"Jedes Jahr gingen wir auf das Monterey Jazz-Festival. Das Gute daran, Clint Eastwood zum Vater zu haben ist, dass du in den Backstage-Bereich gehen darfst. Er hat mich mit Sarah Vaughan, Miles Davis und anderen Jazzlegenden bekannt gemacht."
Solche Erfahrungen prägen Kyle Eastwoods Kindheit, die er in Monterey, Kalifornien verbringt. Schon früh beginnt er, Gitarre zu spielen. "Nur zum Spaß", wie er später resümieren sollte. Mit 18 wechselt er zum Bass und nimmt von nun an das Musikmachen etwas ernster.
1982 beginnt er zunächst eine Schauspielkarriere mit einer Hauptrolle (neben seinem Vater) in "Honkytonk Man". Kurzzeitig studiert er Film, spürt jedoch schnell, dass sein Herz für die Musik schlägt. Mit 23 geht er von der Schule ab und gründet das West Quintet. Dieser Schritt markiert seinen Einstieg ins professionelle Musikbiz.
In den Folgejahren spielt Eastwood, um Erfahrung zu sammeln, so ziemlich jeden Gig, den er kriegen kann. Lohn seiner Mühe ist 1998 das Debütalbum "From There To Here" (Sony), auf dem unter anderem Joni Mitchell als Gast zu hören ist. Zusammen mit seiner Frau, der spanischen Schauspielerin Laura Gomez, und seiner Tochter siedelt er bald darauf nach New York, um möglichst viele hochkarätige Musiker um sich herum zu haben. "New York bietet mir bessere Möglichkeiten zu spielen. Das ist der einzige Weg, weiter zu wachsen
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FAZ
FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Dirty Harry sitzt am Klavier und hat gute Ohren
Kyle Eastwood ist Jazzmusiker und macht Filmmusik. Ganz nebenbei gesagt ist er der Sohn von Clint Eastwood. Im Interview äußert er sich zu den Ohren seines Vaters und erklärt, warum bei manchen Filmen die Musik genauso wichtig ist wie die Bilder.
Sie haben kurze Zeit Film studiert, das Studium aber abgebrochen, um Musiker zu werden. Wollten Sie etwas machen, bei dem Sie nicht im Schatten Ihres Vaters stehen?
Nein, mir gefiel das Studium einfach nicht. Außerdem war mir schnell klar, dass ich viel lieber Musik mache als irgendwas im Filmgeschäft. Das war der wahre Grund.
Welchen Job hätten Sie wählen müssen, damit Sie nicht ständig von Journalisten gefragt werden, ob es Ihnen etwas nützt, der Sohn von Clint Eastwood zu sein?
Das wäre schwer. Irgendetwas, was nicht im Entferntesten mit Unterhaltung oder Musik zu tun hat.
Stört es Sie, dass Sie immer wieder auf Ihren Vater angesprochen werden?
Es hat mir noch nie viel ausgemacht, darüber zu reden. Es ist ja auch nicht so, dass man nur Vorteile davon hat, einen berühmten Vater zu haben. Es gibt auch Nachteile.
Zum Beispiel?
Dass man immer wieder auf Leute trifft, die sich einbilden, genau zu wissen, wer du bist. Oder das Vorurteil, dass man zwar einen großen Namen, aber nur wenig Talent habe. Aber mit Musikern passiert einem so etwas nur ganz selten.
Wie kamen Sie zur Musik?
In meiner Familie ist Musik fast so wichtig wie Film. Meine Mutter und mein Vater spielen beide Klavier, meine Schwester singt. Schon die Mutter meines Vaters war ein großer Jazzfan. Die Jazz- und Klavierbegeisterung hat mein Vater von ihr. Den ersten Basslauf meines Lebens hat mir mein Vater gezeigt, als er mir am Klavier den Boogie-Woogie erklärte. Ich übernahm die linke Hand, er die rechte.
Deswegen sind Sie Bassist geworden?
Nein. Da lagen noch ein paar Jahre dazwischen. Mit dem Bassspielen fing ich erst auf der High School an. Da hatte ich Freunde, die Musik machten und auf ihren Instrumenten schon ziemlich gut waren. Viel besser als ich. Bei den Jamsessions fehlte immer ein Bassist. Eines Tages habe ich eben den Bass-Part übernommen und daran Gefallen gefunden.
Spielten Sie damals schon Jazz?
Eigentlich nicht. Eher Motown, Booker T. and the MGs, Blues - solche Sachen. Meine ersten Vorbilder waren James Jamerson, der großartige Motown-Bassist, und Carol Kaye, eine Studiomusikerin, die viel mit den Beach Boys gearbeitet hat. Auch Rock-Bassisten wie John Paul Jones von Led Zeppelin oder John Entwhistle von „The Who“ haben mich interessiert. Auf Jazzbassisten und den Kontrabass bin ich erst später gekommen. Da hatte ich auch dann auch Lehrer, die mir Dinge wie Harmonielehre, Musiktheorie und so weiter beigebracht haben.
Spielen Sie eigentlich mit Ihrem Vater, wenn Sie ihn besuchen?
Das kommt vor. Er schaut auch gelegentlich vorbei, wenn ich im Studio aufnehme. Oder wenn wir sein Gästehaus in Kalifornien in ein Aufnahmestudio verwandeln, um dort an der Musik für einen seiner Filme zu arbeiten. Da kommt er gerne vorbei und setzt sich manchmal ans Klavier.
Wie würden Sie Ihren Vater als Pianisten charakterisieren?
Er ist ziemlich gut - vor allem, wenn man bedenkt, dass er nie Unterricht hatte und sich alles selbst beibringen musste. Angefangen hat er mit Boogie Woogie, danach war Fats Waller eines seiner Idole. Außerdem hat er verdammt gute Ohren.
Ihr Vater spielt ja manchmal Typen, vor denen man sich durchaus fürchten muss. Gab es einen Moment, in dem Sie sich als Kind vor „Dirty Harry“ fürchteten?
Ich glaube, dass ich schon sehr früh zwischen meinem Vater und Clint Eastwood, dem Filmstar, unterscheiden konnte. Für ein Kind ist der Vater zu Hause doch viel einprägsamer als der Vater, der als Filmstar über den Bildschirm flimmert. Natürlich schimmert in manchen Rollen meines Vaters seine eigene Persönlichkeit durch. Aber für den allergrößten Teil ist er völlig anders als die Figuren, die er gespielt hat.
Für einen Film Ihres Vaters, „Letters from Iwo Jima“, habe Sie dann Ihren ersten vollständigen Soundtrack geschrieben, zusammen mit Ihrem Kollegen Michael Steven. Stimmt es, dass die Musik fertig war, bevor der Film überhaupt gedreht war?
Wir haben nur einen Teil, nämlich die Hauptmotive, parallel zu den Dreharbeiten komponiert. Das hat gut funktioniert, weil ich zu diesem Zeitpunkt schon „Flags of our Fathers“, den Vorgängerfilm, der diese Schlacht im Pazifikkrieg aus amerikanischer Sicht schildert, gesehen und das Skript zu „Letters from Iwo Jima“ gelesen hatte. Ich wusste also, um was es geht. Aber der Großteil der Musik ist erst entstanden, als „Iwo Jima“ schon gedreht war.
Die Musik zu diesem Film klingt kaum japanisch oder fernöstlich, obwohl der Film diese Schlacht um eine trostlose Insel im Pazifik aus japanischer Sicht zeigt. War das Absicht?
Uns war von Anfang an klar, dass das nicht nach japanischer Musik oder nach dem, was wir dafür halten, klingen sollte. Allein schon, weil der Film auf Japanisch gedreht wurde. Da braucht man sich nicht auch noch bei der Musik um Authentizität bemühen. Deswegen sind wir nur ganz sparsam mit fernöstlichen Anklängen umgegangen. Eigentlich gibt es nur eine Stelle, wo die Filmmusik irgendwie japanisch klingt: ganz zum Schluss, als die überlebenden japanischen Soldaten in ihre letzte Schlacht ziehen.
Gab es eine Szene, die Ihnen besonders schwer fiel?
Am schwierigsten war dieser Abschnitt, in dem sich die japanischen Soldaten mit ihren Handgranaten in die Luft sprengen. Ansonsten fiel mir das Komponieren ziemlich leicht. Besonders die großen Themen gingen mir schnell von der Hand. Ganz anders als die Musik zu dem neuen Film meines Vaters, der im Herbst in die Kinos kommt: „The Changeling“.
Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Jazz und Filmmusik?
Beim Jazz hat man natürlich sehr viel Freiheit. Beim Komponieren von Filmmusik gilt es viele Dinge zu beachten: Die Musik muss zu einer Szene passen, darf exakt nur eine bestimmte Länge haben, soll sich motivisch entwickeln und so fort. Andererseits gibt es natürlich eine lange Tradition des Jazz in der Filmmusik. Mit Jazzmusik lassen sich sehr gut die unterschiedlichsten Stimmungen erzeugen. Und genau darum geht es ja bei der Filmmusik.
Wie komponieren Sie Ihre Filmmusik?
Ich bin zwar Bassist, aber wenn es um Filmmusik geht, arbeite ich überwiegend am Klavier. Das ist viel praktischer, weil es wie ein kleines Orchester funktioniert. Manchmal entwickle ich eine Melodie am Bass und wechsle dann zum Klavier. Aber das kommt eher selten vor.
Was ist das Schwierigste beim Komponieren von Filmmusik?
Dass die Musik die Stimmung des Films unterstützt, ohne sich aufzudrängen. Im Idealfall sollte es sogar so sein, dass der Zuschauer die Filmmusik gar nicht bemerkt - eben weil sie so perfekt zum Film passt.
Ihre Helden unter den Filmkomponisten?
Ennio Morricone und Jerry Goldsmith. Bei Morricone natürlich wegen der Musik zu den Sergio-Leone-Filmen. Von Goldsmith finde ich die Musik zu „Basic Instinct“ phantastisch - diese Streicher und wie das alles orchestriert ist! Ehrlich gesagt, gefällt mir die Musik sehr viel besser als der Film dazu.
Was macht für Sie den Unterschied zwischen guter und schlechter Filmmusik aus?
Es gibt so viel unterschiedliche Filmmusiken, wie es Filme gibt. Mein Vater zum Beispiel bevorzugt eine sehr diskrete, manchmal fast minimalistische Art der Filmmusik. Zu seiner Art von Filmen passt das auch. Ganz anders die Zusammenarbeit zwischen Steven Spielberg und John Williams. Da muss die Filmmusik genauso riesig wirken wie der ganze Film: größer als das Leben selbst, fast so, als würde einem gleich ein ganzes Orchester ins Gesicht springen. Mir liegt eher die Sorte von Musik, die mein Vater einsetzt. Aber es hängt eben vom Film ab: Bei einem Spielberg-Film würde dieser Musik-Minimalismus nicht funktionieren.
Ist Filmmusik für Sie nur eine Nebenaufgabe, oder können Sie sich vorstellen, eines Tages nur noch als Filmkomponist zu arbeiten?
Nein. Dafür machen mir der Jazz und meine Band zu viel Spaß. Am liebsten wäre mir, wenn sich beide Bereiche die Waage hielten. Wenn man über Wochen und Monate an einem Soundtrack gearbeitet hat, gibt es anschließend nichts Besseres, als auf Tournee zu gehen.