Im Laufe der Jahrzehnte haben sie ihren Glanz verloren und eine eigene Patina gewonnen, sie haben unzählige Narben und Beulen und sie sind aus Blech - die Instrumente der Fanfare Ciocârlia. „Es gibt viele Bands wie die unsere in Rumänien, doch wir sind die Schnellsten.“ und mittlerweile die weltweit erfolgreichsten. Hinter den Bergen bei den sieben Zwergen: Was in einem bekannten Märchen als charmante Umschreibung für „Am Arsch der Welt“ herhalten muss, könnte genauso gut für die Heimatstadt der Fanfare Ciocarlia gelten. Zece Prajini (Zehn Felder) heißt das mit Kuhkaff noch charmant umschriebene Dorf im Osten Rumäniens, das zwar an einem Bahngleis liegt, der dort dreimal am Tag vorbeifahrende Zug hält jedoch nicht. Die Passagiere, die zu der kleinen Ansammlung von Häusern gelangen möchten, müssen kurzerhand aus dem fahrenden Zug springen. Gnädigerweise verlangsamt der Lokführer an der Stelle das Tempo, damit die Reisenden sich sanft in die Böschung werfen können. Wie in vielen anderen abgelegenen Dörfern auf dem Balkan, gibt es auch in Zece Prajini eine rege Blechbläser- Szene der Roma-Zigeuner. Die Kapelle nennt sich Fanfare und spielt bei allen möglichen Festlichkeiten auf. Die Musik, die sie dabei spielen geht auf die Marschmusik der Osmanen zurück. Notenblätter und derlei Krimskrams existiert dabei nicht. Die Musiker holen einfach ihre verbeulten Tröten hervor und rocken das Fest im besten Wortsinn.
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Die Roma aus dem Dorf ,,Zece Prajini", im Nordosten Rumäniens, spielen im enormen Tempo und mit einem unglaublichem Sinn für rasante Rhythmik, traditionelle Tänze und Melodien, wie Sîrba, Hora und Brîu auf Blasinstrumenten - fernab der hierzulande existierenden Schrebergartenklischees.
Das Repertoire von Fanfare Ciocarlia besteht aus einer schier endlosen Menge an Stücken, deren Roots in der Volksmusik des Landes und der Region des Balkans liegen und gleichzeitig eine Musiktradition der Roma repräsentiert. Das Vibrato der Trompeten, die mächtige Bassektion, treibende Paukenschläge, die schreienden Saxophon- und wilden Klarinettenklänge lassen uns eindringen in den Sog der langen Partys, die man in ihrer Heimat noch zu feiern versteht. Noten sind den Musikern zwischen 22 und 60 Jahren fremd - die Kunst des Musizierens wurde und wird seit ewigen Zeiten vom Vater zum Sohn weitergegeben. Die Musik der "Fanfaren" - so bezeichnen die in Rumänien lebenden Roma ihre Blaskapellen, begleiten das rituelle Leben des nördlichen Teils von Rumänien. Ob Geburten, Taufen, Hochzeiten oder andere Feste - überall sind die Fanfaren fester Bestandteil. Die Musiker stolz über ihr Orchester: "Wir sind eine der letzten Tzigani-Kapellen dieser Art in Rumänien, mit alter Tradition, reichem Repertoire und - wir sind die Schnellsten...!" Sie meinen es ernst damit: hat man bei der Dorfhymne "Sîrba de la Zece Prajini" noch die Möglichkeit, den Takt mit dem Fu& mitzuhalten, ist die Gefahr gro&, bei der"Bâtuta la rînd" den Boden unter den Fü&en zu verlieren.
Es gleicht einem Wunder, wenn sich die Musikerzahl für einige Melodien auf nur vier reduziert und langsame Stücke erklingen, in denen filigrane Klangmuster und poetische Melodien gezaubert werden. Beeindruckend die au&ergewöhnliche Besetzung dieses zeitweiligen Quartetts: Basstuba, Baritonhorn, Trompete und Saxophon. In akrobatischer und zartfühliger Weise lassen sie uns für einige Minuten vom Sturm der Hörner verschnaufen Die auf dem Balkan angesiedelten Gypsie Brassbands unterscheiden sich in origineller Weise von dem statischen Stil der uns bekannten Blasmusik. Ursprung sind die im 19. Jahrhundert entstandenen türkischen Militärblaskapellen. Die damalige osmanische Okkupation des Balkans beeinflu&te auch die Musik. Ob in Bulgarien, Mazedonien, Serbien oder Rumänien - überall sind die orientalischen Einflüsse hörbar.
Fanfare Ciocarlia beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Publikum und lä&t sich nicht leichtfertig in eine der herkömmlichen Musikschubladen ablegen.
Wenn sich Baritonspieler Constantin in dem Stück "Dansul lui Sulo" per Stimme mit dem Orchester mi&t, wird man leicht an Rapphrasen oder Reggae-Toasts erinnert. Die faszinierende Mischung musikalischer Elemente und Kulturen, die die Roma auf ihrem Weg nach Europa adaptierten, der orientalische Einflu& und das spielerische Temperament der Musiker machen diese Art von Blasmusik so einzigartig.
Trotzdem werden Zeitgeist-Bands mit elektronischen Instrumenten und kleiner, westlich orientierter Besetzung in Rumänien immer gefragter und lassen die Erwerbsquelle der traditionellen Blasorchester langsam versiegen. Mit tragikomischer Melancholie reagiert Fanfare Ciocarlia auf diese Entwicklung und lä&t Welthits wie "One way ticket..." von den umliegenden Bergen des Dorfes widerhallen. Sie sind noch von der alten Spielwut ihrer Väter beseelt und so werden sie mit Trompeten, Hörnern, Klarinetten und ihrer Pauke - Derwischen gleich - immer wieder auf Asphalt-Tango-Tour gehen, um ihr Repertoire auch außerhalb ihrer Heimat zu präsentieren.
Musik als Hoffnung in Schlimmen Zeiten
Sie kommen aus der Armut des ländlichen Rumänien, sind zum internationalen Erfolg geworden, sind durch die halbe Welt getourt und, was selten ist - so natürlich und authentisch geblieben, als spielten sie vor ihrem Publikum auf zum Fest, zum Tanz, zur Hochzeit. Aber wie! Man musste Angst haben, dass der Große Saal in der Linse am Ende des Konzerts Risse hätte.
Wer den berührenden Dokumentarfilm über sie in der "Linse" gesehen hat, weiß dass sie aus dem Dreck kommen. In dem rumänischen Dorf Zece Prajini gibt es keine Straßen, keine Arbeit und keine Hoffnung. Die zwölf Musiker der Brass Band "Fanfare Ciocarlia" sind "Zigeuner", Roma und menschlicher Dreck in diesem von, einer kommunistischen Diktatur heruntergewirtschafteten Land.
Aber wenn der Trompeter das einheimische Wort für Zigeuner, "Tzigani", ins Publikum schreit, dann ist das wie ein Kampfruf - "wir leben". Vielleicht besser gesagt: "wir leben wieder", denn dass sie ihre verbeulten Instrumente repariert, die alten Melodien wieder eingeübt haben, für die es keine Anlässe mehr gab, weil es in den Dörfern am Geld fehlt für rauschende Feste mit einer Kapelle, dies haben sie zwei Berliner Musikern zu verdanken, die sie mühsam entdeckt und dann motiviert haben, an die Kraft der eignen Kultur zu glauben. Der Name der Band heißt wörtlich wohl "Kapelle Nachtigall", was nur ein Zeichen herzhafter, Selbstironie sein kann. Denn in ihrem akustischen Umfeld wird es keine Lerche auf den Bäumen aushalten. ihre Musik ist bare Lebenslust, von der herben Würze eines rustikalen Mahles.
Als säße ihnen der Tod im Nacken oder der nächste Schicksalsschlag, als wüssten sie ständig, wie kurz ein Moment des Glücks in ihren erbärmlichen Verhältnissen sein kann, spielen sie mit der Zeit um die Wette. Rasende Stakkati, die bullige Kraft der Tuben und Hörner, die niemand soll aufhalten können, die Klarinette, die sich dazwischen, schlängelt, Saxophon und Trompeten, kleine anarchische Kapriolen tanzend, und der Zug jagt davon; und. kommt so abrupt zum Stehen, wie er an Tempo gewann. Atem holen, ein erdig- schweres Bläserquartett, und schon wieder in voller Fahrt.
Das ist nicht die osteuropäische "Zigeunermusik", die dem jiddischen Klezmer verwandt ist - melancholisch, ein sprudelnder Geschichtenfluss, der leicht züngige Witz. Aber sie ist nicht weniger authentisch - und ebensoviel wurzelig, wie die der Wintersteins, der Reinhardts, weil vom erzwungenem Vagabundieren geprägt. Den Orient hört man, türkische und indische Spuren, und den magyarischen Musikraum. Die Zwölf Musiker sind, trotz Welttourneen, ungekünstelt, ganz sie selbst geblieben, ohne Show-Attituden, ohne Folklore-Getue. Und doch auch keine Ethnotruppe, die den Wunsch nach der "heilen Volkskultur" bedient. Frech, lustvoll adaptieren sie auf ihr Instrumentarium einen Bolero; einen Rumba, ohne dass daraus ein Mitklatsch-Geschrammel würde.
Diese Band ist ein musikalisches Hoffnungssignal - laut, stark, selbstbewusst. Gegen den anglo-amerikanischen Einheitsbrei, gegen die Globalisierung der Weltkulturen. Und diese Musik kommt aus dem Elend, von einer ethnischen Minderheit, von unten. Aus ihrer Musik können wir Kraft schöpfen in grauenvollen Zeiten. Die Ovationen des Publikums bestätigen dies Botschaft.
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QUENS AND KINGS.
Die Instrumente der zwölf Meister der Highspeed Blasmusik von FANFARE CIOCÂRLIA
haben im Laufe der Jahrzehnte ihren Glanz verloren und eine ganz eigene Patina bekommen. Sie sind geliebt und geschunden. Über 100 Konzerte im Jahr sowie unzählige Flüge haben Narben und Spuren hinterlassen, verbeulte Trichter, duzende Male wurden Ventile neu verlötet, Trichter gerichtet, Klappen mit Gummis zur Arbeit gezwungen. Als die Basstuba von Monel in der Tür des Fahrstuhles zu der Dachterrasse am Hollywood Boulevard eingeklemmt wurde, war ihr Ende scheinbar besiegelt. Danny Elfman, Hollywoods angesagter Filmmusikkomponist, hatte anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags geladen. Eine neue Tuba? Kein Problem – nur das ein Abschied von seinem Instrument undenkbar ist, und so die geübten Hände der Musiker die übel zugerichtete Tuba, und somit auch diese Party gerettet haben.
Die Party, zu der Fanfare Ciocarlia Sturm bläst und damit notorisch das Publikum zum Rasen bringt, ist auch auf DVD erhältlich, über 150 Minuten rasanter Blechmusik. Neben einem kompletten Konzertmitschnitt und auserwählten „Extras“ für Liebhaber ist hier auch die gekürzte Version von „Iag Bari - Brass on Fire“ zu sehen. Unter der Regie von Ralf Marschalleck entstand das Roadmovie im großen Kinoformat, welches den Versuch unternimmt, die aufregenden und gar so unterschiedlichen Welten zwischen dem Leben im Zigeunerdorf und den Konzertbühnen im Ausland zu beschreiben. Heute noch auf der Bauernhochzeit im Nachbardorf engagiert und morgen schon auf dem Flug nach Japan - Eindrücke aus einem Musikerleben, das sich auf eine alte Tradition stützt und nun den Hunger der wachsenden internationalen Fangemeinde nach entfesselter Blasmusik und balkanischer Atmosphäre stillt.
Nachdem auch der deutsche Spielfilm Fanfare Ciocarlia entdeckt und Fatih Akin das Orchester eingeladen hat, in seinem Film „Gegen die Wand“ aufzuspielen (der Film wurde auf der Berlinale 2004 mit dem goldenen Bären ausgezeichnet), hat auch Hollywood an die Tür geklopft und das Orchester beauftragt, eine Coverversion von „Born to be wild“ einzuspielen. Das verblüffende Ergebnis ist seit dem 3.November 2006 in den Kinos in dem Film „Borat“ zu hören.
Nach der Veröffentlichung ihrer vierten CD „Gili Garabdi“ im Frühjahr 2005, schlagartig auf Platz 1 in den Top 10 der WMCE gelandet, beschloss Fanfare Ciocarlia, die großen Roma Stimmen ins Studio einzuladen, um gemeinsam an ihrem 5. Studioalbum zu arbeiten. Sie trafen SABAN BAJRAMOVIC aus Serbien, ESMA REDZEPOVA aus Mazedonien, JONY ILIEV aus Bulgarien, LILIANA BUTLER aus Bosnien, FLORENTINA SANDU und DAN ARMEANCA aus Rumänien, MITSOU aus Ungarn und KALOOME – Gitanos din Perpignan aus Frankreich. Visa wurden beantragt, Grenzen überquert und Sprachbarrieren überwunden. Fanfare Ciocarlia haben die musikalischen Unterschiede ihrer Gäste als einen kostbaren Schatz erkannt und diesen im Schmelztiegel der Kulturen neu vermischt. Entstanden ist ein wahrlich facettenreiches Werk - ein mitreißendes Fest der wilden Rhythmen und wehmütigen Klänge! “Queens and Kings” feiert die Harmonie der Unterschiede auf unserem Planeten und ist gleichzeitig das Testament von Ioan Ivancea, Fanfare Ciocarlia’s Senior-Klarinettisten, der im Oktober 2006 verstarb.