen Salon abzuhalten, wo doch früher alles besser war?
Wär doch leicht jetzt, Ihren Zeigefinger zu erheben nachdem andere Ihnen die Pointe buchstabiert haben.
Ach werte Frau Schlocker
Die Kunst ist ja so frei seit Sie auf sie aufpassen
- ich bin so frei -
in meinem gemütlichen Salon darauf zu pfeifen.
Norbert K Pleifer
Bildhauer
PS: Ich hab Tapetenkleister verwendet - nicht Salzsäure!