Der Vater Italiener, die Mutter Belgierin – da stehen schon so manche Türen zur kulturellen Vielfalt offen. „Ich bin ein Schwamm, bringe alles zusammen was ich liebe, wie in einem Cocktail“, bekannte sie der flämischen Zeitung Het Nieuwsblad, und da passt es gut, dass sie auf der belgischen Version ihres Debüts mit einem Hut aus Obst abgebildet ist. Die musikalischen Früchte ihrer Kindheit und Jugend sind in der Tat reichhaltig: Sie liebt die Songs von Melanie, lauscht der Bossa Nova-Gitarre ihres Vaters und den protestantischen Psalmen, die ihre Eltern singen, nimmt Klavierunterricht und lässt sich von Kassetten mit Zusammenstellungen von überdrehtem Seventies-Pop begeistern. Singen ist für sie ganz natürlich – selbst das Summen des Staubsaugers zuhause begleitet sie mit fantasievollen Vokallinien.
Doch Sarah Ferris musikalischer Weg verläuft nicht geradlinig. Während sie parallel immer Songs schreibt, beginnt sie eine Ausbildung zur Wirtschaftsingenieurin, arbeitet in der Verwaltung. Nach etlichen Jahren erst setzt sie alles auf eine Karte, investiert in die Aufnahme eines eigenen Albums. Es folgt ein Seitenpfad in den Garage-Rock mit der Formation Misses Bombie, die sich als „drei Motherfucker und eine Hündin“ bezeichnen und es bis ins Finale einschlägiger Rockwettbewerbe schaffen. Doch diese musikalische Welt entspricht nicht Sarah Ferris wahrem Wesen.
„Ich bin romantisch“, verrät sie. "Nostalgie ist für mich ein positives Wort, bezieht sich auf glückliche Gefühle in der Kindheit. Das Problem ist aber, dass man mit solch einem Bild immer in die Vintage-Ecke, zu Amy Winehouse, Adele und Duffy gesteckt wird.“ Da gehört Sarah Ferri definitiv nicht hin. 2009 zahlt sich schließlich ihre lange Vorbereitung aus und sie gewinnt den Contest des Gentse Feesten. Es bringt ihr Support-Auftritte für Caro Emerald, Simply Red und Jools Holland ein, schließlich einen Plattenvertrag bei der belgischen Universal. Und voilá: „Feritales“ wird 2012 zum Renner in ihrer Heimat.
In der Tat kann man sich der zeitlosen Magie dieser Scheibe, die nun endlich auch in Deutschland erscheint, nicht entziehen. Die 12 akustischen Kleinode, die Ferri mit ihrer Instrumentalcombo und vokaler Chorunterstützung eingespielt hat, fächern sich von wippendem Gipsy Swing über große Balladenkunst und bluesige Intermezzi bis zu Bossa-Eleganz auf. „On My Own“ und „The Man Who Was Bored“ gemahnen an die besten Zeiten ihrer Landsleute von Vaya Con Dios, sind aber bar jeder kommerziellen Aufpolierung. „Were You There“ atmet die große Geste einer Rock-Pianoballade und ist ein grandioser Schaukasten für Ferris Stimmenzauber.
„A Place On The Moon“, eine selbstironsiche Skizzierung ihres - für manche männliche Zeitgenossen zu vitalen – Charakters lässt Jazz und Sixties-Chöre verschmelzen. Schwirrende Kate Bush-Anleihen finden sich im surrealen Walzer „Dancing In The Supermarket“. Eine besonders schöne Miniatur ist „Spring Air“ im „flamisierten“ Bossa Nova-Feeling, erdschweren Blues transportiert „The Hungry Villain“. Und alle, die Sarah Ferri jetzt immer noch in eine bestimmte Kiste stecken wollen, werden spätestens beim mächtigen „A Jacket For The Cold“ kapitulieren, in dem doch tatsächlich Spaghetti-Western und punkige Patti Smith-Attitüde kollidieren.
Ist diese Frau aus einer anderen Welt? „Ich habe oft das Gefühl, das ich ein Alien bin, sowohl in Belgien wie in Italien. In Italien finden sie mich zurückhaltend und unnahbar, in Flandern genau das Gegenteil.“ Wir sind überzeugt, dass ihr Image bei uns in Deutschland sich in der goldenene Mitte einpendeln und eine spannende Nische erobern wird: die einer großartigen, wagemutigen Stimmenkünstlerin, in deren Songs sich die Musik der Fünfziger bis Siebziger mit der fruchtigen Frechheit von heute vereint.