Textallergie
Wer diesen Text liest, ist in Gefahr. Daher müssen künftig die vierzehnt häufigsten Textallergene angeführt werden. Ein Minderheitenprogramm, aber Minderheiten sind ja etwas Rührendes. Man kann sich um sie kümmern und dieser Urinstinkt beruhigt zudem das Gewissen. Problematisch wird es, wenn einem just die fünfzehn häufigste Textallergie quält, jene gegenüber Strichpunkten (sp). Das ist eben Pech. Wesentlich häufiger ist die Beistrichallergie (b), auch Kommaphobie, die viele Menschen quält, Für sie ist der vorige Satz ungenießbar. Dasselbe gilt für die Überempfindlichkeit gegen das scharfe S ß). Dagegen gibt es keine Maßnahme. Die Doppel-S-Idiosynkrasie (ss) hingegen ist nützlich, sie bewahrt uns vor bösen Dingen wie Hass oder Müssen. Liberale Geister pflegen oft ein gestörtes Verhältnis zur Großschreibung (g). Zu Recht, warum sollen in einer Demokratie einige Wörter größer sein als andere? Wie Psychologen herausfanden, steckt hinter der tückischen Fremdwortallergie (f) die Angst um die eigene Identität. Dass es sich dabei ebenfalls um ein Fremdwort handelt, erschwert die Heilung. Die typische Schachtelsatzempfindlichkeit (sch) wiederum hindert die Betroffenen längere Sätze zu erfassen.
Aber richtig gefährlich wird es bei der häufigsten Störung, der Abneigung gegen Texte an sich (t). Schon die Nähe eines Buches kann bei diesen armen Zeitgenossen zu Hautreaktionen führen. Bibliophob zu sein gilt allerdings zunehmend als chic. Dagegen ist so eine ordinäre Nussallergie geradezu old school. Vielleicht der Grund, warum Bibliophobie vom Bildungsministerium derart gefördert wird.