BIO-Eier vom Steilhang: Die Eiergenossenschaft Tschenglsberg
Heute möchte ich euch ein wunderschönes Beispiel einer Initiative vorstellen, die unserer Berglandwirtschaft neue Impulse verleihen kann: die BIO-Freiland-Eiergenossenschaft Tschenglsberg im Oberen Vinschgau.
Wer hat schon so einen Blick aus seiner Küche? Am Psegghof ist's quasi in Cinemascope.
Als Alexandra Zöggeler und Philipp Thoma 2014 den 'Psegghof' in Tschenglsberg hoch über dem Oberen Vinschgau kauften, hatten sie einen klaren Plan. Sie wollten von diesem Hof leben und ihn nicht nur quasi nebenher betreiben. So etwas ist heutzutage schwer zu glauben und noch schwerer zu erreichen. Also bauten sie ihn um und aus.
Der Psegghof liegt auf der wohl einzigen ebenen Fläche, wenn man von Tschengls aus nach Tschenglsberg fährt. Die Aussicht ist im wahren Sinn des Wortes 'atemberaubend'. Das Stall und Wohnhaus sind neu. Oder auch wieder nicht: das Wohnhaus wurde zum Großteil aus wieder verwertetem Holz erbaut.
Permakultur und wiederverwerteter Holzaufbau: der Psegghof auf 1.250 m Seehöhe.
Bei meinem Besuch auf dem Psegghof formuliert Philipp die Ziele kurz und bündig: "Wir wollen steile Berghänge, Gesundheit, Wohlbefinden und enkeltauglich Landwirtschaft auf einen Nenner bringen. Und das alles mit der fixen Absicht, in Zukunft auf dem Hof leben zu können ohne im Tal arbeiten zu müssen.“ Klingt toll. Aber wie schafft man das in einer Zeit, in der landwirtschaftliche Produkte zur 'Billigware' verkommen sind? In einer Zeit, in der Dumpingpreise für Lebensmittel gelten, damit die Konsument_innen all das andere elektronische Geraffel zu kaufen in der Lage sind?
Sandy-Hühner am Psegghof
"Wir haben lange überlegt und sind zum Schluss gekommen, dass wir BIO-Freilandeier erzeugen wollen", sagt Philipp. „Das wiederum ist das Ergebnis von Überlegungen, wie man auf einem Bergbauernhof ein gutes, würdevolles Leben entwickeln und mit dem Wenigen überleben kann, was die Natur vor Ort bietet.“ Eine wunderbare Philosophie, die Alexandra und Philipp gemeinsam mit ihren beiden Kindern Lena-Marie und Joseph umsetzen. Aber ist das nicht quasi die 'reine Theorie'?
Alexandra und Philipp belegen das Gegenteil: Sie setzten auf den zunehmenden Wunsch der Konsument_innen, beim kauf tierischer Produkte das Tierwohl zu berücksichtigen. Und bei Eiern ist das ein massiver Trend. Aber Philipp tat zusätzlich etwas, was in Bergbauerngebieten nicht alltäglich ist: er hatte seine Nachbarn eingeladen, bei der Gründung einer BIO-Eiergenossenschaft mitzumachen. Und so bilden derzeit der Standleir- und der Vernatschhof gemeinsam mit dem Psegghof die Genossenschaft. Und schon bald soll ein vierter Hof in diese Erzeugergemeinschaft von BIO-Freilandeiern aufgenommen werden.
Freilandhühner im Steilhang
Was mich wirklich interessiert: Wie kommt man auf die Idee, auf Steilhängen Hühner zu züchten? Denn die Hänge des Psegghofes sind so steil, dass man auch abstürzen kann. "Wir haben lange überlegt", gibt Philipp zu. Aber der Entschluss stand schon bald fest: Hühnerzucht ist eine der Möglichkeiten, von Grund und Boden zu leben. "Wir haben uns für ein Zweinutzungshuhn entschieden, das Sandy genannt wird. Und da BIO-Hühner in Italien nicht gezüchtet werden bezieht er diese Hühnerrasse aus Österreich.
Männliche Küken werden groß gezogen
Besonders wichtig für die Bauersleute aus Tschenglsberg ist es, dass die männlichen Küken nicht schon kurz nach dem Schlüpfen 'geschreddert' werden. Dieser respektlose Umgang mit Tieren ist den Psegghof-Bauersleuten ein Gräuel. Dafür, dass die eiermacher.at, von denen die BIO-Hühner stammen die Hähne leben lassen und mit aufziehen, bezahlt die Genossenschaft beinahe den doppelten Preis für ein Legehuhn-Küken. (Sie werden mit 10 Wochen geschlachtet und verkauft.)
Kein genmanipuliertes, pestizidbehandeltes Futter
Genauso wie die Verfütterung von genmanipuliertem Mais und Soja, wie das bei 'normaler' Freilandhaltung von Hühnern üblich ist. Diese Rohstoffe wachsen meist auf dem Boden gerodeter Regenwälder, sind genmanipuliert und werden mit Glyphosat und anderen Pestiziden behandelt. "Und das geht gar nicht", meint Philipp. Das ist für BIO-Freilandeier ein absolutes Tabu.
Die Aussicht der Hühner aus ihrem Stalll auf das Obere Vinschau hätt ich auch gern...
Die alten Legehühner werden nicht auf den Müll geschmissen
Was viele Konsument_innen nicht wissen: alte Legehühner werden getötet und 'normalerweise' in den Müll geschmissen. Dieser respektlose Umgang mit Tieren kommt für die Tschenglsberger Eierzüchter schon gar nicht in Frage. Nach 16 Monaten haben auch die Hühner der BIO-Genossenschaft ihre Lebensleistung erreicht und werden geschlachtet. "Drei Jahre lang habe ich mit den Köchen der Region gearbeitet um Suppenhühner in ihren Menüplan quasi aufzunehmen. Das ist gelungen", sagt Philipp sichtlich stolz. Und seither gibt's die Suppenhühner auf Speiseplänen und auch in ausgesuchten Geschäften. Mit Rezepten, die ihr HIER findet.
Mangalica-Schweine als zweites Standbein
Der Psegghof verfügt auch über Wald. Und wie kann man diesen auch nützen? Indem man dort Schweine aufzieht. Nicht die normalen Hausschweine allerdings. Das sollten schon eine etwas rustikalere Säue sein, die sich im Wald auf Futtersuche begeben und sich im Schlamm wälzen. Deshalb hat Philipp mit der Aufzucht von Mangalica-Schweinen begonnen. Man nannte sie früher auch Wolschweine, weil diesen Tieren ein dichtes Fell wächst.
Ich hatte das Vergnügen, diese 'Schweinezucht' zu besichtigen. Natürlich laufen die Tiere in einem großräumig abgezäunten Gebiet frei herum. Suhlen sich im Schlamm oder graben nach Engerlingen oder Würmern. Lediglich ein trockener Unterstand ist vorhanden, der den Tieren völlig ausreicht. "Unsere Amtstierärztin hat sogar gesagt, dass diese Haltung ideal sei" erzählt Philipp.
Hansi, der Mangalica-Eber ist immer hungrig.
Was in Südtirol mit Schweinespeck passiert brauch ich ja nicht näher zu erklären. Daraus wird Speck gemacht. Im Fall des Mangalica-Specks vom Psegghof ein sensationeller noch dazu. Allein schon die Herstellung verrät, dass es sich um höchste Qualität handelt: Nach der Schlachtung wird er 2 Wochen lang gesurt und dann 2 1/2 Monate lang täglich mit Lärchen-, Buchenholz- und Wacholer kalt geselcht. Anschließend reift der Speck sieben Monate lang! Ich habe ihn probiert und behaupte: der Speck vom Psegghof erreicht die Qualität des besten und originalen Jamón Ibérico, den ich bei meiner Pilgertour auf der Via de la Plata genießen durfte.