Jonas Knutsson / Johan Norberg: Der Zauber des Nordens und die Kunst der tieferen Harmonie
Jonas Knutsson und Johan Norberg. Saxofon und Gitarre;
die Intimität eines Duos zweier vollendeter Musiker;
sensible, lyrische Zwiegespräche, die unaufdringlich eindringlich Landschaftsvisionen aus dem hohen Norden Schwedens an unserem Auge und Ohr vorbeiziehen lassen ... „Ob es wohl schon jemals ein nordisches Stimmungsbild mit so viel Anmut gab?“, fragte sich damals das Magazin Nordische Musik. „Kaum eine Produktion in den zurückliegenden Jahren besitzt diesen persönlichen Charakter, strahlt aus einer derart intimen Stille heraus, wie Norrland“, stellte Jazzpodium voller Bewunderung fest und Stereo begeisterte sich weiter: „Luzide in der Ausführung, sensibel und hellhörig im Dialog, erschafft dieses formidable Duo Musik wie aus einer anderen Zeit".
Jonas Knutsson sax
Johan Norberg guitars
Der Zauber des Nordens und die Kunst der tieferen Harmonie
ACT 9014-2
Es begann an verschneiten Weihnachtstagen 1999: Da trafen der Saxophonist Jonas Knutsson und der Gitarrist Johan Norberg zum ersten Mal zu spontanen Aufnahme-Sessions in Norbergs Wohnung zusammen, versenkten sich mehrere Stunden ins Spiel und verstanden sich dabei offenbar so gut, dass die Bänder davon jahrelang unter Freunden der beiden schwedischen Musiker kursierten. Bis Knutsson und Norberg die Aufnahmen selber wieder anhörten - und beschlossen, gemeinsam ins Studio zu gehen. Entstanden ist dabei eine CD, die Jazz und schwedische Folk-Einflüsse besonders berückend ineinander aufgehen lässt: "Norrland". Die Kunst der tieferen Harmonie zwischen zwei Musikern: so könnte man "Norrland" auch nennen. Knutsson und Norberg kultivieren die feinen Zwischentöne, die sensiblen Dialoge. Verhangene, auf unaufdringliche Weise eingängige Klänge lassen sie hier entstehen: zarte, aber nirgends harmlose musikalische Landschaftsbilder, die den Zuhörer mit ungemein präsenter Atmosphäre fesseln und einen seltenen Farbenreichtum entwickeln. Und die ein Publikum weit über die Jazz- und die Folk-Gemeinde hinaus erreichen dürften.
Man wundert sich, dass diese beiden Schweden nicht schon viel früher zusammengefunden haben. Gitarrist Johan Norberg gilt als der derzeit beste und interessanteste Akustikgitarren-Spieler der skandinavischen Folk- und Weltmusik-Szene. Mit dem Posaunenstar Nils Landgren bildete er 17 Jahre lang das in Schweden ungemein populäre Duo "Chapter two", bei Landgren spielte er außerdem auf dessen Live-CD "5000 Miles" (ACT 9271-2) elektrische Gitarre. Jonas Knutsson, der sich bereits in seinem 1997er Album "Flower In The Sky" (ACT 9248-2) als Jazzer mit starkem Sinn für’s schwedische Folk-Idiom und als Saxophonist von großen lyrischen Qualitäten profilierte, arbeitete unter anderem mit der Folk-Ikone Lena Willemark zusammen, mit der er in der Folkjazz-Pioniergruppe "Enteli" und später in dem von Europa bis Amerika bewunderten "Nordan"-Projekt mitwirkte.
Knutssons feiner, weicher, aber nie softer Saxophon-Ton und seine organische, immer intensitätsgeladene Phrasierung gehen hier bezaubernde Verbindungen ein mit Johan Norbergs satt klangvollem und ruhige, geschmeidige Linien zeichnenden Gitarrenspiel. Das stellt sich bereits beim ersten Stück heraus, "Bygdsiljum", das nach einem Dorf in Norrland benannt ist. Hier spielt Knutsson Sopransaxophon (wie auch in Track 6, 8 und 9, 10), nutzt aber auf dieser CD auch andere Vertreter der Instrumentenfamilie, wie etwa Bariton- (Track 2, 5, 11) und Altsax (Track 3, 4, 7 und 12).
Auch Norbergs Instrumente weisen einige Besonderheiten auf: Wie etwa Joni Mitchell, Michael Hedges und andere sehr klangbewusste Folk-Gitarrenspieler, verändert Norberg die Stimmung seiner Saiten (etwa sogenannte "offene Stimmungen", die mit leeren Saiten bereits Akkorde ergeben, und nicht zuletzt deutlich tiefer gestimmte Bass-Saiten), um eine größere Sound-Vielfalt zu erreichen. In Track 12, der an Stücke des amerikanischen Gitarren-Virtuosen Leo Kottke erinnert, greift er auch auf die in der Folk-Musik und im Blues traditionell übliche Bottleneck-Technik zurück und entwickelt dabei einen mitreißenden Drive. In zwei Nummern (7 und 11) spielt Norberg auch das finnische National-Instrument Kantele, jenes zitherähnliche Instrument, das einst skythische Nomaden ins Baltikum brachten, von wo aus die Kantele schließlich nach Finnland gelangte.
Die Stücktitel übrigens sind nur schwer zu übersetzen: Manche beziehen sich auf Orte in Lappland ("Hattnijaur"), andere bedeuten so Konkretes wie "Der Zug" ("Taget") oder "Die andere Seite des Flusses" ("Ansia", ein Slang-Wort aus Norrland), wieder andere nichts ("Esivres"), und einige beziehen sich spielerisch auf die Musik und Biografisches: Bei "Abdullah Latikberg" verweist das Wort Abdullah auf die orientalische Färbung von Jonas Knutssons Improvisation - und Latikberg ist der Ort, an dem Johan Norbergs Großvater seinen letzten Hund, Scott, kaufte. Stücke, die Bilder evozieren und Geschichten erzählen: Dazu passt auch das CD-Cover, auf dem Fotos verwendet wurden, die Johan Norbergs Vater 1958 bei einer Lappland-Reise schoss. Das rundet diese CD zu einem faszinierenden Gesamtkunstwerk ab, mit dem man sich von einer aufregenden (Klang-)Landschaft gefangen nehmen lassen kann.