Fußfesselwähler
An jenem Tag, an dem in Amerika ein bunter älterer Herr zu irgendwas gewählt worden ist, hat in Österreich eine schwarze ältere Dame den gefühlt zweimillionsten Preis gekriegt. Der eine ist Präsident der Vereinigten Staaten geworden, die andere hat das Keks dieses Mal unter dem Titel Österreichischer Buchpreis entgegengenommen.
An jenem Tag ist der Paradigmenwechsel in Kunst und Politik vonstatten gegangen, wie man ihn klarer nicht sehen kann.
Das Wilde, Künstlerische, Übertriebene und Fiktionale ist Merkmal der Politik geworden, in der Kunst hingegen tummeln sich nur mehr schwarz gekleidete, pragmatisierte und auf Smalltalk reduzierte Menschen.
Ist man früher „in die Kunst gegangen“, weil man sich wild gefühlt hat und Widerstand leisten wollte, so muss man mit diesen Eigenschaften heute „in die Politik gehen“. Willst du es aber fein haben und wöchentlich dein Keks abholen, musst du Künstler werden.
Unter diesem Wechsel der Aufgaben leidet auch das bisherige System Wahl, Wahlversprechen und Wahrheit.
Die Wahlversprechen haben selten noch etwas mit der Realität zu tun, hintennach sind immer wieder alle ganz anders unterwegs, als sie es vorher gepostet haben. Aber nüchtern betrachtet besteht unser politisches System aus Ying und Yang, die politische Realität in Regierung oder Opposition ist das eine, die Dekoration für die Wahl das andere.
Es soll Wähler geben, denen ist die Realität egal, sie wollen nur einen unterhaltsamen Wahlkampf und belohnen jene, die diesen liefern.
Etwas Ähnliches spielt sich in der Literatur ab. Da rennen seitenweise moralisch einwandfreie Helden durch die Gegend und zeigen dem Leser, wo es für gute Menschen entlanggeht. Und dann sitzt oft ein moralisches Arschloch hinter dem Text und beutet seine Leser in jeder Hinsicht aus und betrügt sie mit seiner alternativen Wahrheit.
Gute Wähler jedenfalls machen sich bereit, denn spätestens im nächsten Jahr wird es massenhaft Wahlen geben.
Ich persönlich wähle jemanden, der eine Fußfessel trägt, dann kann er mir nicht unter der Legislaturperiode abhauen. Und zum zweiten achte ich darauf, dass jemand, den ich wähle, in meiner Gegend wohnt. Momentan wohnen nämlich in Innsbruck alle politische Farben auf dem Höttinger Sonnenhügel, während unsereins an der Talsohle am Mitterweg ständig verhöhnt und mit Bauverdichtung zugeschissen wird.