Marie Daulne ist der kreative Kopf und Mastermind hinter dem Markennamen Zap Mama. 1990 gründet sie in ihrer Heimat Belgien einen fünfköpfigen A-Capella-Chor aus belgisch/zairischen Musikerinnen. Ihr kreativer Umgang mit der Stimme macht das Quintett schnell zum Geheimtipp. Das Debütalbum "Zap Mama" wird 1991 in 20 Ländern veröffentlicht und avanciert zum meistverkauften World-Music-Album des Jahres.
Geboren wird Marie Daulne 1964 in Zaire, fünf Jahre nachdem sich die belgischen Kolonialherren zurückzogen. Ihr wallonischer Vater wird im selben Jahr von Rebellen getötet, ihre Mutter verhaftet. Nach deren Freilassung, drei Jahre später, fliegt die belgische Regierung die Familie nach Brüssel aus.
Dort wächst Marie Daulne mit der Musik von Stevie Wonder, Roberta Flack und dem noch jungen Hip Hop auf, obwohl ihre Mutter sich redlich bemüht, ihr die polyphonen Gesänge der Pygmäen näher zu bringen. Erst mit 18 Jahren kehrt sie für einige Zeit in ihre Heimat zurück und nähert sich den dortigen Musiktraditionen.
Zurück in Belgien erweitert sie dieses multikulturelle Fundament um lateinamerikanische, arabische und indische Elemente, um aus diesem Gebräu Zap Mamas Erfolg zu formieren. "Sabsylma" erfährt 1994 eine Grammy-Nominierung für die beste World Music-Aufnahme. Das folgende Album "7" (1997) läutet eine stilistische Wende ein. "Ich hatte Lust auf Musik, die den ganzen Körper anspricht. Die polyphonen Gesänge, unser früheres Markenzeichen, genügten da nicht mehr. Die Reduzierung auf weibliche Stimmen engt stark ein. Außerdem sprechen Stimmen den Kopf an. Instrumente kommunizieren direkt mit dem Körper. Ich wollte beides."
Marie Daulnes Sympathie für Reggae und Hip Hop deutet sich auf "7" durch Kooperationen mit der Dub-Legende U-Roy und Michael Franti bereits an. Zwei Jahre später folgt "A Ma Zone" und die Hit-Single "Rafiki", die in den Rap-Parts von MC Black Thought (The Roots) unterstützt wird.
2000 zieht Marie Daulne nach New York, um die Mulit-Kulti-Luft in Big Apple zu schnuppern. Dort arbeitet sie u.a. am Soundtrack von "Mission Impossible II" und produziert ihr Album "Ancestry In Progress", das sie 2004 unters Volk bringt - zu diesem Zeitpunkt lebt Marie Daulne bereits wieder in ihrer belgischen Heimat.
Unterstützung findet sie abermals bei den Roots, die auch den gesamten Produktionsprozess begleiten. Neben "?uestlove" stellt auch Neo-Soul-Star Erykah Badu ihre Stimme zur Verfügung. Funk, Soul, Jazz, Reggae und Hip Hop und Pop haben sich inzwischen als westliche Zutaten für ihre One-World-Vision etabliert, die sie auf "ReCreation" um die musikalische Vielfalt Lateinamerikas bereichert.
Für Abwechslung sorgen neben der Implementierung von Salsa und Calypso auch die "ReCreation"-Gäste Bilal, G. Love und der Schauspieler Vincent Cassel (Ocean's Twelve). "I feel, I can be a bridge between cultures", erklärt Marie Daulne den Albumtitel, "in dem Augenblick, wo man es schafft sich ganz relaxt zu fühlen, kann man beginnen sich selbst neu zu erfinden und die negativen Aspekte in seinem Leben hinter sich lassen."
RE CREATION
Obwohl der Titel- und Eröffnungssong zu "ReCreation" noch offen lässt, wohin das Album führen wird, dauert es nur kurz, bis man in seinen Bann geraten ist. Denn die ätherisch stilisierte Gesangsstimme wird von einem unruhig wummernden Bass unterlegt, der wie in Wartestellung klingt.
Doch Zap Mama, die elegant-mondäne Zeremonienmeisterin ihrer eigenen Songs, lässt sich Zeit. Man ahnt das explosive Potential, doch sie offenbart es nur Stück um Stück. Lieber spielt sie zunächst mit verfremdeten Afro-Chant ("Vibrations"), Human Beatboxing und A capella-Funk ("Singing sisters"). Doch dann gibt es kein Halten mehr: Spätestens mit "Hello to Mama" offenbart sich die gewaltige Kraft dieser Musik: Die Hitze von "ReCreation" nimmt den Sommer vorweg.
Marie Daulne alias Zap Mama ist eine Legende, seit sie vor 15 Jahren ihr erstes Album veröffentlichte - damals auf "Luaka Bop", dem ambitionierten Latin-Label von Talking Heads-Mastermind David Byrne. Seither hat sich die Musikerin, die im Kongo geboren wurde, aber in Belgien zuhause ist, erstaunlich weiter entwickelt. "ReCreation" ist ihr Manifest einer die Welt umspannenden Musik, die ihre Wurzeln sowohl in Zentralafrika als auch in der Karibik, in Brasilien, Westeuropa oder Nordamerika hat.
Überzeugend wie kaum eine andere bringt sie Salsa, R&B, Samba, Funk, Soul, Pop, Hiphop und Afrobeat zueinander. So gerät sie mal in die Nähe des Hiphop einer Lauryn Hill, mal wähnt man Arto Lindsays Samba-Drums, dann wieder röhrt sie wie Neneh Cherry, gibt sich funky wie eine Schwester von Prince, charismatisch wie eine Tochter von Miriam Makeba, dann wieder erlebt man sie mit der lasziv-mondänen Eleganz einer Grace Jones mit Duettpartner Vincent Cassel.
Mit dem markanten Schauspieler war sie zur Aufnahme eines Songs nach Rio de Janeiro gereist. Erst in Brasilien, sagt sie, sei die Idee eines kompletten Albums entstanden: "Alles hat mich hier inspiriert, die Strände, die Musik, die Sprache." Der flirrend heißen Erotik in "Non, non, non" ist dieser Einfluss anzuhören, fast scheint es, als wollten Daulne & Cassel es mit dem legendären Duo Gainsbourg & Birkin aufnehmen.
Neben Cassel, mit dem sie außerdem eine Neuaufnahme des italienischen Schlagerklassikers "Parole Parole" wagt (hier einer französisch/spanischen Fassung), gehören auch Soul-Sänger Bilal und Hiphopper G. Love zur Entourage des Albums, außerdem sind auch die Zap Mama-Sängerinnen der ersten Stunde, Sylvie nawasadio und Sabine Kabongo mit von der Partie.
Ebenso opulent und verschwenderisch wie die Songideen und ihre Umsetzung ist auch die ganze Coverart zu "ReCreation", in der sich die Künstlerin ebenso perfekt in Szene zu setzen weiß wie in der Musik. Und die endet schließlich, wie sie begonnen hat: mit expressivem Afro-Chant, groovendem Rhythmus und mitreißender Energie.