Stau auf der Brust
Wenn es sogar schon auf dem Querformat eng wird, dann ist viel los auf dem Foto.Tatsächlich tummeln sich fröhliche Körper zwei - und dreireihig rund um die Linse, und sie haben alle leicht lachen, denn endlich ist die Ehrung ausgebrochen. Die Stadt Innsbruck hat alles, was einmal mit Kultur in Berührung gekommen und noch nicht unter der Erde ist, zu einem gigantischen Ehr-Marathon aufgetrieben.
"Persönlichkeiten des Innsbrucker Kulturlebens wurden mit dem Kulturehrenzeichen bzw. der Verdienstmedaille der Stadt ausgezeichnet." - Die schlichte Unterschrift steht im krassen Widerspruch zur barock-üppigen Ehrung auf der Bildoberfläche. "Ja, es hat einen Stau gegeben, den mußten wir abarbeiten", sagt auch die Bürgermeisterin wie immer ganz im Saft der Fröhlichkeit. Bei genauerem Hinsehen ist der Stau auf den Brüsten beträchtlich, das Keks vom Pädagogen sticht ins Fleisch des Verschönerungsvereins, die geklopfte Schulter der Konzertmeisterin quetscht sich die Halsschlagader des Präsidenten der Künstlerschaft, ein Universalkünstler steckt zwischen den Brüsten von Verleger und Almanach, jemand nennt sich Beleber von St. Nikolaus und hält unterm Stau den Atem an. Und Höhepunkt dieses Auftriebs ist sicher der ehemalige Kulturamtsleiter, dem man einmal mitten in der Dienstzeit den Schreibtisch auf die städtische Müllhalde gekippt hatte, damit er noch vor der Pension wach würde, so eingeschlafen war er schon. Also wenn Personen, deren Aufgabe es ist, Kultur in jeder Form zu verhindern, dann in der Pension noch ein Keks kriegen, dann kann man sich ausmalen, was diese Stadt unter Kultur versteht. Foto ist ok, Stau abgearbeitet, Bürgermeisterin kann aufatmen, die geehrten Brüste lassen sich wieder strecken, wenn man zu Hause die Dinger abgenommen hat, die in die Lungen stechen. Na ja, in einer anderen Stadt als Innsbruck hätten es die Kulturschaffenden sicher schlimmer treffen können, in anderen Städten nämlich vegetieren die Kulturzombies ungestochen und ungeehrt durch die Viertel.