treibhaus

Kulturprogramm für Stadtbenützer

Spielplatz am Volksgarten. Angerzellgasse 8, 6020 Innsbruck. Geöffnet alltäglich von 16:00 bis Sperrstund ist.

DER TREIBHAUS*KONZERT*PASS WiNTER 2024/25 - der frühe vogel fängt den wurm:

solang der vorrat reicht gibts jetzt - hier im netz oder im treibaus - den wunderbaren TREiBHAUS-KONZERT-PASS - winter 24/25. der kost nach wie vor 44:30 & gilt für fast alle konzerte im treibhaus - vom 15.12.'24 bis 10.5.'25

ERNST JANDL

Dichter. 1.8.1925 - 9.6.2000

Wie kaum ein anderer hat der  kurz vor seinem 75. Geburtstag verstorbene österreichische Dichter, Wortspieler und begnadete Vorleser Ernst Jandl die Lyrik von ihren strukturellen Fesseln befreit. In kreativer Kooperation mit Künstlern, Musikern und Schauspielern gelang es ihm, seine musikalischen Texte in den Köpfen des Publikums tanzen zu lassen. Was im fiebrig-kreativen Dunstkreis von Dadaismus und Expressionismus begann, hat Jandl zu höchster Vollendung gebracht: Lyrik zur Beschreibung der Absurdität der Welt und unseres Daseins.

ERNST JANDL
Lichtung

   manche meinen
   lechts und rinks
   kann man nicht velwechsern
   werch ein illtum




TAGESANZEIGER
"Die arme Sprache ist die reichere"

Ernst Jandl war Aufklärer und Pädagoge, Poet und politischer Dichter in einem. ein Nachruf
Von Martin Halter

Mit jedem verstellten Buchstaben, jedem zerzausten Wort, jedem einstürzenden Satzbau: Ernst Jandl verwies auf die Beschädigungen von Wirklichkeit - und die Beschädigung des dichtenden Subjekts.

"Die rache/der sprache/ist das gedicht" hiess eines seiner letzten Gedichte. Die Rache des Gedichts freilich war der Erfolg des Dichters. Dass Ernst Jandl, immerhin ein "experimenteller Lyriker", von einer unwahrscheinlichen Popularität eingeholt wurde, war ein Triumph und doch auch eine Art Niederlage. Jandl war eine Art Popstar der Literatur, dessen Sprechopern Säle füllten und Hitparaden stürmten. Jeder kennt ein paar Zeilen von ihm. Kaum ein Lesebuch, das ohne Ottos kotzenden Mops auskommt. Seine legendären konzertanten Lesungen waren Jam-Session und magische Beschwörung, Kindergeburtstag und Schlagerfestival, und Blixa Bargeld von den "Einstürzenden Neubauten" stand ihm näher als die alten Baumeister von Goethe bis Rilke. Noch als Oldie, als er schon alle lyrischen Gattungen vom Haiku bis zum Sonett, vom Idyll bis zum Schüttelreim durchdekliniert hatte, entdeckte Jandl den Rap-Gesang und die spontanen Ekstasen der Poetry-Slams, Gstanzln und volkstümliche Schnadahüpferl.

"Mit 5 Plozent ins Palrament"

Als die "Tageszeitung" ihm zu Ehren einmal ihre ganze Frontseite verjandelte ("Mit Huckepack und 5 Plozent ins Palrament"), weinten Leitende Angestellte vor Rührung auf offener Strasse. Am Ende zitierten sogar die Politiker, deren Pathos seine besondere Sprachskepsis gegolten hatte, seine Verwechslung von "lechts" und "rinks" im Wahlkampf, und die Werbetexter machten das "Jandeln" vollends zum Volkssport.

"Phallus klebt allus"

Jandl registrierte seine marktkonforme Verballhornung mit milder Nachsicht und manchmal sogar kollegialem Respekt; einen Reklameslogan wie "unkaputtbar" etwa fand er durchaus innovativ. Dass Werbelyriker und Animateure seine Poesie plagiierten, hatte für ihn nichts Peinliches. Im Gegenteil: Als Dichter, der schon in der Nazizeit die "Ehrfurcht vor dem deutschen Wort" verloren hatte, sah er es nicht ungern, wenn seine Verfremdung der Alltagssprache in den Alltag zurücksickerte. Sein "Phallus klebt allus" war ja nicht nur das Echo von Uhu, sondern verleimte selber konkrete Poesie mit den Jargons der Moderne, das "ernste Sprachspiel" mit der Heiterkeit der Kunst. Und hatte nicht auch Kurt Schwitters, einer seiner Lehrmeister, einst eine "Merz-Werbe"-Agentur gegründet?

Die verstümmelte "Gastarbeitersprache" oder der Dialekt der "drottl" verrät ja oft mehr über die Befindlichkeit des lyrischen Ichs und der Welt als das elaborierte Geschwätz oder gar der "hohe Ton": "Die arme Sprache ist die reichere", und nur was "Aus der Fremde" kommt, kann man sich zu eigen machen. Jandl hat die "heruntergekommenen" Sprachen adoptiert und zu sich gebracht. Sein Schreibtisch war "für alle gedeckt", und das wollte viel heissen in der avantgardistischen Lyrik, einem Genre, in dem in aller Regel sterile Esoterik und humorfreie Langweile regierten. Frei von Berührungsängsten, badete Jandl um so fröhlicher in den Wonnen der Trivialität und verachtete auch den Jubel der Masse nicht.

Das war nicht immer so. Begonnen hatte der promovierte Gymnasiallehrer aus Wien mit konventionellen Gedichten, ehe er 1956 als "Onkel" der Wiener Gruppe um Rühm und Artmann seine Experimentierlust entdeckte. Damals liess sich mit neodadaistischen Gedichten allenfalls Skandalruhm gewinnen. 1957 wurde ein Literaturredaktor der "Neuen Wege" entlassen, weil er Jandl-Lyrik in die Zeitschrift gehoben haben; noch 1966 trieb "Laut und Luise" Otto F. Walter zum Auszug aus dem väterlichen Verlag. Der Gedichtband, eine Hommage Jandls an seine Mutter, markierte Jandls Durchbruch; heute liegen seine Gedichte, Hörspiele, Theaterstücke und Essays in einer zehnbändigen Werkausgabe vor.

Die schönsten Stücke des modernen Klassikers gehören längst zum volkspädagogischen Kanon: Etwa "schtzngrmm", in dem er das Trommelfeuer des Krieges in ein Konsonantenstakkato auflöste, oder "wien: heldenplatz", eine wütende Paraphrase auf den obszönen Taumel der Österreicher beim Anschluss an Hitlers Reich. Jandl, Sozialist aus Überzeugung, balancierte dabei meist auf dem schmalen Grat zwischen politischer Lyrik und Lautmalerei, entfesseltem Wortspiel und Bekenntnis. So wuchs aus der Negation eine Position und noch aus aus dem letzten Kalauer ein tieferer subversiver Sinn oder wenigstens höherer Nonsens. Jandls Kunst der Verknappung, Verschiebung und Verdichtung drückte schon in Wortbild und Sprachmaterial "buchstäblich" aus, wofür andere Lyriker tausend Worte und Bilder brauchen. "so kann der experimentelle text vollziehen, was das gedicht in konventionell verwendeter sprache nur berichten kann": Nämlich wie austauschbar rechts und links in der "Lichtung" sind, warum "BESSEMERBIRNEN/ als mehr kanonen" sind. "schim schanflang war das wort schund das wort war bei flott": Wenn Jandl Grammatik, Syntax und Semantik misshandelte, sprach daraus nie purer Übermut, das leere Sprachspiel, sondern eine anarchische Lust an der Dekonstruktion von Sinnhubern und Sprachautoritäten.

Der Schrecken des Harmlosen

Aber weil die Sprache doch immer Vor- und Fehlurteile transportiert, verletzt und ausgrenzt, muss man sie manchmal quälen, bis sie zu schreien beginnt: Mit diesem Vorsatz kitzelte Jandls Sprachwitz den Schrecken aus dem Harmlosen, das Groteske aus dem Gewöhnlichen, das Banale aus dem Erhabenen hervor. Er hat den Wortmüll so lange zerkaut und zerstückelt, verfremdet und wiederholt, bis er ihn der Hure Welt in ihr grosses Maul zurückstopfen konnte.

Jandls Alterslyrik verdüsterte sich zunehmend; es waren Elegien voller Angst, Einsamkeit und Resignation. Dichten erschien Jandl mehr und mehr als "widerlicher Lebenszweck", auch wenn die Qual mehr erarbeitet als erlitten schien. Je mehr er als kauziger Sprachclown missverstanden und mit Preisen gekrönt wurde, desto müder und mürrischer zog er sich zurück. Jetzt ist er im Alter von 74 Jahren in Wien gestorben.




Ernst Jandl "Spruch mit kurzem o? Ssso!"
Der Poet Ernst Jandl ist tot. Er starb am 9. Juni 2000 an Herzversagen in seiner Heimatstadt Wien. "Wie ein Heiliger" (Jazzthetik 5/1996) betrat er in seinen letzten Jahren -- leider nur noch höchst selten -- die Bühne, um mit grantiger Perfektion seine Sprach- und Sprechgedichte vorzutragen. Zwischen berstendem Witz und rührender Tiefe tendierten seine stets kurzen, experimentellen Gedichte, mit denen er deutschsprachige Lyrik nach dem 2. Weltkrieg möglich und vor allem: relevant machte.
Der am 1. August 1925 als Sohn eines Bankbeamten geborene Jandl lernte als deutscher Wehrmachtssoldat in amerikanischer Gefangenschaft mit penibel geführtem Vokabelheft Englisch. Nach seiner Rückkehr studierte er Deutsch und seine neu gelernte Sprache in Wien. Zunächst arbeitete Jandl als Gymnasiallehrer, was ihn überaus quälte. Und das nicht zuletzt, weil er bis zu seinem Tode unter heftigsten Depressionen litt. Erst Ende der 1960er Jahre sollte er es sich leisten können, ohne diesen Brotjob auszukommen. Denn seine seit den späten 1950er Jahren veröffentlichten experimentellen Gedichte, inspiriert von amerikanischen Poeten, brachten in den ersten Jahren weniger Geld als vielmehr ablehnendes Naserümpfen mit sich.
Mitte der 1970er aber stieg Grantl-Jandl auf zum intellektuellen Kult-Objekt: Seine Gedichtbändchen "laut und luise" (1966) und seine "sprechblasen" (1968) mag so mancher noch aus seiner Schulzeit als gelbe reclam-Heftchen besitzen. Etwa in diese Zeit fallen auch Ernst Jandls Poetry&Jazz-Projekte, die er mit Dieter Glawischnig startete. Die Zusammenarbeit gipfelte in der 1995 veröffentlichten Doppel-CD "laut und luise/aus der kürze des lebens" (Hit Hat Records), wo die NDR Big Band Jandls Grantigkeit eine zauberhafte Jazzwelt entgegensetzt. Sein Hörspiel "Fünf Mann Menschen" läutete Ende der 1960er Jahre das sogenannte Neue Hörspiel ein. Das knapp 15minütige, deprimierend-heftige Hörstück ist einer der vielen Höhepunkte von Jandls Zusammenarbeit mit seiner Lebensliebe Friederike Mayröcker, obschon beide über all die Jahrzehnte ihre getrennten Wohnungen in Wien nie aufgaben. Wer den präzisen Rezitator Jandl pur genießen möchte, der sollte sich die grandiose Live-Aufnahme "Eile mit Feile" (DerHörVerlag, 1995) anhören, ein Mitschnitt einer Lesung vom 7. März 1995 in Oldenburg ist.
Jandls Interesse galt in letzter Zeit den Aachener Avantgarde-Jazzern Art de Fakt. Er "liebte" deren Produktionen mit dem amerikanischen Dichter Ray Federman. Ray Federman umgekehrt sieht, wie er mir sagte, "eine Seelenverwandtschaft" zwischen seiner Art zu dichten und derjenigen Jandls. "Ein angedachtes Projekt Ernst Jandl & Art de Fakt kann leider nicht mehr realisiert werden", bedauert Urban Elsässer (Band-Leader von Art de Fakt), den Ernst Jandl hin und wieder anrief. "Zuerst wunderte ich mich, was für ein Griesgram da am Telefon unsere Musik lobte!", so Elsässer über Jandls ersten Anruf vor drei Jahren.
Ich traf Ernst Jandl am 21. März 1996 zu einem -- bislang unveröffentlichten -- Interview in Wien. Seinen Auftritt im Rahmen des Literaturfestivals "Word up!" hatte er gerade vor 500 Zuhörern schwungvoll beendet, da war er auch schon gesprächsbereit.

Volker Wilde: Herr Jandl, was ist nach all den Jahrzehnten der intensiven Beschäftigung mit Sprache heute Ihr Verhältnis zur Sprache?
Ernst Jandl: Nein, es ist kein anderes als es jemals war. Nur, das eine ist die Verwendung der Sprache im Alltag, da unterscheide ich mich ja kaum von anderen Leuten. Das zweite ist der Versuch, Sprache für Kunst aus Sprache zu machen. Das sind zwei doch sehr verschiedene Dinge.

Volker Wilde: Gab es da nicht große Veränderungen in ihrer Kunstsprache? Der "Gelbe Hund", beispielsweise, ist in seiner Sprachbehandlung milder als viele andere Gedichtbände, die Sie zuvor verfasst haben.
Ernst Jandl: (zieht an seiner Pfeife) Hmhm. Ja. Es ist auf jeden Fall so, dass, wenn man Sprache für Kunstzwecke verwendet, dass man da doch verschiedene Sachen im Laufe der Jahre ausprobiert, erprobt, dass man nicht bei einer Sache stehenbleibt. Es sei denn, Sie schreiben in der Umgangssprache, was ja zum Beispiel bei Romanen der Fall ist, und da wird man sich wahrscheinlich nicht in dem Maße herausgefordert sehen, mit Sprache, wenn Sie so wollen, zu experimentieren, wie das in der Poesie der Fall ist.

Volker Wilde: Gibt es für Sie eine absehbare Bewegungsrichtung von der Kunstsprache weg zur Umgangssprache hin oder ist das für Sie ausgeschlossen?
Ernst Jandl: Nein, es geht hin und her. Wenn man sich einmal weit vorgewagt hat in ein Gebiet der Kunstsprache, das von der Alltagssprache weit ab gelegen ist, weit entfernt ist von der Alltagssprache, werden Sie das Verlangen spüren, wieder einmal zur Alltagssprache oder in die Nähe der Alltagssprache zurückzukehren, um sich neu aufzutanken.

Volker Wilde: Was hat Sie dazu gebracht gerade mit Jazzern zusammen zu arbeiten?
Ernst Jandl: Ich habe den ersten Jazz schon gehört in einer Zeit, wo es bei uns kaum Jazz zu hören gab. Radio und so weiter -- Jazz war ja nun mal verpönt, und er hat schon einen sehr großen Reiz auf mich gehabt: Die musikalischen Farben, wie die Instrumente verwendet werden, weg vom Klassischen. Weg von der idealen klassischen Art der Instrumentenbehandlung. Ein individueller... das Erreichenwollen eines individuellen Tones. Die großen Jazzmusiker haben ja alle ihren individuellen Stil gehabt, und auch ihren eigenen Ton, Klang und so. Und das hat mich sehr fasziniert. Der Rhythmus, der Drive.

Volker Wilde: Längst bevor Sie mit Jazzern zusammengearbeitet haben, versuchten Sie, allein in der Sprache diesen Drive zu spiegeln oder umzusetzen. Inwiefern ist das möglich?
Ernst Jandl: Dass ich in meinen Sprechgedichten einen Beat, eine gewisse Art Beat verwendet habe, das ist mir klar. Und dass das Lautgedicht starke musikalische Elemente hat, ist auch klar. Und Lyrik überhaupt arbeitet mit dem, was an der Sprache das Musikalische ist, nicht? Die Klänge! Die Sprache hat ja auch Klänge, hat ja auch musikalische Elemente. Natürlich, die Folge wie
Hunununununununde
bellellellellellell-e
das hat an und für sich etwas Musikalisches an sich. Im Rhythmus, aber vielleicht auch in der Klang-, in der gleichbleibenden Tonhöhe und so weiter. Und dass der Musiker, der mich sprechen hört, unter Umständen eine Lust hat, mit mir etwas zu machen, mir das einmal vorschlägt, was zu machen und so ist es ja auch gekommen, dass Musiker Lesungen von mir gehört haben, gesagt haben, das wär' doch wunderbar, wenn wir das einmal probieren würden, das mit Musik zu kombinieren. Und so hat es begonnen.

Volker Wilde: An sich habe ich gehört, war Ihr Auftritt heute hier eher eine Art Ausnahme. Sie haben sich mehr oder weniger, so hat man mir gesagt, noch mal überreden lassen, aufzutreten.
Ernst Jandl: Das würde ich nicht sagen. Ich wollte jetzt einmal eine zeitlang nicht auftreten und mich nur dem Schreiben widmen.

Volker Wilde: Woran arbeiten Sie im Moment?
Ernst Jandl: Das kann ich Ihnen nur schwer verraten. Nur wenn ich an Gedichten arbeite, dann versuche ich, ein Gedicht doch in einem durchzuziehen. Ein Gedicht, es sind ja meistens kürzere Gedichte, das in einem durchzuziehen. Ich bin noch immer beschäftigt mit so Dialektgedichten, wie ich sie in den Stanzen da am Schluss [der Lesung kurz zuvor] gehabt habe. Und dann hat mir ein Musiker, den ich kenne, der ist ein Organist, der ist sehr gut und der möchte gerne einen Text, einen deutschen Text für eine Messe haben. Bin ich nicht sicher, ob ich das machen kann.

Wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag ist am Freitag abend Ernst Jandl in seiner Heimatstadt Wien an einem Herzleiden verstorben. Kein experimenteller Autor hat einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht wie er. Mit seinen lautmalerischen und wortspielerischen Gedichten hat Jandl an den Zäunen zwischen "ernster" und "populärer" Kultur gerüttelt. Populär wurde er auch einem größeren Leserkreis, weil er "dieses Geschäft nicht so akademisch und bierernst betrieb, wie viele seiner Kollegen von der 'konkreten Poesie'", schreibt Harald Jähner in der Berliner Zeitung.

"Jandl gab der Lyrik - und damit auch der Sprache, in der er schrieb - einen heiteren Witz zurück, der sich in der kulturellen Spießigkeit der fünfziger Jahre noch nicht durchsetzen konnte", schreibt Uwe Käding im "Spiegel". Auch der Verleger Siefried Unseld lehnte zuerst eine Veröffentlichung seiner Gedichte ab. Erst in den siebziger Jahren gehörten Jandls lyrische Sprachexperimente fast schon zum festen Kulturgut. Wer kennt zum Beispiel nicht diese Zeilen aus dem Jahr 1966?

"Manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum".

Zu Jandls 60. Geburtstag hat der Luchterhand-Verlag eine dreibändige Werkausgabe herausgebracht, die neben Lyrik auch seine wichtigsten Hörspiele und Dramen enthält.

Die Ausstellung "ernst jandl. a komma punkt", gemeinsam vom Literaturhaus München und dem Literaturhaus in Wien geplant, konzipiert von Klaus Siblewski, dem Herausgeber der Werke Jandls, wird wie vorgesehen am 5. Juli 2000 um 20 Uhr in Wien eröffnet und bis Freitag, 15. September (Mo, Mi, Fr 9-17 Uhr), zu sehen sein. Im Herbst wird die Ausstellung in den Literaturhäusern in München und in Frankfurt gezeigt werden.
Ernst Jandl: 1925 in Wien geboren, Germanistik- und Anglistikstudium, ab 1949 langjährig als Gymnasiallehrer tätig, häufig beurlaubt aufgrund seiner dichterischen Arbeit. 1956 erschien sein erster, noch konventioneller Gedichtband "Andere Augen". Beeindruckt von den Sprachexperimenten der "Wiener Gruppe", aber auch von der angelsächsischen Literatur - vor allem von James Joyce - entwickelte er ein Werk, das ihn zum Hauptvertreter der "Konkreten Poesie" werden ließ. Er selbst hat sich in dem Gedicht "verwandtschaft" einmal "onkel der wiener gruppe" genannt.
Jandls Lyrik lebte vor allem im Vortrag, und keiner konnte sie so pointiert rezitieren wie Jandl selbst.

Für Ilse Aichinger ist Jandl "einer der wenigen Anarchisten" (Standard, 13. Juni 2000) und Elfriede Jelinek meinte im ORF-Mittagsjournal am Samstag: "Er hat immer versucht, etwas für Kollegen und die Literatur zu tun." Noch letzten Montag signierten Jandl und seine langjährige Lebensgefährtin Friederike Mayröcker ihre Werke. Die beiden engagierten sich damit für das Wiener Literaturhaus und protestierten gegen die geplanten Budgetkürzungen im Literaturbetrieb.

Die Liste seiner Auszeichnung und Preise ist lang: Österreichischer Staatspreis, Büchner-Preis, Mühlheimer Dramatikerpreis, Trakl-Preis, Deutscher Kleinkunstpreis, Peter Huchel-Preis.



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Ernst Jandl: Poetische Werke. 10 Bände. Hrsg. von Klaus Siblewski. Luchterhand Literaturverlag, 1997.

Einzelausgaben

   * sprechblasen, gedichte, neuwied berlin (luchterhand) 1968, Neuausgabe 1993 ISBN 3630830196
   * der künstliche baum, Neuwied Berlin (Luchterhand) 1970
   * laut und luise, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1971, Neuausgabe 1990 ISBN 3630830080
   * flöda und der schwan, mit vier zeichnungen des autors, Stierstadt i.Ts. (Eremiten) 1971, ISBN 387365010X
   * die männer, ein film, zeichnungen des autors, Düsseldorf (Eremiten) 1973, ISBN 387365038X
   * dingfest, gedichte, mit einem nachwort von hans mayer, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1973
   * serienfuss, darmstadt neuwied (luchterhand) 1974, ISBN 347261157X
   * für alle, darmstadt neuwied (luchterhand) 1974, ISBN 347286382X
   * die schöne kunst des schreibens, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1976, ISBN 3472864273
   * die bearbeitung der mütze, gedichte, darmstadt neuwied (luchterhand) 1978, ISBN 3472864656
   * Aus der Fremde, Sprechoper in 7 Szenen, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1980, ISBN 3472865075
   * der gelbe hund, gedichte, darmstadt neuwied (luchterhand) 1980, ISBN 3472865083
   * selbstporträt des schachspielers als trinkende uhr, gedichte, darmstadt neuwied (luchterhand) 1983/1986, ISBN 3472616458
   * Das Öffnen und Schließen des Mundes, Frankfurter Poetik-Vorlesungen, Darmstadt Neuwied (Luchterhand) 1985, ISBN 3472615672
   * idyllen, gedichte, Frankfurt/Main (Luchterhand Literaturverlag) 1989, ISBN 3630867162
   * stanzen, Hamburg Zürich (Luchterhand Literaturverlag) 1992, ISBN 3630867847
   * peter und die kuh, gedichte, München (Luchterhand Literaturverlag) 1996, ISBN 3630868738
   * lechts und rinks, gedichte statements peppermints, München (dtv) 1997. Neuaufl.: München (Luchterhand) 2002 ISBN 3630620434
   * Autor in Gesellschaft - Aufsätze und Reden, München (Luchterhand Literaturverlag) 1999, ISBN 3630870309
   * aus dem wirklichen Leben: gedichte und prosa, mit 66 Grafiken von Hans Ticha, zusammengestellt von Klaus Siblewski, Büchergilde Gutenberg 2000, ISBN 3763249702
   * Letzte Gedichte hrsg. von Klaus Siblewski, München (Luchterhand Literaturverlag) 2001, ISBN 3630620019
   * Briefe aus dem Kfrieg 1943-1946. Luchterhand Literaturverlag, Berlin 2005.

Werke auf Tonträgern

   * Laut und Luise Wagenbachs Quartplatte 2, Berlin 1968
   * Fünf Mann Menschen Hörspiel zusammen mit Friederike Mayröcker Produktion des Südwestfunks (ohne Nummer), Beilage zu "Klaus Schöning (ed.): Neues Hörspiel Texte und Partituren", Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1969
   * hosi + anna Wagenbachs Quartplatte 6, Berlin, 1971
   * der künstliche Baum Luchterhand 7 PAL 60.159, Darmstadt, 1973
   * Das Röcheln der Mona Lisa Deutsche Grammophon/Luchterhand 2574 003, Hamburg-Neuwied, 1973 (LP zusammen mit Helmut Heißenbüttel Max unmittelbar vor dem Einschlafen)
   * him hanflang war das wort Wagenbachs Quartplatte 20, Berlin, 1980
   * ernst jandl spricht gedichte Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (ohne Nummer), Beilage zum "Begleitheft zur Ausstellung der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main 23.10.1984-21.12.1984, 17.01.1985-28.02.1985", 1984
   * Lyrics - Texte und Musik live ernst jandl mit manfred schoof (trompete, flügelhorn), Cosmus Records NSV 1412 (Sampler), 1984
   * vom vom zum zum ernst jandl mit lauren newton (gesang), uli scherer (klavier und stimme), wolfgang puschnig (holzblasinstrumente und stimme), Extraplatte GmbH Wien (EX 316 145 CD), 1988
   * Das Röcheln der Mona Lisa - szenen aus dem wirklichen leben - kennen sie mich herren Bayerischer Rundfunk Hörspiel-CD (Best.Nr. 22871), 1990
   * lieber ein saxophon (sprechgedichte aus 'idyllen') mit ernst jandl, lauren newton, klaus dickbauer, Audio-CD, Erding 1991, ISBN 3221515324
   * bist eulen? ernst jandl mit lauren newton (stimme), wolfgang puschnig (altsaxophon, baßklarinette, flöte und stimme), woody schabata (marimbaphon, vibraphon, tablas, tarabuka und synthesizer), mathias rüegg (künstlerische leitung und stimme), Extraplatte GmbH Wien (CD EX 316 141-2), 1984 (NA 1994, ISBN 3221514123)
   * stanzen ernst jandl mit erich meixner (stimme, ziehharmonika), Extraplatte GmbH Wien (CD EX 316 157-2), 1994
   * aus der fremde - sprechoper, Audio-CD, Gertraud Scholz Verlag, Obermichelbach 1995, ISBN 3925599347
   * laut und luise - aus der kürze des lebens ernst jandl mit dieter glawischnig und der ndr bigband, Hat Hut Records CH-4106 Therwil (2 CDs 2-8701) 1995
   * wien heldenplatz 2 Audio-CDs gelesen vom Autor und Wolf Redl, München 1998, ISBN 3895847429
   * him hanflang war das wort sprechgedichte gelesen vom autor, 1 Audio-CD, Berlin 2000, ISBN 3803140374
   * 13 radiophone texte & das röcheln der monalisa 1 Audio-CD gelesen vom Autor, Bayerischer Rundfunk 2002, ISBN 3934847706
   * weltgebräuche Audio-Cd gelesen vom Autor mit Martin Haselböck (Orgel) und Rudolf Josel (Posaune), Erding 2002, ISBN 3902123273
   * eile mit feile 1 Audio-CD gesprochen vom Autor, München 2003, ISBN 3899402626
   * laut + luise. hosi + anna sprechgedichte gelesen vom autor, 1 Audio-CD, in Vorbereitung Berlin 2005, ISBN 3803140269