Für den Arsch
In der Vorweihnachtszeit gehen kluge Menschen mit dem eigenen MP3-Stick durch die Gegend, um sich die generelle Weihnachtsmusik zu ersparen. Wenn alle diese Schas-Lieder zu einem einzigen Song verbunden sind, nennt man es übrigens Medley.Aber auch im Print-Bereich gibt es diese Medleys, dort heißen sie Anthologien und sind für nichts anderes als den Arsch. Wörtlich übersetzt handelt es sich bei Anthologien um eine Blütenlese, und seit Cosy wissen wir, wo Blüten ihren Sitz haben.
Diese Anthologitis ist wie eine permanente Angina, sie steckt einem im Hals und man hat Angst, dass man sie verschleppt und plötzlich einen formidablen Herzschaden ausfasst.
Jetzt steht zu befürchten, dass bei der Aktion „Innsbruck liest“, wo immerhin so tolle Romane wie „Kameramörder“ und „Wundränder“ unter die unbekümmerten Leser gebracht worden sind, eine A. für den A. kommen soll.
Dabei haben wir noch ein paar tausend Stück der Innsbruck-Anthologie aus dem Jahre 1990 in den Lesedepots liegen, denn kein Schwein liest eine Anthologie. Eine Anthologie ist etwas für Germanisten, da können sie auswählen, Vorwörter und Gutachten schreiben, wir aber sollten den witzigen und freiwilligen Aspekt beim Lesen nicht vergessen.
Warum kann man nicht aus heuriger Sicht Hans Platzgumers „Expedition“, Irene Pruggers „Frauen im Schlafrock“ oder Elias Schneitters „Frühstück mit Sonnenbrille“ als Lesegeschenk für witzige Leser ins Auge fassen? Warum können nicht Texte unterstützt werden, welche Autoren freiwillig und autark verfasst haben? Warum muss immer ein Thema oder eine Anthologie ausgelobt werden, wo dann alle artig den Affen herunterschreiben?
Das Problem bei der so genannten Literaturpflege besteht ja darin, dass landläufig Fiktion mit Roman gleich gesetzt wird. Wenn man also frisches Publikum gewinnen will, muss man eben an die Vorstellungskraft dieses Publikums denken. Die Tiroler und Innsbrucker denken da wie bei einem Fronleichnamsumzug, er muss eine gewisse Länge haben und durchgehend begehbar sein, kleinere Prozessiönchen an einem Vormittag sind dann halt nicht so attraktiv.
Bitte an alle Literaturmacher: Wischt euch die Idee mit der Anthologie weg, bevor sich damit andere einen auswischen!