Sachgefühl
Also was Mehlspeisen anbelangt, sind die in Wien einfach immer besser drauf. Da kommt ein ungewöhnliches Gesetz auf die Universitäten zu und die Studenten spüren es sofort nach zwei Jahren, daß sich etwas ändert, und organisieren stracks eine spontane Aktion.Aus Stummfilmen wissen wir, daß nichts so spontan ist wie das Parken einer Torte im Gesicht des Kontrahenten. Auf Österreichisch heißt das Tortung. Wahrscheinlich haben alle österreichischen Studenten Stummfilme gesehen und halten es für Vorlesungen, weshalb der Umgang mit Gesichtsmehlspeisen so selbstverständlich ist.
Freilich haben die Innsbrucker Studenten trotz aller Mühen keine passende Torte gefunden, und wenn sie eine gefunden hätten, hätten sie erst nicht gewußt, wem ins Gesicht schmieren, es ist nämlich alles amorph. Die Prügeltorte wäre ideal für so einen Anlaß, aber deren Herstellung dauert mehrere Stunden, und da gehen die Studenten meist schon wieder heim, weil sie vom Studieren müde sind. Wer hätte also in der Freizeit die Prügeltorte vom Prügelkonditor abholen sollen? In Innsbruck beschränkt man sich also auf ein lautes Sitzen im Hörsaal und hofft, das Studium wie das Leben insgesamt aussitzen zu können. Anders in Wien. Stracks war eine Torte zur Hand, aus der Sachertorte wurde eine Sach-Torte und sachlich dem Rektor ins Gesicht geschmiert. Volle Tortung! Dieser soll seither einen Knick haben. Gerade er, der so logisch denkt und den Scheiß der Regierung so cool exekutiert, kriegt diese sachliche Torte nicht mehr aus dem Gesicht der Erinnerung.
Plötzlich kriegt diese Klebrigkeit um das neue Unigesetz eine anschauliche Masse. Was lernen wir daraus? Kein Mensch merkt sich sachliche Dinge, erst wenn die Gefühle auskommen, entsteht Realität. Daß ein allwissender Rektor plötzlich weiß, wie Schmach im Gesicht schmeckt, hat übrigens mit Allgemeinbildung zu tun.